IWF-Vorstoß Angriff auf die Reichen

Ein Gedankenspiel des IWF sorgt für Aufregung: Die Euro-Staaten könnten eine Vermögensabgabe einführen, um ihre gigantischen Schuldenberge abzutragen. Experten reagieren mit Kopfschütteln – aber längst nicht alle.

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Nehmt es von den Reichen: Vermögende könnten die Krisenkosten vermindern helfen. Quelle: ap

Berlin Die immensen Schulden der Euro-Staaten rufen den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Plan. Er regt nun die einmalige Erhebung einer Vermögensabgabe in Höhe von zehn Prozent an. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf einen bereits im Oktober veröffentlichten Fiskalbericht des Währungsfonds.

In der Expertise mit dem Titel „Taxing Times“ äußert der IWF die Einschätzung, dass es ein „neu belebtes Interesse“ an der Idee einer solchen Abgabe gebe, die alle Besitzer von Ersparnissen, Wertpapieren sowie Immobilien betreffen würde. „Die Attraktivität einer solche Steuer“ liege darin, dass sie keine Verhaltensverzerrung bewirke, sofern es keine Ausweichmöglichkeit gebe und die Abgabe einmalig sei, schreiben die Experten. Zudem werde sie von einigen Menschen als gerecht angesehen.

Hintergrund der IWF-Überlegungen ist die öffentliche Verschuldung, deren Quote sich 2014 im Durchschnitt aller Länder dem historischen Höchststand von 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nähere. Dies sind 35 Prozentpunkte mehr als 2007, also vor der Finanzkrise. Es ist auch das höchste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. In absoluten Zahlen ist die Verschuldung der Euro-Staaten von 6000 auf 8600 Milliarden Euro gestiegen – deutlich über 90 Prozent des BIP. Eine Zehn-Prozent-Abgabe könnte die Schuldenstände wieder auf den Stand von 2007 drücken.

Das Bundesfinanzministerium wollte laut FAZ zu den IWF-Aussagen nicht direkt Stellung nehmen. Es sei nur auf jüngste Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verwiesen worden, er wolle „ohne Steuererhöhungen und ohne neue Schulden auskommen“, schreibt die Zeitung. Der IWF hatte sich in seinem Fiskalbericht auch für höhere Spitzensteuersätze ausgesprochen. Unter Einnahmegesichtspunkten riet der Fonds Deutschland zu einem Spitzensteuersatz von 55 bis 70 Prozent. Derzeit werden hierzulande inklusive Reichensteuer maximal 45 Prozent fällig.   

Harsche Kritik an dem IWF-Vorstoß kam aus der Unions-Bundestagsfraktion. Der Vorschlag gehe in Richtung einer „verdeckten Vermögensbesteuerung, die wir aus guten Gründen ablehnen“, sagte Fraktionsvize Michael Meister Handelsblatt Online. „Der IWF sollte vielmehr die Notwendigkeit einer Verbesserung  der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Staaten durch beschäftigungsfördernde Strukturreformen in den Fokus seiner Analyse stellen.“

Meister zeigte sich verwundert darüber, mit welcher Beharrlichkeit der Währungsfonds immer wieder das Thema Gläubigerbeteiligung ins Gespräch bringe. „Als sei es eine Art Allheilmittel, das notwendige beschäftigungsfördernde Strukturreformen obsolet machen würde“, sagte der CDU-Politiker. „Auch eine Wiederholung solcher Vorschläge durch den IWF löst nicht das Problem, dass eine erneute private Gläubigerbeteiligung das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer und Investoren zerstört.“


NRW-Finanzminister offen für Vermögensabgabe

Der IWF dürfe zudem nicht verkennen, dass heute schon die deutschen Sparer ihren Beitrag zur Stabilisierung leisten. „Denn aufgrund der sehr niedrigen Realzinsen erfahren die deutschen Steuerzahler einen Verlust, der zunehmend eine nachhaltige Altersvorsorge erschwert“, sagte Meister. „Wer da noch eine Steuer draufsetzen will, greift gerade den Kleinsparern in die Tasche und verhindert die finanzielle Vorsorge breiter Bevölkerungsschichten.“

Der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, kann dem IWF-Vorschlag ebenfalls nichts abgewinnen. „Die zu hohe Schuldenquote in Deutschlands wollen wir  innerhalb der nächsten zehn Jahre von rund 80 Prozent des BIP auf weniger als 60 Prozent des BIP abbauen. Dazu brauchen wir keine Vermögensabgabe“, sagte der CDU-Politiker Handelsblatt Online.

Kritisch sieht Barthle auch den Hinweis des IWF, in Deutschland gebe es Spielraum für höhere Steuern insbesondere bei Besserverdienern. „Für Deutschland hat die Union Steuererhöhungen ausgeschlossen“, sagte er. „In den öffentlichen Haushalten erwirtschaften wir in den kommenden Jahren insgesamt Überschüsse.“

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat Sympathie für die Idee einer Vermögensabgabe zur Schuldentilgung gezeigt, wie sie der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Oktober-Bericht zur Finanzstabilität ins Gespräch gebracht hat. „Über die Frage einer einmaligen oder dauerhaften und entsprechend niedrigeren Abgabe müsste man reden. Es muss aber sichergestellt werden, dass nicht schon die ganz normale Alterssicherung betroffen wird“, sagte Walter-Borjans Handelsblatt Online. Nicht umsonst habe die SPD die Vermögensteuer erst ab einem Jahreseinkommen von zwei Millionen Euro angesetzt. „In Deutschland sperren sich CDU und CSU allerdings gegen jede Diskussion in dieser Frage und geben am Ende offenbar einem lockeren Umgang mit der Staatsverschuldung den Vorrang.“


Experten halten Zwangsabgaben in Krisenländern für sinnvoll

Dass eine Institution wie der IWF in letzter Zeit häufiger die exorbitant wachsende Kluft zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut thematisiere und Konsequenzen fordere, nannte der SPD-Politiker ein wichtiges Signal. „Es führt auf Dauer kein Weg daran vorbei, dass Bezieher von Spitzeneinkommen und Vermögensmillionäre einen größeren Beitrag zur Finanzierung staatlicher Aufgaben leisten – auch aus Eigeninteresse“, betonte Walter-Borjans. „Denn ohne gute Bildung und Infrastruktur und ohne stabilen sozialen Zusammenhalt fehlen die Grundvoraussetzungen für den Erwerb und die Sicherung von Vermögen.“ Das sei auch der Grund für die Steuerpläne der SPD gewesen.

Die Vermögensabgabe, die der IWF ins Feld führt, ist keine neue Idee. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg wurde von solchen Abgaben schon Gebrauch gemacht. Zudem hat sich der Währungsfonds bei seinem Gedankenspiel vom Steuerexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Stefan Bach, inspirieren lassen. Im Sommer vergangenen Jahres hatte er in einer Studie vorgeschlagen, zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise stärker Bürger mit hohen Einkommen heranzuziehen.

Aus Bachs Sicht sind Vermögensabgaben oder auch Zwangsanleihen vor allem in den südeuropäischen Krisenländern „tatsächlich sinnvolle Instrumente, um die explodierende Staatsverschuldung zu reduzieren oder die maroden Banken zu entschulden“. Eine jüngst von der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichte Studie zu den Privatvermögen habe gezeigt, dass in diesen Ländern durchaus hohe Vermögen vorhanden sind, sagte Bach im Gespräch mit Handelsblatt Online.

Die Commerzbank glaubt auch, dass Zwangsabgaben beim Abbau von Staatsschulden in Krisenländern wie Griechenland oder Italien nützlich sein können. „Sinnvoll könnte eine Vermögensabgabe für sehr hoch verschuldete Länder sein, deren Bürger über beträchtliche Finanzvermögen verfügen“, sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, Handelsblatt Online. So stehe in Italien der Staatsverschuldung von 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein Finanzvermögen der Privathaushalte von 175 Prozent des BIP gegenüber. „Eine Vermögensabgabe sollte allerdings selbstgenutzte Immobilien aussparen, weil ansonsten Hauseigentümer gezwungen sein könnten, sich zu verschulden, um die Abgabe zu entrichten“, fügte Krämer hinzu. „Außerdem sollten kleine Finanzvermögen nicht einer Vermögensabgabe unterworfen werden.“


Deutsche-Bank-Ökonom gegen IWF-Gedankenspiel

Für Deutschland halten weder Krämer noch Bach eine Vermögenabgabe für sinnvoll. „Denn hierzulande zahlen die Bürger gemessen an ihren Einkommen viel Steuern und die Staatsverschuldung liegt deutlich unter der Schwelle von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, sagte Krämer.

Bach wies darauf hin, dass der Überraschungseffekt einer solchen Abgabe zwar ökonomisch attraktiv sein möge, politisch und rechtlich aber „heikel“ sei. „Die Bürger fühlen sich vom Staat überrumpelt und enteignet“, sagte der DIW-Experte. „Daher werden sie eine solche Abgabe nur in fiskalischen Notsituationen akzeptieren.“ Davon sei Deutschland „glücklicherweise“ aber weit entfernt. Im Gegenteil, die öffentlichen Haushalte liefen sogar in Überschüsse. Im Übrigen zahlten die deutschen Sparer die Vermögensabgabe schon längst in Form von Niedrigzinsen, fügte Bach hinzu.

Nicolaus Heinen, Experte für europäische Wirtschaftspolitik bei der Deutschen Bank, hält von der IWF-Idee, die er als „wohlfeil“ bezeichnete, gar nichts. „Es ist illusorisch anzunehmen, dass Finanzämter die Vermögenslage privater Haushalte verlässlich und in Echtzeit abschätzen können, ohne dass nennenswerte Erhebungskosten entstehen“, sagte Heinen Handelsblatt Online. „Dies gilt insbesondere für die südeuropäischen Krisenstaaten, deren Finanzverwaltungen noch nicht hinreichend reformiert sind.“

Zudem dürfte aus Sicht Heinens schon eine „ernsthafte Diskussion“ über eine solche Abgabe zu massiver Kapitalflucht von Privatvermögen unter Ausnutzung aller Umgehungstatbestände führen. „Dieses Kapital würde dann nicht mehr für Investitionen zur Verfügung stehen“, warnte der Deutsche-Bank-Experte. Überdies wecke ein „plötzlicher Geldsegen“ Begehrlichkeiten. „Wer garantiert denn, dass die zusätzlichen Mittel tatsächlich zur Tilgung der Staatsverschuldung genommen werden?“

Skeptisch äußerte sich der Chefökonom der DZ Bank, Stefan Bielmeier. „Wenn die Vermögensabgabe tatsächlich von allen Ländern und überraschend erhoben wird, sollten keine ungewollten Verteilungseffekte auftreten. Jedoch ist damit zu rechnen, dass dann die Staaten diesen Weg dann des Öfteren gehen werden, statt eine solide Haushaltspolitik zu entwickeln“, sagte Bielmeier Handelsblatt Online. „Damit hätte man eine neue dauerhafte Finanzierung der Staaten erschlossen, die massive Effekte auf die Spar- und Investitionsneigung haben sollte.“ Eine solche Abgabe wäre aus Sicht Bielmeiers also nur dann sinnvoll, wenn sich die Staaten auch „glaubhaft selbstverpflichten, die staatlichen Haushaltsdefizit nach einer solchen Abgabe abzubauen und über dem Konjunkturzyklus ausgeglichen zu halten“.

Kritisch äußerte sich auch der österreichische Notenbankchef und EZB-Rat Ewald Nowotny. „Ich warne eindringlich davor, die Sparer zu verunsichern“, sagte Nowotny. Mit Blick auf eine Vermögensabgabe fügte er hinzu: „Es handelt sich dabei um wirtschaftspolitische Verfahren, die in Kriegs- oder Nachkriegszeiten von Bedeutung waren. Für die derzeitige Lage in den entwickelten Industriestaaten ist eine solche Perspektive aber überhaupt nicht relevant und ist entschieden abzulehnen.“


Auch in Deutschland ließe sich der Schuldenstand reduzieren

Der Staat könne das Vermögen entweder durch eine einmalige Abgabe, die dann sukzessive abgezahlt werde, belasten, heißt es in der Expertise des DIW aus dem vergangenen Jahr. „Man könnte das aber auch mit einer Zwangsanleihe kombinieren, indem die betroffenen Abgabepflichtigen Schulden übernehmen müssen“, erklärte Studienleiter Bach damals. „Je nach Konsolidierungsfortschritt beim Staat können diese Anleihen dann später zurückgezahlt und auch verzinst werden.“ Wenn das nicht der Fall sei, dann gehe das Ganze in eine Vermögensabgabe über. In der Politik stieß der Vorschlag auf ein geteiltes Echo. SPD und Grüne zeigten sich schon damals offen für Zwangsabgaben.

Die Grünen ließen zudem vor einigen Jahren den Nutzen einer einmaligen, zeitlich befristeten Vermögensabgabe zum Abbau der Staatsverschuldung vom DIW analysieren. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass ein Gesamtaufkommen von rund 100 Milliarden Euro bei hohen persönlichen Kinder- und Betriebs-Freibeträgen und verträglichen Abgabesätzen machbar ist.

Die Linkspartei will die Gedankenspiele des IWF nun im bevorstehenden Europawahlkampf aufgreifen. „Eine Abgabe für Reiche ist der Königsweg aus der Krise. Die europäische Vermögensabgabe wird im Europawahlprogramm der Linken einen prominenten Platz bekommen“, sagte der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, Handelsblatt Online. „Wir müssen die Riesenreichtümer in den Händen weniger kontrolliert abpumpen und in die Realwirtschaft umleiten.“ Investieren statt Spekulieren laute die Parole.

Riexinger lobte zugleich den Währungsfonds dafür, dass er die Diskussion über eine Vermögenssteuer aufgegriffen habe. „Der IWF hat sich zum Anwalt der Logik gemacht. Kein Schuldenabbau ohne Vermögensschnitt“, sagte der Linke-Chef und fügte hinzu: „Wir werden uns den Vorschlag des IWF genau ansehen.“

Die DIW-Berechnungen für Deutschland aus dem vergangenen Jahr ergaben, dass sich bei einer Abgabe, die ab einem individuellen Vermögen von 250.000 Euro (Ehepaare 500.000 Euro) erhoben wird, eine Bemessungsgrundlage von immerhin 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ergibt. „Ein Zwangskredit oder eine Abgabe in Höhe von zum Beispiel zehn Prozent auf diese Bemessungsgrundlage könnten somit gut neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts mobilisieren – rund 230 Milliarden Euro“, so die Experten. Der Schuldenstand in Deutschland ließe sich damit „ein deutliches Stück näher“ an die 60-Prozent-Grenze nach Maastricht zurückführen. 

Steuerpflichtig wären laut der Expertise die reichsten acht Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Sie müssten dann damit rechnen, dass, wie das DIW vorschlägt, auf die einschlägigen Vermögensarten, also Immobilienvermögen, Geldvermögen und Betriebsvermögen zugegriffen würde. 


Abgabe könnte für Länder wie Griechenland Sinn machen

Die DIW-Experten zeigten sich damals schon überzeugt, dass auf diesem Weg auch in den Krisenländern  erhebliche Einnahmen erzielt werden könnten. Sie rieten allerdings zugleich mit Rücksicht auf die konjunkturelle Entwicklung und die politische Akzeptanz Zwangsanleihen und einmalige Vermögensabgaben in den Krisenländern nur längerfristig und schrittweise umzusetzen. Dann allerdings wären diese „außerordentlichen fiskalischen Instrumente“ auch ein Signal an die Geberländer und die Hilfsfonds, „dass man sich besonders anstrengt“.

Die DIW-Experten räumten in ihrer Studie allerdings auch ein, dass die Erhebung von Zwangsanleihen und einmaligen Vermögensabgaben nicht einfach sei, da die zu belastenden Vermögenswerte ermittelt und im Fall von Finanzvermögen gesichert werden müssten, um Hinterziehung und Kapitalflucht zu unterbinden. Um sogenannte Erhebungskosten zu begrenzen und Härtefälle zu vermeiden, schlagen die Forscher vor, Normalbürger durch höhere Freibeträge von den Abgaben auszunehmen.

Auch bei den Betriebsvermögen müssten wohl Freibeträge gewährt werden, um Liquiditäts- und Finanzierungsproblemen kleinerer Unternehmen Rechnung zu tragen. „Dies dürfte auch die politische Umsetzung deutlich erleichtern“, sind sich die Forscher sicher. Außerdem seien die Vermögen in Deutschland und den anderen Ländern stark auf den sehr wohlhabenden Teil der Bevölkerung konzentriert. Daher bleibe auch dann noch eine „erhebliche Vermögenssubstanz“ übrig.

Von einer Vermögensabgabe für Deutschland ist das DIW jedoch inzwischen nicht mehr überzeugt. Er halte davon wenig, zitiert die FAZ DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Allenfalls für ein Land wie Griechenland könnte eine einmalige Vermögensabgabe prinzipiell Sinn machen, wenn sie durchführbar ist, vielleicht auch für Italien.“ Hierzulande sei sie abzulehnen: „Eine solche Abgabe wäre nur in einer Notsituation sinnvoll, doch in Deutschland gibt es die gegenwärtig nicht. Nach den Prognosen wird es bis 2018 große Überschüsse in den öffentlichen Haushalten geben.“


Reiche zu schröpfen, hat Tradition in Deutschland

Reiche mittels Zwangsanleihen zu schröpfen, die sich am Ende doch als dauerhafte Vermögensabgabe entpuppen, hat indes hierzulande Tradition. Bereits in der Weimarer Republik mussten alle Bürger, die am 1. Januar 1923 über ein Vermögen von mindestens 100.000 Reichsmark verfügten, Staatsanleihen kaufen. Von den ersten 100.000 Mark Vermögen musste ein Prozent in Anleihen gesteckt werden, für größere Vermögen stieg der Satz bis auf zehn Prozent. Die Anleihen sollten von November 1925 an sukzessive zurückgezahlt werden, wurden aber wegen der Hyperinflation wertlos. Die Zwangsanleihe mutierte somit zur Vermögensabgabe.

Von August 1970 bis Juni 1971 forderte die sozialliberale Koalition einen „Konjunkturzuschlag“ von zehn Prozent auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, der zinslos bei der Bundesbank geparkt und von Juni 1972 an zurückgezahlt wurde – ohne Inflationsausgleich. Faktisch handelte es sich also um eine Zwangsanleihe.

Experten halten schon länger Ähnliches auch heute für denkbar. So warnte der Finanzwissenschaftler Bernhard Scherer, schon vor drei Jahren, dass der Staat „dem Bürger in Zukunft Geld wegnehmen wird – etwa über eine Erbschaft- oder Vermögensteuer, Zwangsanleihen oder Inflation“. Der Professor an der EDHEC Business School in London rät Anlegern daher, sich vor Enteignung zu schützen, indem sie ihre Depots auf verschiedene Länder verteilen.

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