Und was sollen dabei die atomare Aufrüstung und die Drohgebärden gegen Südkorea, Japan und die USA?
Kim ist sicher ein sehr problematischer Charakter, brutal und skrupellos. Aber gerade solche Mafia-Typen sind in der Regel nicht geneigt, Selbstmord zu begehen. Niemand geht deshalb davon aus, dass er einen Krieg anstrebt. Was er aber wirklich will, ist gar nicht so einfach zu sagen. Kurzfristig geht es ihm und seinem Regime um Status, also darum, von den USA und China als gleichberechtigt akzeptiert zu werden. Darüber hinaus geht es vermutlich auch um die nationale Einheit Koreas: Man muss den jetzigen Konflikt als das gegenwärtige Stadium des 1953 mit dem Waffenstillstand eingefrorenen koreanischen Bürgerkriegs verstehen. In diesem Bürgerkrieg ging es damals und geht es noch heute darum, welches politische System die koreanische Nation insgesamt führen soll – das kommunistische des Nordens oder das pro-westliche, kapitalistische System des Südens.
Auslandseinnahmen des nordkoreanischen Regimes
6 Mrd. US-Dollar
Quelle: Schätzungen von Sicherheitsexperten, eigene Recherche
Stand: Juni 2017
Tourismus, Restaurant- und Hotelbetrieb: 50 Mio. US-Dollar
Gastarbeiter: 2 Mrd. US-Dollar
Botschaftsvermietung: >10 Mio. US-Dollar
Waffendeals und Beratung: 2 Mrd. US-Dollar
Cybercrime: 1 Mrd. US-Dollar
Schmuggel, Drogen, Falschgeld: 0,5-1 Mrd. US-Dollar
Zu Anfang der 1970er Jahre lagen die beiden Koreas in diesem Systemwettbewerb noch etwa gleichauf: Das BIP pro Kopf war in Nord- und Südkorea vergleichbar. 1990, am Ende des Kalten Krieges, war das BIP in Südkorea fünfmal und heute ist es 25 mal so hoch wie im Norden. Welches System leistungsfähiger ist, ist also offensichtlich. Das ist das Grundproblem der nordkoreanischen Führung. Das ganze Säbelgerassel in Pjöngjang ist eine Reaktion auf diese Realität. Ich halte es nicht für unmöglich, dass das Regime dort das Ziel einer koreanischen Wiedervereinigung unter Führung des Nordens nicht aufgegeben hat. Und darum will man die Schutzmachtfunktion der USA über Südkorea mit atomaren Drohungen an die Adresse der USA in Frage stellen.
Und danach könnte dann Nordkorea den Süden womöglich militärisch angreifen?
Eine Neuauflage des koreanischen Bürgerkrieges als militärische Auseinandersetzung halte ich für extrem unwahrscheinlich. Aber es gäbe vielleicht andere, subtilere Mittel, sich Südkorea gefügig zu machen, wenn die amerikanische Schutzmachtfunktion unglaubwürdig ist. Darum sind in Südkorea viele Menschen beunruhigt über die Unberechenbarkeit von Donald Trump.
Fünf spannende Fakten über Nordkorea
Nordkorea produziere kaum wettbewerbsfähige Güter. Außerdem herrsche ein Mangel an Devisen und somit auch Investitionsgütern. Die Infrastruktur ist marode, zahlreiche Industrieanlagen sind seit Jahren nicht mehr in Betrieb, schreibt das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite. Allerdings entstanden unter Kim Jong Un 13 neue Sonderwirtschaftszonen.
Das Land ist streng zentralistisch organisiert und betreibt einen intensiven Personenkult, um mittlerweile drei Führer. Nordkorea wurde 1948 gegründet, und verfügt formal über Verfassungsorgane wie Parlament, Gerichtsbarkeit und Regierung. Allerdings übt vor allem ein übermächtiger Führer mit einem kleinen Kreis an Vertrauten die Macht aus.
Die Medien sind durchgängig staatlich kontrolliert. Die meisten Nordkoreaner haben keine Möglichkeit auf Internet zuzugreifen, teilweise wissen sie nicht einmal, was es ist. Von den knapp 25 Millionen Nordkoreaner haben gerade mal eine Million Menschen ein Handy: Es gibt lediglich einen einzigen Mobilfunkbetreiber, der zwar ein 3G-Netz anbietet, aber keine Datendienste.
Anfang 2014 stellten die Vereinten Nationen einen Bericht über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea vor. Darin heißt es: Nordkorea ist ein totalitärer Staat, in dem als politisch unzuverlässig eingestufte Menschen systematisch ermordet oder als Arbeitssklaven missbraucht werden.
Grundsätzlich bestehen zwischen Nordkorea und Deutschland politische Beziehungen, diese sind allerdings auch durch die von der EU und der UN verhängten Sanktionen belastet. Für die ehemalige DDR war Nordkorea einer der wichtigsten Partner des Landes im Ostblock.
Wünschen sich die Südkoreaner eine harte Linie der Amerikaner?
So einfach ist das nicht, die Interessen sind da widersprüchlich. Südkorea steckt – wie übrigens auch Japan - in einem klassischen Bündnisdilemma. Für die kleineren Verbündeten der Supermacht USA besteht einerseits latent stets das Risiko, vom Bündnispartner im Stich gelassen zu werden, wenn das die amerikanischen Interessen so verlangen. Auf der anderen Seite müssen sie aber auch befürchten, von ihrem großen Bruder gegen ihren Willen in einen Konflikt hineingezogen zu werden, wenn der entgegen aller Warnungen des kleinen Verbündeten eine allzu forsche Strategie verfolgt und damit eine militärische Konfrontation auslöst - in diesem Falle mit Nordkorea.
Hat Nordkorea denn ökonomisches Potenzial? Ist das Land und ist diese Gesellschaft ein lohnendes Investitionsziel?
Da ist eine Menge Potenzial, denke ich. Nordkorea hat nicht nur Bodenschätze, sondern auch eine ziemlich gut ausgebildete Bevölkerung. Es gab immer wieder auch Anzeichen für so eine Art verdeckten Investitionswettlauf in Nordkorea zwischen chinesischen und südkoreanischen Unternehmen, die dieses Potenzial erschließen wollen. Entscheidend für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung werden aber die politischen Rahmenbedingungen bleiben.