Korruptionsverdacht in Pakistan Premier stolpert über Microsoft-Schriftart

Der pakistanische Regierungschef wehrt sich gegen Korruptionsvorwürfe aus den „Panama Papers“. Ein Dokument aus dem Jahr 2006 soll seine Familie entlasten. Doch die verwendete Schriftart entlarvt es offenbar als Fälschung.

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Der 67-jährige Regierungschef galt mit seiner Partei bei den für 2018 geplanten Parlamentswahlen als Favorit. Quelle: AP

Bangkok Große Skandale beginnen oft mit kleinen Details: US-Präsident Richard Nixon wäre vielleicht nicht gestürzt, hätte der Wachmann im Watergate-Gebäude nicht das Stück Klebeband bemerkt, mit dem die Einbrecher die Tür zu den Büros der Demokraten offen hielten. Die CDU-Spendenaffäre kam unter anderem durch kryptische Kalendereinträge des Ex-Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber ans Licht. Für Pakistans langjährigen Premierminister Nawaz Sharif könnte nun ebenfalls eine vermeintliche Kleinigkeit fatale Folgen haben: Eine Schriftart von Microsoft droht den Politiker zu Fall zu bringen.

Der 67-jährige Regierungschef, der mit seiner Partei bei den für 2018 geplanten Parlamentswahlen als Favorit galt, steht seit dem vergangenen Jahr unter Korruptionsverdacht. Die Affäre begann mit der Veröffentlichung der „Panama Papers“, die Verbindungen Prominenter zu Briefkastenfirmen aufdeckten. Sharif tauchte darin zwar nicht persönlich auf – jedoch seine Familie. Diese soll über ein Firmengeflecht in Steueroasen Millionenbeträge aus dubiosen Quellen in Londoner Luxusimmobilien investiert haben. Sharifs Gegner legen nahe, dass es sich um Gelder aus korrupten Geschäften handelt. Sharif und seine Familie bestreiten jegliches Fehlverhalten – doch der Schriftenskandal bringt erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des einflussreichen Clans.

Aufgedeckt wurde die „Fontgate“-Affäre von einem Ermittlungsteam, das von Pakistans Oberstem Gericht auf den Fall angesetzt wurde. Die Sechs-Personen-Einheit JIT hatte die Aufgabe mögliche Belege für korruptes Verhalten des Regierungschefs und seiner Angehörigen zu finden, über das seit der „Panama Papers“-Veröffentlichung spekuliert wurde. Diese Woche legte das Team seinen Abschlussbericht vor – mit einem für den Premier desaströsen Ergebnis: Die Erklärung für die Herkunft des Familienvermögens habe signifikante Lücken, urteilt der JIT-Bericht. Von einem wahrscheinlichen Versuch der Geldwäsche ist die Rede. Zudem hätten Sharifs Angehörige offenbar gefälschte Dokumente vorgelegt. Die Empfehlung der Ermittler an das Gericht lautete, ein Korruptionsverfahren gegen den Premier, seine zwei Söhne und seine Tochter zu eröffnen.

Die mutmaßlich gefälschten Dokumente identifizierte das Ermittlerteam mit Hilfe britischer Forensiker: Ein zentrales Schreiben, das die Sharif-Familie zu ihrer Verteidigung anführte, war auf Februar 2006 datiert. Verfasst wurde es in der Schriftart Calibri, die vor einigen Jahren in den Microsoft-Office-Anwendungen Times New Roman als Standardschrift ablöste. Doch offiziell auf den Markt kam sie erst 2007, zuvor kursierte von ihr lediglich eine Betaversion im Netz. Die pakistanischen Ermittler und IT-Experten sind sich einig: Dass Calibri bereits Anfang 2006 in offiziellen pakistanischen Dokumenten verwendet wurde, ist so unwahrscheinlich, dass diese Option eigentlich auszuschließen ist. Die logische Folge: Das Dokument, das die Sharifs entlasten sollte, ist so gut wie sicher nicht echt.

Die angebliche Vereinbarung von 2006 sollte darlegen, dass Sharifs Tochter, Maryam Nawaz, nicht die Besitzerin der umstrittenen Londoner Immobilien ist, sondern lediglich eine Treuhänderin. Die Ermittlungskommission in Pakistan ist sich nun jedoch sicher: Maryam Nawaz ist die wahre Nutznießerin der Wohnungen, die von ihr unterschriebenen Dokumente sollten das verschleiern. Die 43-Jährige, die lange als mögliche Nachfolgerin ihres Vaters gehandelt wurde, steht mit ihren politischen Ambitionen nun vor einem Scherbenhaufen.

Auch ihrem Vater, der bis zu einem Militärputsch bereits in den 90er Jahren zwei Amtszeiten als Premierminister absolvierte, geben Beobachter kaum noch Chancen, den Skandal zu überstehen. Die Rücktrittsrufe der Opposition werden immer lauter: „Nawaz Sharif hat das Land, das Parlament und das Oberste Gericht belogen“, sagte der frühere Cricket-Star und Oppositionsführer Imran Khan. Er fügte hinzu: „Der Rücktritt wird nicht reichen, das nächste Zuhause der Sharif-Familie wird das Gefängnis sein.“ Sharif selbst wies die Vorwürfe am Donnerstag entschieden zurück: Der Untersuchungsbericht sei reine Verleumdung. Er basiere nur auf Anschuldigungen und Vermutungen.

Pakistans Höchstgericht wird sich am Montag erneut mit dem Fall befassen. Nawaz Sharif kann dann seine Sicht der Dinge einbringen. Sollte er die Vorwürfe der Ermittlungskommission nicht entkräften können, droht ihm ein Amtsenthebungsverfahren. Angesichts des Schriftartenskandals bemühen seine Gegner bereits reihenweise ein typografisches Wortspiel: Pakistan sei nun bald Sans Sharif.

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