Iran-Komplott Washington räumt Lücken in Beweislage ein

Dramatische Konfrontation zwischen den USA und Iran: Die angeblichen iranischen Attentatspläne auf den saudischen Botschafter Adel al-Dschubair in den USA haben die Spannungen zwischen beiden Staaten massiv verschärft.

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Iran-Flagge. Quelle: handelsblatt.com

Die US-Regierung hat hochrangigen Mitgliedern zufolge keine harten Beweise für Kenntnisse der obersten iranischen Führung von dem angeblichen Mordkomplott gegen den saudiarabischen Botschafter in Washington.

Es sei „mehr als wahrscheinlich“, dass die militärische Eliteeinheit Kuds von den Plänen gewusst hätten, sagten die Regierungsvertreter, die namentlich nicht genannt werden wollten, am Mittwoch. Diese Schlussfolgerung gründe sich aber vor allem auf Analysen und das Wissen über Aufbau und Funktionsweise der Kuds-Truppe. Die Aktion sei sicherlich nicht abseits des Systems geplant worden. Andere Teile der zersplitterten iranischen Führung wie Präsident Mahmud Ahmadinedschad müssten aber „nicht zwangsläufig davon gewusst haben“, sagten sie weiter.

Medienberichten zufolge ist der verhaftete Tatverdächtige vor rund einem Jahr in den Iran gezogen. Die Frau des 56-Jährigen beteuerte in Interviews seine Unschuld: Auch wenn sie inzwischen getrennt von ihm lebe, könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, „dass er zu so etwas fähig wäre“, sagte sie dem TV-Sender KVUE im texanischen Austin.

Der Anklageschrift zufolge bekleidet ein Cousin des Verdächtigen einen hochrangigen Posten bei der Kuds-Truppe. Den Behörden zufolge hat der Angeklagte nach seiner Festnahme die Pläne unter Beisein von Ermittlungsbeamten mit einem Kuds-Verbindungsmann am Telefon diskutiert. Mehrere hochrangige Regierungsvertreter räumten ein, dass der angebliche Komplott ungewöhnlich schlecht organisiert worden sei. „Wir hätten erwartet, dass die Kuds-Truppe ihre Spuren effektiver verwischt“, sagte einer von ihnen. Ein anderer meinte, der Plan für einen gewaltsamen Angriff in den USA liege „sehr außerhalb des Musters“ jüngster Kuds-Aktionen.

Ein Iran-Experte des Kongresses äußerte Zweifel an den angeblichen Plänen. „Ein Autoverkäufer aus Texas, der nicht wirklich selbst ein Kuds-Mitglied ist und seit vielen Jahren in den USA lebt - das passt nicht zusammen“, sagte Kenneth Katzman. „Es kann dazu einen gewissen Kontakt mit der Kuds gegeben haben, aber die Idee eines gezielten, voll durchdachten Plans, genehmigt von hohen Stellen der iranischen Führung, strapaziert die Gutgläubigkeit.“

Obama telefoniert mit saudi-arabischem König Abdallah

US-Präsident Präsident Barack Obama hat mit dem König Saudi Arabiens telefoniert. Dabei hätten er und König Abdallah eine „starke und vereinte Antwort“ vereinbart, mit der die Verantwortlichen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen würden, teilte das Weiße Haus am Mittwoch (Ortszeit) mit. Die Attentatspläne stellten eine „ungeheuerliche Verletzung“ internationalen Rechts dar. Beide Seiten hätten zudem ihre Partnerschaft bekräftigt.

Am Mittwoch hatte die Regierung in Washington bewusst auch eine militärische Reaktion nicht vom Tisch genommen und erließ neue Sanktionen gegen Teheran. Auch Saudi-Arabien verurteilte den Iran scharf.

Das beschuldigte Land weist die Vorwürfe als haltlos zurück. Selbst in den USA gibt es Zweifel an dem vermeintlichen Plot. „Der Iran muss zur Verantwortung gezogen werden“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch. Sie rief andere Länder auf, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten „diese Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit zu verurteilen.“ Die US-Gesandte bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, informierte in New York die anderen Mitglieder des Sicherheitsrates über den Fall. Ziel sei es, das Regime in Teheran tiefer in die Isolation zu treiben, machte die US-Regierung klar.

Das Weiße Haus bezeichnete die Attentatspläne als „gefährliche Eskalation der iranischen Nutzung von Gewalt“. Es handele sich um „einen versuchten terroristischen Akt“, sagte Jay Carney, der Sprecher von Barack Obama. Er wollte ausdrücklich nicht über mögliche Reaktionen spekulieren, sagte aber, die USA schlössen prinzipiell keine Optionen aus.

Washington erließ am Mittwoch Sanktionen gegen die kommerzielle iranische Fluglinie Mahan Air, sagte Carney. Die USA werfen der Fluggesellschaft vor, heimlich Mitglieder, Waffen und Finanzmittel der iranischen Republikanischen Garden transportiert zu haben.

Nach Erkenntnissen der US-Ermittler sollen „Elemente der iranischen Regierung“ einen Bombenanschlag auf den saudischen Botschafter in Washington geplant und finanziert haben. Carney sagte, dass hochrangige Mitglieder der Al-Kuds-Gruppe, eine Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarden, involviert gewesen seien. Auch Pläne für Bombenanschläge auf die saudische Botschaft in Washington und die israelische Botschaft in Argentinien habe es gegeben.

Der Iran wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Der Parlamentspräsident Ali Laridschani bezichtigte die USA, eine künstliche Krise herbeiführen zu wollen. Außenminister Ali-Akbar Salehi sagte der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna, die Amerikaner wollten nur von zahlreichen eigenen Problemen ablenken.

Der iranische UN-Gesandte legte offiziell Beschwerde bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und beim UN-Sicherheitsrat ein. Saudi-Arabien zeigte sich erbost. „Das Königreich Saudi-Arabien verurteilt aufs Schärfste den skandalösen und niederträchtigen Versuch, seinen Botschafter in den USA bei einem Anschlag zu ermorden“, hieß es in einer Stellungnahme. Es handle sich um „Machenschaften, die weder mit normalen humanitären und ethischen Werten noch mit den völkerrechtlichen Normen und Traditionen vereinbar sind“.

Die saudische Erklärung vom Mittwochabend sprach den US-Behörden Dank für die Vereitelung der angeblich geplanten Anschläge aus. Auf mögliche Maßnahmen gegen den Iran ging sie nicht ein. Das Land auf der anderen Seite des Persischen Golfes wurde in dem Dokument nicht einmal namentlich genannt.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte den Iran auf, zu einer umfassenden Aufklärung beizutragen. „Die an den Anschlagsplänen Beteiligten und ihre Hintermänner müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der Minister nach einer am Mittwochabend vom Auswärtigen Amt veröffentlichten Erklärung. „Außenminister Westerwelle ist in hohem Maße besorgt über die Nachrichten aus Washington“, hieß es weiter. Die Bundesregierung sei erleichtert, dass es US-Behörden offensichtlich gelungen sei, terroristische Anschlagspläne zu vereiteln.

Nach Aufdeckung des Komplotts wuchs in den Vereinigten Staaten die Furcht vor neuen Terrorattacken. Das US-Außenministerium rief alle Bürger zu erhöhter Wachsamkeit auf. Allerdings äußerten Experten Zweifel an den Anschuldigungen. „Warum sollte der Iran den saudischen Botschafter in Washington ermorden wollen?“, fragte Iran-Experte Alireza Nader von der Rand Corp., einem US-Think Tank, in der „Washington Post“.

Andere Experten meinten, ein solches Komplott sei völlig untypisch für den Iran. Nach Darstellung der USA wollten die Iraner Hintermänner lateinamerikanischer Drogenkartelle für den Mord anheuern. Ihnen sollen 1,5 Millionen Dollar angeboten worden sein. Das Komplott sei durch US-Undercover-Agenten aufgeflogen, die sich als Mitglieder eines Drogenkartells ausgegeben hätten. Ein verdächtiger Iraner mit US-Pass sei bereits Ende September in New York festgenommen worden, teilten die US-Behörden mit.

Der Verdächtige, der 56-jährige Manssor Arbabsiar, erschien noch am Dienstagabend vor einem New Yorker Gericht. Er bleibe in Haft. Ein Verfahren solle am 25. Oktober anlaufen. Er habe die Taten mutmaßlich mit dem Al-Kuds-Mitglied Gholam Shakuri geplant, der als Unterstützer des internationalen Terrorismus bekannt sei, hieß es. Shakuri befinde sich gegenwärtig im Iran.

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