Griechenland und die Krise Schäuble schmettert Junckers Troika-Vorschlag ab

Troika, ja oder nein? Für Athen ist klar: Die verhassten Griechen-Kontrolleure müssen weg. Die EU ist nicht abgeneigt. Doch für Finanzminister Schäuble kommt das nicht in Frage. Muss die Troika ersetzt werden?

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Proteste gegen die Troika in Griechenland.

Berlin Wolfgang Schäuble bleibt hart: „Wir werden einseitige Veränderungen des Programms nicht akzeptieren“, sagte der Bundesfinanzminister in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Was er meint, ist die Ankündigung der Griechen, frühere Absprachen im Rahmen des Hilfsprogramms nicht mehr einzuhalten. Denn die Griechen sind hoch verschuldet. Um Athen vor dem Bankrott zu retten, hatte das Land Milliarden von der EU bekommen – unter harten Sparauflagen. Die will die neue griechische Regierung nicht mehr einhalten.

Doch die Griechen stellen weitere Forderungen. Sie wollen die verhassten Kontrolleure aus EU, IWF und EZB (Troika) loswerden. Doch davon hält Schäuble nichts: „Es kann sein, dass das Wort Troika für manche Menschen in Griechenland so eine (negative) symbolische Wirkung hat“, sagte Schäuble. Unabänderlich sei für ihn aber die Beteiligung der hinter der Troika stehenden Organisationen an Hilfsprogrammen: „Die Beteiligung der drei Institutionen, die zusammen mit der Regierung eines Programmlandes die Einzelheiten aushandeln, ist Bestandteil der europäischen Verträge – die kann man nicht ändern.“

Auch eine Sprecherin der Bundesregierung erklärte: Es gebe keinen Anlass, von diesem „bewährten Mechanismus abzuweichen“. Die Troika überwacht die Umsetzung der Spar- und Reformpolitik, die Griechenland im Gegenzug für die Rettung vor dem Staatsbankrott versprochen hat.

Nicht nur den Griechen erteilt Schäuble eine Absage: Denn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plant nach Informationen des Handelsblatts, die Griechenland-Troika abzuschaffen. Die Dreier-Gruppe solle nicht mehr nach Athen reisen. „Wir müssen jetzt schnell eine Alternative dafür finden“, sagte Juncker. Damit kam er den Forderungen des neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras entgegen.

Schäuble erklärte: Er allein könne in Deutschland sowieso nicht über etwaige Änderungen an Vereinbarungen entscheiden. „Die Hilfsprogramme sind beschlossen. Um Hilfsprogramme zu ändern, brauche ich zunächst die Erlaubnis des Bundestages, um darüber überhaupt zu reden“, sagte er. Es gebe derzeit ein Hilfsprogramm, das allerdings nicht ordnungsgemäß abgeschlossen sei. „Wenn das Programm nicht erfüllt werden sollte, stellt sich auch nicht die Frage einer Verlängerung“, sagte er.


„Der IWF spielt in Europa keine Rolle mehr“

Ökonomen und Politiker sind unterschiedlicher Meinung darüber, ob es auch ohne Troika gehen könnte. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, warnt eindringlich vor einer Abschaffung. Nach dem Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) könnten Mittel nur unter der Kontrolle der Troika vergeben werden.

„Wenn Griechenland diese Mittel nicht will, muss es sich am Kapitalmarkt verschulden oder der Vertrag muss geändert werden“, sagte Sinn dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Letzterem sollte Deutschland nicht zustimmen. Denn dann würden alle Dämme brechen“, warnte der Ifo-Chef. „Es würde eine Schuldenflut losgetreten, die die europäischen Staaten über kurz oder lang ins Unglück stürzen würde.“

Kritisch sieht Sinn in diesem Zusammenhang auch, dass es schon seit längerem Bestrebungen gebe, den IWF aus den Rettungsprogrammen herauszuhalten. „Dessen Teilnahme war aber seinerzeit die Bedingung Deutschlands, um den Auflagen wenigstens eine gewissen Glaubwürdigkeit zu geben“, sagte er.

Dagegen ist Henrik Enderlein, Professor für politische Ökonomie an der Hertie School of Governance, der festen Überzeugung, dass die Troika ersetzt werden muss. Das liege aber nicht am neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, sondern daran, dass das Konstrukt überholt sei.

„Seit es den ESM gibt, hat der IWF in Europa keine Rolle mehr“, sagte Enderlein dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Die EZB solle sich zurückziehen, weil sie ihre Aufgabe in der Geldpolitik habe, was auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) so sehe. „Jetzt sollte eine kluge Lösung um die EU-Kommission mit funktionierender parlamentarischer Kontrolle entstehen“, sagte Enderlein.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), geht davon aus, dass die Troika zur Überwachung der Reformauflagen in den Euro-Krisenländern künftig nur noch ein Duo sein wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe die Beteiligung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Troika-Format für unzulässig erklärt.

„Eine Änderung ist also ohnehin erforderlich“, sagte Lambsdorff dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Solange Griechenland im Stabilisierungsprogramm bleibt, solange bleiben EU-Kommission und IWF auch gefordert, die Einhaltung der griechischen Zusagen zu unterstützen und die erforderlichen marktwirtschaftlichen Reformen zu begleiten.“


„Verträge sind einzuhalten“

Diese Aufgabe könnten die beiden Institutionen in Zukunft je einzeln machen, beispielsweise durch die Task Force Griechenland der Kommission und ein eigenes IWF-Team. „Sie können diese Aufgabe aber auch gemeinsam angehen, was mit Sicherheit sinnvoller wäre – abgestimmte Vorschläge eines Duos sind sicher besser als einzelne Anregungen, die dann im Einzelfall von der griechischen Regierung erst noch koordiniert werden müssen“, sagte Lambsdorff.

Entscheidend sei aber, dass Athen sich nicht der Illusion hingebe, es könne künftig alle Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit den Gebern aufkündigen und allgemein gehaltene, „wolkige Empfehlungen“ bekommen. „Sollte die Kommission dieser Vorstellung anhängen, stieße sie auf den entschiedenen Widerspruch der FDP“, warnte Lambsdorff. Die Steuerzahler in den Geberländern hätten einen Anspruch darauf, zu erfahren, ob sich die griechische Seite an ihre Zusagen halte.

Lambsdorff erinnerte in diesem Zusammenhang den neuen griechischen Premier Tsipras daran, dass die EU und die Euro-Länder mit Griechenland geltende Verträge hätten, die Hilfe gegen Reformen vorsähen. Die FDP stehe zu diesen Verträgen. „Aber Verträge sind einzuhalten, und zwar von beiden Seiten“, betonte Lambsdorff.

Es sei daher falsch, die Arbeit der Troika an den Pranger zu stellen und schlecht zu machen. „Unter den gegebenen Umständen war sie das beste Instrument, um der notwendigen Reformpolitik in den Krisenländern dringende Impulse zu verleihen, was in Spanien, Portugal und Irland auch konkrete und vorzeigbare Ergebnisse gebracht hat.“


Wie schnell man in Brüssel die Fahnen einrollt

Der europapolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Stübgen (CDU), hat mit scharfer Kritik darauf reagiert, dass sich die EU-Kommission offen für eine Veränderung der von Griechenland abgelehnten Gläubiger-Troika stark macht.

„Es ist erstaunlich, wie schnell man in Brüssel die Fahnen einrollt. Die in der Troika zusammenarbeitenden Institutionen IWF, EZB und Kommission haben nach dem ESM-Vertrag genau die Aufgaben, für die sie Griechenland jetzt aus dem Land jagen will“, sagte Stübgen dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Die EU-Kommission müsse sich dafür einsetzen, die vertraglichen Vereinbarungen einzuhalten, forderte der CDU-Politiker. Sie sei die Hüterin der Verträge und selbst Teil der Troika. „Sie untergräbt also ihre ureigenste, von den EU-Verträgen zugewiesene Aufgabe, wenn sie die griechische Position akzeptiert“, warnte Stübgen.

Stübgen kritisierte zudem, dass die Troika nun zum „Sündenbock für die griechische Reformverweigerung“ gemacht werde. Dabei hätten die mit ihr vereinbarten Reformen zwar kleine, aber doch erkennbare Fortschritte gebracht. „Diese jetzt aufzugeben, ist verantwortungslos und ein Schlag ins Gesicht der Euro-Staaten, die über die Umsetzung der Reformprogramme ihre Finanzkrise überwunden haben und sich wieder an den Finanzmärkten refinanzieren können“, betonte der CDU-Politiker. Stübgen warnte, eine einseitige Beendigung der Zusammenarbeit durch Griechenland habe „zwingend“ auch Konsequenzen für die Fortsetzung der Finanzhilfen.

Mit Material von Reuters.

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