Hamburg vor G20-Gipfel „Es gibt keine Übernachtungscamps“

Die G20 bekämpfen die globalen Krisen nicht – davon ist man beim Alternativgipfel in Hamburg überzeugt. Zahlreiche Protestcamps sind bereits angekündigt. Innensenator Grote beharrt indes auf einem Übernachtungsverbot.

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„Es kann Protestcamps als Versammlungscamps geben, aber keine Übernachtungscamps“, so der Hamburger Innensenator. Quelle: dpa

Berlin/Hamburg Der Hamburger Innensenator Andy Grote beharrt auf dem Verbot von Übernachtungen in Protestcamps anlässlich des G20-Gipfels. „Es kann Protestcamps als Versammlungscamps geben, aber keine Übernachtungscamps“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin.“ Man wisse, dass dahinter „die militante, autonome Szene“ stehe. Die habe sich vorgenommen, zum G20-Gipfel „den größten schwarzen Block aller Zeiten zu organisieren. Das wäre eine sehr schwierige Sicherheitslage in der Stadt.“ Er erteilte auch einem Ultimatum von Aktivisten, ein zentrales Übernachtungscamp zu schaffen, eine Absage.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich am Dienstag mit Grote in Hamburg treffen und sich über das Einsatzkonzept der Sicherheitsbehörden für das G20-Treffen informieren. Der zweitägige Gipfel beginnt am Freitag. Gegner haben Proteste angekündigt.

Grote zufolge wird „der allergrößte Teil der Proteste sehr bunt, sehr vielfältig, aber friedlich sein.“ Es werde jedoch auch ein paar gewaltbereite Aktionen geben. „Dafür ist die Polizei vorbereitet.“ Man habe ein sehr hohes Gewaltpotenzial in der linksextremistischen Szene. „Wir können auch einen terroristischen Anschlag nicht völlig ausschließen, dazu haben wir aber keine konkreten Hinweise.“

Kurz vor dem G20-Treffen in Hamburg wollen Kritiker der wichtigsten Wirtschaftsmächte bei einem alternativen Gipfel in der Hansestadt einen Politikwechsel fordern. Die Vertreter zahlreicher Organisationen werfen den Staats- und Regierungschefs eine Mitverantwortung für die globalen Krisen vor. „Für uns sind die G20 Teil des Problems“, sagt Achim Heier vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

Zum sogenannten Gipfel der globalen Solidarität werden am Mittwoch und Donnerstag bis zu 1500 in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel erwartet. Am Freitag beginnt dann der G20-Gipfel in der Hamburger Messe. Dort kommen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer sowie EU-Vertreter zusammen.


Der Alternativgipfel im Überblick

Die Veranstalter
Nach Angaben der Organisatoren hat sich ein breites Bündnis zusammengeschlossen. Zu ihnen zählen unter anderem die Flüchtlingsräte und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, die Naturschutzorganisation Robin Wood und die Interventionistische Linke. „Diese breite Mischung von Organisationen verspricht natürlich Spannung“, sagt Heier von Attac. Auch wenn die Überzeugungen und Forderungen sehr unterschiedlich seien. „Zusammengefunden haben wir uns in der Überzeugung, dass die G20 die globalen Krisen dieser Welt nicht lösen, sondern in vielen Punkten eher verschärfen.“

Die Kritik
Die Liste der Vorwürfe ist lang. „Wirtschaftswachstum ist der G20 wichtiger, als die globale Erwärmung und die Vernichtung der Lebensgrundlagen zu stoppen“, schreiben die Organisatoren. Bei der Bekämpfung von Armut und Flucht gebe es nur Lippenbekenntnisse. Viele der G20-Regierungen schränkten die Rechte von Beschäftigten ein und verschärften mit ihrer Politik die Umverteilung von unten nach oben.

Lösungen finden
Auf zahlreichen Podien und in Workshops sollen beim Alternativgipfel Probleme wie Hunger, Flucht, Umweltzerstörung und Rassismus analysiert werden. Die Teilnehmer wollen nach Strategien suchen: Wie verhindert man, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich vergrößert? Wie sieht eine gute Friedenspolitik aus? Oder wie kann Geschlechter-Gerechtigkeit durchgesetzt werden?

Fehlende Namen
Wer sich die Liste der offiziellen Partner des Alternativgipfels anschaut, vermisst die eine oder andere große Organisation. Die Sichtweisen waren an manchen Stellen wohl doch zu verschieden. Einige Initiativen entschieden sich deshalb, lediglich einzelne Veranstaltungen mitzugestalten. So beispielsweise „Brot für die Welt“: „Die Vielfalt und Buntheit des Alternativgipfels ist einerseits eine Stärke dieses zivilgesellschaftlichen Forums, andererseits ist es damit auch schwierig, eine gemeinsame Grundlage aller Akteure für Inhalte und Strategien zu finden“, sagte Klaus Seitz von dem kirchlichen Hilfswerk. „Deshalb haben wir davon abgesehen, dem Trägerbündnis beizutreten.“

Die Gäste
Teilnehmer aus gut 20 Ländern werden erwartet. Die Eröffnungsrede hält die indische Globalisierungskritikerin Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Die Amerikanerin Ann Wright, die 2003 als hohe Offizierin aus Protest gegen den Irakkrieg der US-Armee den Rücken gekehrt hatte, wird auf einem Podium über Friedenspolitik diskutieren. Auch der kurdisch-syrische Politiker Salih Muslim und Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan haben zugesagt.

Der Unterschied
Der Alternativgipfel ist nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Civil20 (C20). Dieser Gipfel der Zivilgesellschaft fand bereits am 18./19. Juni in Hamburg statt. Damals übergaben Vertreter von rund 200 Nichtregierungsorganisationen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Forderungskatalog an die G20. Die C20 sind als offizielle Beteiligungsgruppe der G20 anerkannt.

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