Gasstreit mit Russland Ukraine schürt Sorge vor Lieferstopp gegen EU

Russland und die Ukraine streiten erneut über die russischen Gaslieferungen. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk will nun von Plänen Russlands erfahren haben, auch der EU den Gashahn abzudrehen.

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Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk will erfahren haben, dass Russland auch der EU den Gashahn abdrehen will. Quelle: dpa

Kiew Russland droht im Gasstreit mit der Ukraine nach Darstellung der Regierung in Kiew auch mit einem Stopp der Lieferungen nach Europa. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte am Mittwoch in Kiew: „Wir kennen Pläne Russlands, selbst den Gastransit in die EU in diesem Winter zu blockieren.“ Die Union deckt rund 30 Prozent ihres Gasbedarfs aus Russland, davon fließt die Hälfte durch die Ukraine. Im Osten des Landes tötete die ukrainische Armee nach eigenen Angaben rund 200 prorussische Separatisten. Ein Armeesprecher warf Russland vor, weiter Soldaten über die Grenze zu schicken. Wegen der Krise trübt sich unterdessen die Stimmung der deutschen Verbraucher ein.

Russland hatte die Gaslieferung an die Ukraine im Juni gestoppt, liefert aber weiter in die EU. Jazenjuk sagte nicht, wie er von den angeblichen Plänen erfahren haben will, auch der EU den Gashahn abzudrehen. Das Thema spielte auch eine Rolle beim russisch-ukrainischen Gipfeltreffen am Dienstag in Minsk. Dort verständigten sich die Präsidenten Wladimir Putin und Petro Poroschenko auf eine Wiederaufnahme der Gasgespräche. Die neue Runde soll am Freitag in Moskau unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger stattfinden.

Die beiden Länder streiten zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren über die russischen Lieferungen. Russland beziffert die ukrainischen Gasschulden inzwischen auf 5,3 Milliarden Dollar. Die Ukraine wirft der Regierung in Moskau vor, aus politischen Gründen überhöhte Preise zu verlangen. Der Streit hatte 2006 und 2009 auch zu Engpässen bei Lieferungen in die EU geführt. Oettinger sagte am Dienstag, die EU solle sich für den Winter auch für einen Totalausfall der Gaslieferungen aus Russland wappnen. Er verwies darauf, dass sechs Länder zu 100 Prozent von russischem Gas abhängen. Dies sind Schweden, Finnland, die drei baltischen Staaten und Bulgarien.

Nach dem zweistündigen Gespräch mit Putin hatte Poroschenko einen Plan für eine Waffenruhe angekündigt. Das erste direkte Aufeinandertreffen seit Juni beschrieb er als "sehr hart und kompliziert". Putin sagte, die Verhandlungen über eine Waffenruhe mit den Separatisten sei Sache der Ukraine. Sobald der Friedensprozess beginne, werde ihn Russland unterstützen.

Bei den Kämpfen sind seit Mitte April den UN zufolge mindestens 2200 Menschen getötet worden. Der Westen wirft Russland vor, die Separatisten zu unterstützen und sie mit Waffen zu beliefern. Russland weist die Vorwürfe zurück.

Ein ukrainischer Militärsprecher sagte dagegen am Mittwoch, eine Gruppe russischer Soldaten habe die Grenze überquert und sei in die ostukrainische Stadt Amwrossijiwka gefahren. Weiter im Norden habe die ukrainische Armee in Horliwka und Ilowaysk rund 200 Separatisten getötet sowie Panzer und Raketensysteme zerstört. In den vergangenen 24 Stunden seien 13 ukrainische Soldaten ums Leben gekommen und 36 verletzt worden, sagte er.


Stimmung deutscher Verbraucher getrübt

Am Dienstag hatten ukrainische Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben zehn russische Fallschirmjäger festgenommen. Von russischer Seite wurde der Vorfall indirekt bestätigt. Die Soldaten hätten die Grenze zur Ukraine aus Versehen überschritten, meldete die russische Agentur RIA Novosti mit Verweis auf das russische Verteidigungsministerium.

Die Stimmung der deutschen Verbraucher trübt sich wegen des Konfliktes und anderer internationaler Krisen so stark wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr ein. Das Konsumklima verschlechterte sich im September nach Angaben des Nürnberger Marktforschungs-Instituts GfK überraschend um 0,3 auf 8,6 Zähler. Das ist der erste Rückgang seit Januar 2013 und zugleich der kräftigste seit Mai 2011. „Die Verbraucher gehen davon aus, dass die Konjunktur mindestens einen Gang zurückschalten dürfte“, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl. Diese Sorge beeinträchtige ihre Bereitschaft jedoch kaum, teure Güter wie Autos zu kaufen: „Die Krise um die Ukraine wirkt auf die Bürger noch eher als eine abstrakte Bedrohung“.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krisen in der Ukraine sowie im Nahen Osten und im Irak für überschaubar. In einem Interview der „Passauer Neuen Presse“ sagte er, in Deutschland sei die wirtschaftliche Lage nach wie vor stabil – vor allem dank der robusten Binnennachfrage. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft seien nicht gravierend. „Aber sie (die Krisen) bergen gefährliches Potenzial“, warnte Schäuble. Dass es mit dem Ukraine-Konflikt eine „kriegerische Zuspitzung mitten in Europa mit russischer Beteiligung“ gebe, sei besorgniserregend.

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