Großunternehmen USA gehen gegen Steuerflucht vor

US-Präsident Obama nimmt Konzerne in die Pflicht. Sie müssten einen fairen Anteil an der Steuerlast tragen. Sein Finanzministerium bekämpft daher die sogenannte „Inversion“. Mehrere Großfusionen sind nun gefährdet.

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US-Präsident Obama hat die „Inversion“-Taktik von Großunternehmen wiederholt angeprangert. Quelle: dpa

Washington/New York Amerikanische Konzerne können nicht mehr so leicht durch die Verlagerung ihres Firmensitzes ins Ausland ihre Steuerlast drücken. Das US-Finanzministerium erließ am Montag eine Reihe von Maßnahmen gegen die sogenannte „Inversion“ – die zunehmende Neigung von amerikanischen Unternehmen, Firmen im Ausland aufzukaufen und dann dort ihren Steuersitz anzugeben.

Die neuen Regeln gelten ab sofort – aber nicht rückwirkend. Damit treffen sie mehrere Konzerne, die gegenwärtig Fusionen oder Übernahmen vollziehen. Ihre Aktien gaben am Dienstag zum Teil deutlich nach – rund zwölf Milliarden Dollar an Börsenwert wurden auf beiden Seiten des Atlantiks vernichtet. Die beiden großen Parteien der USA begrüßten wenige Wochen vor der Kongresswahl die neuen Vorschriften.

Sie sollten es für Unternehmen weniger attraktiv machen, „ihren Steuersitz auf dem Papier ins Ausland zu verlegen, um die Zahlung ihres gerechten Steueranteils in der Heimat zu vermeiden“, erklärte US-Präsident Barack Obama. Er hatte diese Praxis wiederholt angeprangert. Die neuen Maßnahmen zielen auch auf die Milliarden-Gewinne großer multinationaler Konzerne im Ausland. Die Firmen machen geltend, dass sie sich an bestehendes Recht halten und die Erwartungen ihrer Investoren folgen, um Steuern zu sparen.

So hat der Pharmakonzern AbbVie erklärt, durch den Kauf des britischen Rivalen Shire für 55 Milliarden Dollar und der Verlegung des Steuersitzes auf die Kanalinsel Jersey werde die Steuerrate auf 13 Prozent von bislang rund 22 Prozent fallen. Die Aktien von AbbVie gaben 1,9 Prozent nach, die Papiere von Shire 2,5 Prozent. Die neuen Vorschriften könnten auch Pfizer davon abschrecken, einen neuen Übernahmeversuch für AstraZeneca zu unternehmen. Der erste für 118 Milliarden Dollar war im Mai gescheitert. Pfizer-Aktien lagen knapp 0,5 Prozent im Minus, AstraZeneca-Papiere knapp 3,6 Prozent tiefer. Insgesamt verloren fast ein Dutzend Unternehmen zusammen 12,3 Milliarden Dollar an Börsenwert.

Burger King kündigte am Dienstag an, man strebe ungeachtet der neuen Regeln weiter die Übernahme der kanadischen Kaffee- und Donut-Kette Tim Hortons an. Das Geschäft sei wegen der langfristigen Wachstumschancen und nicht wegen Steuerfragen vorangetrieben worden, betonten die beiden Firmen in einer gemeinsamen Erklärung. Die geplante Verlegung des Burger-King-Sitzes nach Kanada hatte in den USA jüngst die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Inversions-Debatte gelenkt. Seit den 80er Jahren wurden nach Reuters-Daten etwa 50 derartiger Geschäfte abgeschlossen, die Hälfte davon seit der Finanzkrise 2008/2009.

Abgeordnete der Demokraten wie auch der Republikaner haben bereits länger Maßnahmen gegen die Steuerflucht gefordert und entsprechende Gesetze ins Gespräch gebracht. Diese hätten juristisch eine größere Durchschlagskraft als die nun geltenden Bestimmungen. Allerdings konnte sich der Kongress bislang nicht auf einen entsprechenden Entwurf einigen. Die Dringlichkeit des Problems wird zudem unterschiedlich gesehen: Während die Demokraten schnell ein gezieltes Gesetz gegen die Inversion erlassen wollen, sollte es aus Sicht vieler Republikaner ein Teil einer umfassenden Reform sein. Dass das amerikanische Steuersystem generalüberholt werden müsste, darüber besteht auch über Parteigrenzen hinweg Konsens.

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