Hoffen auf Diplomatie Waffenruhe in der Ukraine bröckelt

Altkanzler Schröder wirbt für einen Dialog mit Moskau. Auch der neue Nato-Generalsekretär sendet im Ukraine-Konflikt vorsichtig Entspannungssignale. Doch in der Kampfzone hält die Waffenruhe kaum noch.

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Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wirbt für den Dialog mit Russland. Quelle: dpa

Moskau/Brüssel Die vor vier Wochen vereinbarte Waffenruhe in der Ostukraine bröckelt. Prorussische Separatisten und Regierungstruppen beschossen sich am Mittwoch mit schwerer Artillerie. Dabei starben mindestens zehn Menschen, wie die Aufständischen und der Stadtrat von Donezk mitteilten. Der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, er strebe eine konstruktive Beziehung zu Russland an. Der Kreml müsse sich dafür aber wieder ans Völkerrecht halten. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) warb dafür, wieder den Dialog mit Russland zu suchen und das frühere partnerschaftliche Verhältnis wiederzubeleben.

Die Nato und die Regierung in Kiew wirft Russland vor, die Schwarzmeer-Halbinsel Krim illegal annektiert zu haben und die prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen - mit Waffen und Kämpfern.

Abgeordnete des Europarates verlangten einen sofortigen Abzug fremder Truppen aus der Ukraine und die Wiederherstellung der Souveränität des Landes. Der Vorsitzende des Monitoring-Ausschusses, der österreichische Sozialdemokrat Stefan Schennach, nannte es „absolut unannehmbar, fremde Truppen in ein Nachbarland zu schicken“. Russische Parlamentarier waren nicht dabei, nachdem ihnen die Versammlung im April wegen der Krim-Annexion das Stimmrecht entzogen hatte.

Die die Donezker Behörden berichteten, ein Geschoss habe einen Kleinbus in der Separatistenhochburg getroffen und mindestens sechs Menschen getötet. Die Aufständischen sprachen von acht Toten. Zudem kamen mindestens vier weitere Menschen ums Leben, als eine Granate eine Schule traf. Mindestens 40 Menschen seien mit Verletzungen durch Artilleriefeuer in ein regionales Krankenhaus eingeliefert worden, verlautete aus Ärztekreisen.

Im Streit mit Moskau um ein Handelsabkommen zwischen Brüssel und Kiew warnte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Kremlchef Wladimir Putin vor Strafmaßnahmen gegen die Ukraine. Es verstoße gegen Abmachungen mit der EU, wenn Russland - wie in einem Dekret vorgeschlagen - Handelsbarrieren zulasten der Ukraine einrichte, schrieb Barroso an Putin. Er forderte Russland dazu auf, dies nicht zu tun.

Das Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und Kiew soll nach einer Abmachung mit Moskau erst 2016 in Kraft treten. Russland hat mit harten Maßnahmen gedroht, sollte das Abkommen früher umgesetzt werden. Der Kreml will verhindern, dass billige EU-Waren den russischen Markt überschwemmen und die eigenen Hersteller unter Druck setzen. Barroso schrieb, es seien weitere Gespräche mit Russland geplant.


Mauerbau geht weiter

Der von der Führung in Moskau scharf kritisierte Bau einer knapp 2300 Kilometer langen „Mauer“ an der ukrainisch-russischen Grenze wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, wie ukrainische Medien berichteten. Ursprünglich sollte die erste Bauphase an der umstrittenen Grenzbefestigung bereits am Dienstag abgeschlossen sein. Der ukrainische Grenzschutz dagegen berichtete, es werde weiter an der Mauer gebaut.

Die Ukraine will mit der „Mauer“ russische Soldaten aus dem Konfliktgebiet im Osten des Landes fernhalten. Moskau weist Vorwürfe Kiews zurück, es unterstütze die Separatisten im Krisengebiet mit Kämpfern und Waffen.

Angesichts des nahenden Winters will Deutschland noch im Oktober Heizgeräte, Decken, Wasserreservoirs und Dieseltanks in die Ostukraine schicken. Damit reagiere die Bundesregierung auf eine Anfrage aus Kiew, sagte eine Sprecherin in Berlin.

Altbundeskanzler Schröder sagte in Rostock auf dem Russland-Tag Mecklenburg-Vorpommerns, gegenseitige Vorwürfe, Drohungen und Sanktionen seien im Umgang mit Russland der falsche Weg. „Wir sollten uns vielmehr auf die Elemente der alten Entspannungspolitik besinnen“, mahnte Schröder. Die Sanktionen als Folge des Konflikts hätten viel Vertrauen zerstört und machten sich wirtschaftlich bemerkbar.

Für deutsche Firmen blieben Aufträge aus und Russland leide unter dem Wertverfall des Rubels sowie dem Rückzug von Investoren. Schröder, der sich selbst als „Russland-Versteher“ bezeichnete, warb für die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen, „meinethalben auch strategischen“ Verhältnis.

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