Entwicklungszusammenarbeit in Afrika „Deutschland kann von China lernen“

Erstmals wollen Deutschland und China gemeinsame Entwicklungsprojekte in Afrika betreiben. Das ist ein guter Schritt, lobt Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins. Deutschland habe aber Nachholbedarf.

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Der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft hält viel von gemeinsamer Entwicklungszusammenarbeit. Quelle: dpa

Peking Ein Zentrum für nachhaltige Entwicklung von Deutschland und China soll künftig gemeinsame Projekte in Afrika möglich machen. Am Donnerstag eröffnete Entwicklungsminister Gerd Müller die Einrichtung zusammen mit Chinas Handelsminister Zhong Shan. Gemeinsame Projekte gibt es noch nicht. Um die künftig zu koordinieren, schickt Deutschland einen Mitarbeiter nach China. Durch die geplante Allianz hofft die deutsche Wirtschaft auf neue Impulse und bessere Chancen für Mittelständler. Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, sieht zudem im Interview Chancen, durch stabiles wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungsperspektiven Ursachen von Flucht zu bekämpfen.

Herr Liebing, Deutschland will zusammen mit China Entwicklungszusammenarbeit in Afrika betreiben. Wie erfolgversprechend ist der Ansatz?
Ich halte das für richtig und notwendig. Während es viele Dinge gibt, die wir zu recht anders machen als China, können wir auch von den Chinesen lernen. Wesentlich mehr Geld als die geschätzten 1,6 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe gibt China für Handelsförderung und staatliche Kredite aus und betrachtet diese ebenfalls als Entwicklungszusammenarbeit im weiteren Sinne. So hat China vor allem im Infrastrukturbereich einen großen Anteil an der Entwicklung des afrikanischen Kontinents, wohingegen wir uns gerade auf diesem Gebiet bislang eher zurückgehalten haben. Wenn die Bundesregierung hier jetzt einen ähnlichen Weg einschlagen und sogar mit China kooperieren will, kann das nur von Vorteil sein – für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents und für die deutsche Wirtschaft.

Liegen das deutsche und das chinesische Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit nicht zu weit auseinander?
Es ist auf jeden Fall wichtig und gut, dass Deutschland aufhört, das chinesische Engagement auf dem afrikanischen Kontinent zu verteufeln und stattdessen nach Wegen der Zusammenarbeit sucht. Bislang liegen die Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich noch weit auseinander. Das heißt ja aber nicht, dass wir nicht voneinander lernen und aufeinander zugehen können. Deutschland kann zum Beispiel von China lernen, Afrika nicht immer nur als Armutskontinent, sondern vielmehr als Geschäftspartner auf Augenhöhe zu erkennen. Denn der Ausbau von Infrastruktur ist die wichtigste Voraussetzung für Fortschritt, Produktivität und nachhaltiges Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent.

Hohe Qualität und langfristige nachhaltige Investitionen einschließlich der Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen nach hohen internationalen Standards sind hingegen eindeutig deutsche Markenzeichen. Eigentlich können wir uns damit besonders gut abgrenzen. Allerdings sind chinesische Unternehmen ausgesprochen gut darin, ganze Lösungspakete mit Hilfe staatlicher Finanzierung anzubieten. Die Förderung der deutschen Wirtschaft im Kontext Entwicklungszusammenarbeit darf daher nicht länger einem Tabu unterliegen, sondern sollte als selbstverständliches Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit fungieren. Dringend notwendig sind Instrumente, die dazu beitragen, dass mehr deutsche Firmen in Afrika investieren und zum Aufbau der Wirtschaft in Afrika beitragen.

Die Bundesregierung möchte in Afrika die Ursachen von Flucht eindämmen. Wie kann China dabei helfen?
Weniger Migrationsdruck kann nur durch stabiles wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungsperspektiven eingedämmt werden. Mit einem größeren Engagement bei der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen könnte China noch mehr dazu beitragen, die viel zitierten „Fluchtursachen“ zu bekämpfen.

Wie kann sich die deutsche Wirtschaft in dieser Frage engagieren?
Deutsche Unternehmen sind in vielen Bereichen führend, die für eine nachhaltige Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent eine große Rolle spielen. Dazu gehören die Aus- und Weiterbildung, der Bereich der erneuerbaren Energien und auch im Infrastrukturbereich ist die deutsche Wirtschaft seit vielen Jahrzehnten erfolgreich tätig. Zudem sind die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards für viele deutsche Unternehmen schon lange eine Selbstverständlichkeit. Um das Engagement auf dem afrikanischen Kontinent auszubauen, braucht die deutsche Wirtschaft die aber die noch stärkere Unterstützung der Bundesregierung.

Gerade mittelständische Unternehmen konnten bislang oft gegen internationale Konkurrenz nicht bestehen, da sie durch die restriktive Vergabe von Garantien und Finanzierungsinstrumenten keine wettbewerbsfähigen Angebote unterbreiten konnten. Deshalb ist die Unterstützung der Bundesregierung so wichtig – mit entwicklungspolitischen Instrumenten, mit Garantien, mit Versicherungen und der Risikoabsicherung bei Projektvorlaufkosten.


Image des skrupellosen Geschäftemachers

Kann es China mit der Kooperation gelingen, vom Image als skrupellose Geschäftemacher in Afrika wegzukommen?
Ich glaube, ein solches Bild würde deutlich zu kurz springen. Wenn wir die Stärken deutscher Unternehmen, nämlich die hohe Qualität und die ausgereiften Sozial- und Umweltstandards mit den Stärken Chinas, nämlich der Risikobereitschaft, der niedrigeren Kostenniveaus und der Finanzierungsmöglichkeiten, kombinieren, dann kann das für die Partner in Afrika doch nur gut sein.

Mit der Seidenstraßen-Initiative will Chinas Präsident Xi Jinping die Kooperation mit Afrika aufwerten. Wird China das gelingen?
Eine Zukunftsprognose über das ambitionierte „One Belt – One Road“-Programm Chinas abzugeben ist sehr schwierig. Es wird darauf ankommen, wie China die Umsetzung des Projekts gestaltet und ob die afrikanischen Staaten es schaffen, sich gewinnbringend an dem Projekt zu beteiligen und langfristig Mehrwert zu schaffen.

Im Übrigen hat China spätestens seit der Jahrtausendwende einen starken Schwerpunkt auf die Kooperation mit Afrika gesetzt. Bereits jetzt ist China in vielen Ländern Afrikas der wichtigste Handelspartner. Wir Deutsche haben also durchaus Nachholbedarf.

Herr Liebing, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Stephan Scheuer.

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