Globales Vorbild Was Deutschland bei der Cannabis-Legalisierung von Uruguay lernen kann

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„Wir wollen nicht Menschen zum Konsum auffordern“

Dass die Legalisierung in Uruguay von der Politik vernachlässigt wurde, das merkt sofort, wer die Regulierungsbehörde IRRCA den im Zentrum Montevideos besucht. Neben einer altertümlichen Einkaufsgalerie und einem Reisebüro weist kein Schild auf die Behörde hin.

Der Ökonom Juan Tastás leitet die Behörde. Er hat zuvor in Uruguay eine Freihandelszone geleitet, er weiß, wie Investoren denken. Er soll neuen Wind in die Branche bringen. „Wir wollen den Unternehmen die Steine der Bürokratie aus dem Weg räumen“, sagt Tastás. Für eine funktionierende Legalisierung sei auch eine breit aufgestellte Industrie wichtig. Tatsächlich wächst die Zahl der staatlich erteilten Lizenzen für die Branche seit zwei Jahren stark an. Tastás weiß um den politischen Balanceakt, den er vollzieht: „Wir wollen nicht Menschen zum Konsum auffordern“, sagt er. „Wir wollen den Drogenkonsum möglichst wenig schädlich machen.“

Doch Uruguay ist als Absatzmarkt zu klein für große Investitionen. Und der internationale Cannabismarkt existiert nur in Nischenbereichen: Lediglich der Handel von Industriehanf, Cannabis für die wissenschaftliche Forschung und medizinisches Cannabis ist erlaubt. Der Handel mit Cannabis für den Konsum als Freizeitdroge für Erwachsene ist dagegen nach der UN-Konvention für Betäubungsmittel von 1961 („Single Convention on Narcotic Drugs“) verboten. Insgesamt haben 186 Länder das Abkommen unterzeichnet – auch Uruguay und Deutschland. Das Einheitsabkommen kann nicht von einem Land im Alleingang ausgehebelt werden.

Für den Alltag der Produzenten ist das lästig – auch wenn sie in Uruguay produzieren und nur dort verkaufen: So dürfen Unternehmen, die etwas mit Cannabis zu tun haben, keine Konten bei internationalen Banken führen. Deshalb nehmen die Apotheken im Montevideo beim regulierten Cannabis-Verkauf nur Cash an. Wenn sie ausländische Finanziers haben, müssen sie komplizierte Dreiecksfinanzierungen machen, um zu vermeiden, dass ihre Konten über Nacht geschlossen werden. Es gibt keine Kredite von Banken.

Wenn es Deutschland gelänge, die EU hinter sich zu sammeln, dann würden die Chancen auf eine Reform der Gesetze zum weltweiten Handel von Cannabis deutlich zunehmen, sagt Alfredo Pascual, ein Finanzanalyst für die Cannabis-Branche.

Auch aus Eigeninteresse hat Deutschland ein Interesse an einem weltweit legalisierten Markt. Denn sollte Deutschland bei der Legalisierung vorankommen, dann müssten rund 400 Tonnen THC-haltige Produkte pro Jahr angeboten werden. So hoch wird etwa der jährliche Konsum in Deutschland geschätzt. Zum Vergleich: Derzeit importiert Deutschland gerade einmal 2,5 Tonnen medizinischen Cannabis.

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Und hier könnte Uruguay in Spiel kommen. Etwa Fotmer Life Sciences. Die Labore des Startups stehen in einem gut bewachten Wissenschaftspark in der Peripherie von Montevideo. Was in den Treibhäusern hinter den mehrfachen Sicherheitsschleusen des Wissenschaftsparks kontrolliert wuchert, das wächst bisher kaum legal in Lateinamerika: Es sind dunkelgrüne, hüfthohe Cannabis-Pflanzen, die vor allem THC, also den Wirkstoff beinhalten, weshalb weltweit Menschen Marihuana rauchen.

Später werden die Pflanzen in Plantagen bis zur Erntereife gezogen. Dreimal im Jahr wird Marihuana geerntet. Die getrockneten Blüten werden verpackt und weltweit exportiert – als Medizin.

In einigen Ländern weltweit können THC-haltige Blüten inzwischen von Ärzten auf Rezept verschrieben werden. Etwa, um Schmerzen zu lindern oder die Nebenwirkungen von Krebstherapien zu reduzieren. Die Krankenkassen zahlen. Deutschland und Israel sind die größten Märkte weltweit für medizinisches Cannabisprodukte mit THC.

Drei bis fünf Tonnen Blüten als zertifizierte Medizin will Fotmer dieses Jahr exportieren. Damit ist das Unternehmen nach eigenen Angaben einer der großen Exporteure auf dem Weltmarkt, der erst im Entstehen und bisher weitgehend intransparent ist. „Wir könnten mittelfristig 100 Tonnen pro Jahr produzieren“, sagt Javier Varela, Chief Operation Officer von Fotmer. Doch dafür müsste das uruguayische Unternehmen in viele Märkte reinkommen, die heute noch verschlossen sind.

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Deswegen blickt Varela wie die ganze Branche nun gespannt nach Deutschland: „Wenn Deutschland den gesetzlichen Rahmen schafft, um seinen Markt für Cannabis-Importe zu öffnen, dann wird das der Gamechanger für die globale Cannabis-Industrie.“

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