G8-Gipfel Warum eine neue Weltordnung nötig ist

Der G8-Gipfel hat sich überlebt, die Tage des politischen Rotary-Clubs sind gezählt. Warum jetzt eine neue Architektur der Weltwirtschaft nötig ist – und wie diese aussehen müsste.

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Dean Barrow, Premier des Quelle: dpa

Dean Barrow ist gewiss niemand, zu dem US-Präsident Barack Obama oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen möglichst kurzen Draht unterhalten, um sich in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik auf den letzten Stand der Dinge zu bringen. Kürzlich aber konnte sich der Premier des zentralamerikanischen Zwergstaates Belize endlich mal Gehör verschaffen. Als Vertreter der Karibischen Gemeinschaft sprach Barrow auf einer Konferenz der Vereinten Nationen (UN) in New York zu den globalen Folgen der Finanzkrise. Barrow teilte mit, dass die wirtschaftlichen Bedingungen der karibischen Staaten seit ihrer Unabhängigkeit noch nie so schlecht gewesen seien wie jetzt. Die Rohstoffpreise befänden sich im Keller, die Exporteinnahmen im Sinkflug, die Auslandsinvestitionen auf Talfahrt.

Entwicklungsländer fordern mehr Mitsprache

Um eine Zuspitzung der Lage zu verhindern, so Barrow, müsse Geld überwiesen werden, am besten sofort und in Form von Vorzugskrediten – die 1,1 Billionen Dollar, die die G20 den Entwicklungsländern im April zugesagt hatten, reichten bei Weitem nicht aus. Vor allem machte Barrow klar, dass es ihm und Belize und allen anderen Entwicklungsländern nicht nur um Geld geht, sondern auch um Mitsprache. Der UN mit ihren 192 Mitgliedstaaten, hieß es unisono, gebühre die führende Rolle im Kampf gegen die Folgen der Finanzkrise – und nicht einem exklusiven Club von Industrienationen, die den Ausbruch der Krise nicht verhindert hätten und die sich nun herabließen, gnädig ein paar Milliarden unter die Leute zu bringen. Für Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, der die Konferenz mit ökonomischer Expertise versorgte, ist die Sache klar: „Was wir brauchen, ist nicht die G8, nicht die G20, sondern die G192.“

Die Begeisterung der Industrienationen hält sich in Grenzen. Die USA spielten die Bedeutung der „Weltkonferenz“ bereits im Vorfeld herunter, die EU nahm in Person der tschechischen Außenministerin Helena Bambasova nur physisch teil; ein Entsandter der Briten gab kühl zu Protokoll, dass mit Hilfe für die Entwicklungsländer auf dem G8-Gipfel in dieser Woche im italienischen L’Aquila zu rechnen sei. In der Sprache der Diplomatie sind das Ohrfeigen, die sich Miguel d’Escoto Brockmann, der nicaraguanische Präsident der UN-Vollversammlung, für die umstürzlerische Rhetorik einhandelte, mit der er zur „Abschaffung des US-Dollar als globaler Leitwährung“ aufrief, das Ende der „Diktatur“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) forderte und glühend verkündete, der „Herrschaft einiger weniger über die Gemeinschaft“ sei endlich ein Ende zu setzen.

Tage des politischen Rotary Clubs sind gezählt

Beim G8-Gipfel in L’Aquila, dem ersten unter Teilnahme des immer noch neuen US-Präsidenten Barack Obama, wird man über solche Forderungen schmunzeln – und dann nicht zur Tagesordnung übergehen. Es ist wohl das letzte Mal, dass man sich in diesem elitären Kreis in alter Form begegnen wird. Die Tage des politischen Rotary Clubs sind gezählt, irgendetwas ist passiert und ins Rollen gekommen, man weiß es, man spürt es. Und man kommt sich selbst auch schon ein wenig antiquiert vor – wie ein Veteranenzirkel von Staatschefs der ehemals führenden Industrienationen oder wie die Teilnehmer an einer königlichen Tafelrunde, die sich aus lauter Nostalgie noch einmal zuprosten, obwohl die Revolution längst begonnen hat: vor rund sieben Monaten, am 15. November 2008, mit dem Weltfinanzgipfel in Washington, dem ersten Treffen der Regierungschefs auf der Ebene der G20.

Das Gruppenbild der G20 beim Quelle: AP

Seither sind die Erosion der G8 und die zügige Aufwertung der G20 nicht mehr aufzuhalten; seither verliert der Club der reichen Industrienationen mit jeder weiteren internationalen Zusammenkunft in größerem Maße an Legitimation und Zustimmung. Dem ersten Spitzentreffen der G20 folgte im April ein zweites; für Ende September ist bereits der dritte Weltfinanzgipfel eingeplant. Die wichtigsten Schwellenländer haben angefangen, ihre gemeinsamen Interessen unter dem Label G5 zu formulieren; in Asien sind regionale Finanzorganisationen entstanden, die die zunehmende Unabhängigkeit der Region vom Internationalen Währungsfonds dokumentieren; die Entwicklungsländer drängen uns als G77 ihre Sichtweisen auf. Und die Argumente der G192 sind nicht mehr zu überhören.

Überfällige Neurodnung der Gipfelarchitektur

Gleichzeitig hat in den Staaten der G8 – teils aus proaktiver Einsicht in die veränderte Weltlage, teils aus defensiven Gründen eines möglichst weitgehenden Machterhalts – eine erstaunlich intensive Diskussion über die institutionelle Reorganisation der Welt eingesetzt. Dabei geht es für die einen um die Neuverteilung von Macht und Einfluss in einer multipolaren Welt und den sorgsamen Umbau der internationalen Organisationen. Für die anderen geht es schlicht darum, zu retten, was an Macht und Einfluss noch zu retten ist. Der Ausgang ist völlig offen. Allerdings herrscht Einigkeit darüber, dass die größte Aufgabe der G8 darin besteht, sich selbst zu öffnen und zu erweitern – oder sich abzuwickeln: „Ich denke, dass die G20 das Format sein sollte, das wie ein überwölbendes Dach die Zukunft bestimmt“, sagte Angela Merkel am vergangenen Donnerstag in einer Regierungserklärung zum Gipfel. Die Gruppe der Acht reiche als Forum für Gespräche über die Zukunft der Weltwirtschaft nicht mehr aus und könne künftig nur noch das „Format einer Vorbesprechung“ haben.

Es ist schon erstaunlich: Was Klimaforscher, Globalisierungskritiker, Sicherheitspolitiker, Nichtregierungsorganisationen und vor allem die Staatschefs der Schwellenländer in jahrzehntelanger Arbeit mit seitenweisen Vorschlägen, politischem Anspruch und moralischem Druck nicht erreicht haben – das ist seit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank, angesichts des finanziellen Abgrunds, in den die Welt seither schaut, und unter dem Dauereindruck einer globalen Depression zu einer selbstgestellten Pflichtaufgabe der G8 geworden und blitzschnell, binnen weniger Monate, in greifbare Nähe gerückt: die längst überfällige Neuordnung der Gipfelarchitektur und der internationalen Organisationen.

Der „Gruppe der Sechs“ (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien), die 1975 als informelles Abstimmungsforum in Reaktion auf die erste Ölkrise und zur Koordinierung der Währungspolitik nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems entstand und später um Kanada und Russland zur G8 erweitert wurde, mangelt es bereits seit zwei Jahrzehnten, seit dem Zusammenbruch der bipolaren Welt 1989, zunehmend an Glaubwürdigkeit.

Die Liste der Themen, die die Menschheit nur gemeinsam bearbeiten kann, ist in den vergangenen Jahren immer länger geworden. Sie reicht von Ressourcenschutz und Armutsbekämpfung über den globalen Terrorismus und die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen bis hin zur Organisation eines freien und fairen Welthandels und zur stärkeren Kontrolle der Finanzmärkte. Vieles verlangt zwingend nach global governance: Klimawandel und Wasserknappheit lassen „schon mittelfristig keine Externalisierung von Handlungsfolgen“ mehr zu, stellte Jürgen Habermas bereits 1995 fest – in hoffender Erwartung eines „Bewusstseins kosmopolitischer Zwangssolidarisierung“, das uns erst mit der Finanzkrise erreicht zu haben scheint.

Fahnen der G8-Länder auf dem Quelle: REUTERS

Tatsächlich sind die Thesen des Philosophen heute Mainstream in den politischen Denkfabriken – und die Finanzkrise ist der Katalysator eines institutionellen Fortschritts, den selbst die G8-Nationen aus zunehmend innerer Überzeugung tragen. Für Milena Elsinger, die Leiterin des Programms Globalisierung und Weltwirtschaft bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), gibt es längst „keine Rechtfertigung mehr dafür, dass die westlichen Industrienationen unter sich bleiben wollen“. Nicht einmal die wirtschaftlichen Kenndaten sprächen für die Erhaltung des Status quo. „Italien und Kanada wurden ja nur rein zufällig Mitglied“, ergänzt Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Ein paar Zahlen sprechen Bände. Während allein Indien seine Stimme für 17 Prozent der Weltbevölkerung erhebt, repräsentiert die Gruppe der Acht gerade mal 13,1 Prozent. Auch die ökonomische Bedeutung des Eliteclubs sinkt rapide. Zwar erwirtschaften die G8-Staaten immer noch 44 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts. Andererseits bringt auch der G5-Verbund der mächtigsten Schwellenländer (China, Indien, Brasilien Mexiko, Südafrika) schon 26 Prozent auf die Waage. Gleichzeitig sind China und Indien als rasch wachsende Wirtschaftsgiganten auch in der Rangliste der größten CO2-Emittenten an die Spitze gerückt: Beide Länder müssen in Absprache mit den Europäern und Nordamerikanern, die pro Kopf 9- bis 17-mal so viel Treibhausgase produzieren wie sie, schleunigst für die gemeinsame Formulierung von Klimazielen gewonnen werden.

Vollends absurde Züge nimmt die Unterrepräsentation der Aufsteigernationen im Internationalen Währungsfonds an: Die USA halten rund 17 Prozent der Stimmanteile inklusive Sperrminorität. Die Benelux-Länder haben größeres Gewicht als China. Italien hat mehr Stimmen als Indien, die Schweiz mehr als Brasilien. „Die internationalen Finanzinstitutionen der Nachkriegsära sind hoffnungslos überholt“, konzedierte der britische Premier Gordon Brown bereits im Oktober 2008. „Die Transformation der G8 zur G13 oder besser: unter Einschluss einer arabischen Nation zur G14, ist das Gebot der Stunde“, schlug Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vor einem Jahr vor. „Wir müssen die G8 erweitern, am besten zu einer G8+8, unter Einschluss der G5-Staaten und drei weiterer Nationen, vor allem aus der muslimischen Welt“, forderte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Anfang Dezember 2008 im „Handelsblatt“.

Nur ein solches Gremium, so die gemeinsame Hoffnung, könne in Zukunft Ziele formulieren und Richtungen vorgeben, mit denen auch die übrigen 175 Staaten im völkerrechtlich legitimierten Rahmen der UN mehrheitlich konform gehen. In der Sprache der Diplomaten heißt das: Eine global responsibility group soll entstehen, die pre-decision-making zum Wohle der Weltbevölkerung betreibt – und die einerseits das Problem der mangelnden Legitimität der G8 überwindet, andererseits das Problem der mangelnden Effizienz der UN. „Ein Lenkungsausschuss der G14“, schwärmt Weltbank-Präsident Robert Zoellick, „bringt 70 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts zusammen, 60 Prozent der Weltbevölkerung und knapp zwei Drittel der Weltenergieproduktion.“

Der Reformprozess hat längst begonnen und ist unumkehrbar – nun ist das Problem, dass er ins Kraut zu schießen droht. Vor allem Angela Merkel scheint überhaupt nicht zu wissen, was sie will. Erst schloss sie eine Erweiterung der G8 kategorisch aus, dann preschte sie mit dem Vorschlag eines Weltwirtschaftsrats vor, der auf der G192-Ebene der UN anzusiedeln sei. Aktuell hisst sie die G20-Fahne.

G8-Treffen in L'aquila: Eine Quelle: dpa

Für Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sind das alles nur Spiegelfechtereien: „Natürlich brauchen wir eine bessere Koordinierung der selbstständigen Nationalstaaten“, sagt Sandschneider. Ob die jedoch im Rahmen der G8, G13 oder G20 stattfinde, sei absolut nachrangig: „Die Gruppen eröffnen politische Perspektiven, nicht mehr.“ Entscheidungen in der internationalen Politik seien künftig weniger an Institutionen gebunden. Stattdessen gewännen politische Prozesse an Flexibilität und Unberechenbarkeit. Statt nach optimalen Strukturen zu suchen, solle die Politik daher „schnell aktivierbare, flüchtige Netzwerke bilden“, findet Sandschneider: „In einer zunehmend komplexen Welt wird es zunehmend effektiver sein, von Fall zu Fall zu entscheiden.“

Finanzkrise forciert G8-Reform

Insofern hat die G8 in der Vergangenheit nicht so schlecht gearbeitet: Bereits 2003 reagierte Frankreich auf die Legitimitätskrise des Clubs mit der Einladung von vier demokratischen Wirtschaftsmächten des „globalen Südens“: Brasilien, Indien, Mexiko und Südafrika. Ab 2005 durfte auch China ein Abendessen lang am Katzentisch bei der Runde sitzen. Vor zwei Jahren dann beschlossen die G8-Mitglieder, den Dialog mit den G5-Staaten im „Heiligendamm-Prozess“ zu strukturieren. Von einer Erweiterung allerdings war explizit nicht die Rede. Stattdessen gab es Verstimmungen, weil die G8 die „gemeinsame“ Gipfelerklärung ohne vorherige Absprache mit den G5-Staaten formuliert hatten – mit der Folge, dass die G5 sich als Koalition festigte und im Vorjahr, während des Gipfels in Japan, eine eigenständige politische Erklärung abgab. Die Frage der Erweiterung wurde in Japan zwar thematisiert, von Frankreich und Großbritannien sogar forciert. Die übrigen Länder aber blockten. Erst die Finanzkrise und die von den USA betriebene Aufwertung der G20 zum Spitzentreffen der Regierungschefs haben eine Dynamik entfaltet, auf die die G8-Teilnehmer in L’Aquila eine schlüssige Antwort finden müssen. Drei Reformen sind mittelfristig denkbar:

die Fortführung und Weiterentwicklung des informellen Heiligendamm-Prozesses auf der Basis der G8 plus G5;eine Erweiterungsrunde mit der formalen Aufnahme neuer Mitglieder und die Etablierung einer G13/14/16-Runde;eine Selbstauflösung der G8 zugunsten einer aufgewerteten G20.

Merkel bislang ohne klare Linie

Die Entwicklung des Heiligendamm-Prozesses war zunächst das persönliche Minimalanliegen der Bundeskanzlerin. Nach dem ersten G20-Treffen wollte sie den Geist einer breiteren internationalen Zusammenarbeit am liebsten wieder zurück in die Flasche befehlen. Merkel, so hieß es in ihrem Umfeld, sei daran gelegen, das Weltwirtschaftsgewitter auf G20-Ebene möglichst schnell abzuwettern, um an der G8-Runde „überhaupt nichts ändern“ zu müssen: Niemand, so hieß es, könne ein Interesse daran haben, „auf Dauer eine neue Gruppe einzurichten“. Noch Mitte Dezember bekräftigte Bernd Pfaffenbach, der Beauftragte der Bundesregierung für die Weltwirtschaftsgipfel, „dass die G20-Gipfel eine zeitlich begrenzte Veranstaltung bleiben“ sollen. Drei Wochen später wollte Merkel davon freilich nichts mehr wissen – und schwenkte auf die Reformlinie ein, die Außenminister Steinmeier vorgegeben hatte. Seither wirbt Merkel für eine Veränderung der Gipfelarchitektur und für eine Fortsetzung der G20-Treffen – wenn auch sehr unbestimmt. Im Januar hieß es noch, die G8 müsse „natürlich mehr Akteure“ aufnehmen. Jetzt aber scheint Merkel sich den Trumpf einer vielschichtigen, pluralen, netzwerkartigen Weiterentwicklung der G8 selbst aus der Hand schlagen zu wollen.

US-Präsident Barack Obama: Quelle: dpa

Und so kommt es, dass die Welt in L’Aquila – wieder einmal – gespannt auf Barack Obama blickt. Von seinem Urteil wird letztlich abhängen, wohin sich die G8 bewegt: zu einer Kerngruppe, die die G5 informell miteinbezieht und je nach Diskussionsstoff (Migration, Terrorismus, Klima) weitere Nationen herbeizitiert – wie im Vorjahr, als Australien, Indonesien und Südkorea als major economies zu einem „Klimatreffen“ dazugeladen wurden. Zu einem formell erweiterten G13-Plus-Gremium, das die Legitimitätsdefizite der G8 überwindet und eine Art Lotsenfunktion in alle Weltregionen hinein und in Richtung der Vereinten Nationen übernimmt. Oder gleich zu einer G20, die zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentiert und fast 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

Sehr wahrscheinlich ist eine Kombination der drei Varianten: ein flexibles, offenes G13-Plus-Format, das in pluralen Formationen unterschiedliche Fragen dauerhaft bearbeitet – und daneben ein ständiges G20-Forum, das sich auf die Stabilisierung der globalen Finanzmärkte und eine Neuordnung der internationalen Finanzinstitutionen konzentriert.

Versagen des IWF in Südkorea, Indonesien und Argentinien unvergessen

Beide Runden könnten damit exakt das, was die jeweils andere überhaupt nicht kann: Das G13-Format trägt, weil es der Logik der schieren ökonomischen Potenz seiner Mitgliedsstaaten folgt, in Finanz- und Wirtschaftsfragen die Züge eines Kartells – und sollte sich daher in wechselnder Besetzung auf die Bearbeitung von Klima-, Migrations- und Sicherheitsfragen konzentrieren. Die G20 hingegen kann, weil in ihr nur zwei muslimische Länder vertreten sind (Saudi-Arabien, Indonesien) nicht glaubhaft weltpolitische Entscheidungen einleiten, solange sich wichtige Länder wie Ägypten oder Nigeria ausgeschlossen fühlen.

Dagegen stellt allein die G20 ein Forum dar, das glaubhaft eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen in Angriff nehmen könnte: Das Versagen des IWF ist in den einst von der Asienkrise geschüttelten Ländern wie Südkorea und Indonesien, aber auch in Argentinien unvergessen. Ohne ihre Einbindung ist keine Finanzreform denkbar, die die gleichzeitige Modernisierung des verhassten IWF als auch die Überwindung des modernen Trends zur Selbsthilfe (wie das Anhäufen von Devisenreserven oder bilaterale Währungsabkommen) zum Ziel hat.

Multipolare Lösung scheint unter Obama möglich

Es spricht viel dafür, dass die USA unter Obama die multipolare Welt nicht nur anerkennen, sondern auch proaktiv gestalten wollen – und in L’Aquila in dieser Woche für eine multiple Lösung eintreten werden. Die Leiterin des Planungsstabes im State Department, Anne-Marie Slaughter, hat die neuen außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten in einem Aufsatz für „Foreign Affairs“ bereits skizziert: „In einer vernetzten Welt haben die USA das Potenzial, das am meisten vernetzte Land zu sein.“

Anders gesagt: Die USA sieht sich künftig als Spinne im Netz der Welt – und sie wird ihr Netz aus G2-, G8-, G13-, G20- und G192-Fäden spinnen: so engmaschig und flexibel wie möglich.

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