Flüchtlingspolitik Wie die Türkei unter der Flüchtlingskrise leidet

Seite 2/2

Politik stellt sich langsam der Realität

Eine Integrationspolitik aber gibt es so gut wie nicht. Der Großteil der Syrer lebt in Lagern, andere leben und arbeiten illegal in den türkischen Großstädten als Müllsammler, Kebab-Verkäufer oder betteln. Die türkische Gesellschaft nimmt das zwar nicht mit Jubel, aber mit beeindruckenden Gleichmut hin.

Erst langsam stellt sich die Politik der Realität. Denn auch wenn der Konflikt in Syrien eines Tages beigelegt sein wird - längst nicht alle von ihnen werden in ihre Heimat zurückkehren. Das wird im fünftem Jahr des Krieges auch der Regierung in Ankara klar.

So viel Geld bekommen Flüchtlinge in den europäischen Ländern

Seit Anfang dieses Jahres dürfen Syrer in der Türkei eine Arbeitserlaubnis beantragen. Die türkische Wirtschaft wächst zwar nicht mehr so stark wie in den Boom-Jahren von 2002 und 2007, in denen das BIP um durchschnittlich 6,8 Prozent zulegte. Für dieses Jahre werden nur noch knapp drei Prozent erwartet. Schon jetzt drängen jedes Jahr 500.000 Arbeitskräfte auf den Markt und werden dort kaum absorbiert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund zehn Prozent. Trotzdem braucht vor allem die Landwirtschaft Arbeitskräfte. Besonders Schafhirten seien laut einer Studie der Vereinigung türkischer Unternehmer dringend gesucht.

Viele Unternehmen umgehen Mindestlohn

Die Legalisierung war dringend notwendig. Viele Unternehmer beklagten den unfairen Wettbewerb, der dadurch entstanden war, dass viele Unternehmen illegal Syrer beschäftigten und so den gesetzlichen Mindestlohn umgingen. Der wurde gerade zu Beginn des Jahres auf von 1000 auf 1300 Türkische Lira angehoben, etwas mehr als 400 Euro. Viele Unternehmer sprechen sich auch dafür aus, dringend in die Ausbildung der Migranten zu investieren. Sonst droht dem Land langfristig eine neue ungebildete Unterschicht - anfällig für Islamismus und Kriminalität.

Doch auch Integrationsprogramme werden nicht alle aufhalten. Noch immer überqueren 3000 Menschen jeden Tag die Ägäis - pro Tag. Mit dem Fall von Aleppo und dem nahendem Frühling werden es bald wieder mehr werden. Geschlossene Grenzen werden daran nicht viel ändern.

Die Flüchtlingskrise ist keine deutsche, türkische oder syrische, sie ist eine internationale - und nur durch internationale Zusammenarbeit wird sie gelöst werden können.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%