Kreml-Chef im TV Das Putin-Spektakel vom Donnerstag

Der Kreml-Chef stellt sich im TV den Fragen der Bürger. Und Wladimir Putin erklärt, beschwichtigt, beschwört. Viele Pluspunkte lassen sich mit innenpolitischen Themen nicht sammeln. Doch einige Bonmots hat er im Ärmel.

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Der russische Präsident Wladimir Putin bei seinem Fernsehauftritt: „Wer beschlossen hat, unterzugehen, der ist nicht zu retten.“ Quelle: AP

Moskau Bei der 14. Auflage des „direkten Drahts“, einer mehrstündigen Fernsehaudienz des russischen Präsidenten, gönnten die Organisatoren Wladimir Putin diesmal keine Aufwärmphase. Statt die Fragestunde mit ein paar optimistischen Statistiken einzuleiten, musste der Kremlchef diesmal gleich auf eine Frage über die schlechten Straßen antworten – ein Problem, das in Russland länger besteht, als selbst Putin im Amt ist. Eine konkrete Lösung hatte der Präsident auch in diesem Jahr nicht im Ärmel, er musste sogar eingestehen, dass wegen der aktuellen Geldnot sowohl die Regionen, als auch sein eigenes Finanzministerium die für den Straßenbau gedachten Mittel zweckentfremden.

Die wirtschaftliche Krise, das wurde schnell deutlich, ist in Russland noch länger nicht vorüber. Die Phase, die das Land durchlaufe, bezeichnete Putin als „grau“, nun immerhin nicht schwarz, wie er betonte. Doch die Rezession wird nun auch nach Einschätzung des Kremls in diesem Jahr noch anhalten. Nach einem BIP-Einbruch von 3,7 Prozent im Vorjahr rechnet Putin für 2016 mit einem Minus von 0,3 Prozent – immer noch deutlich optimistischer als IWF (Minus 1,8 Prozent) und Weltbank (Minus 1,9 Prozent). Im nächsten Jahr soll es dafür wieder aufwärts gehen, versprach er.

Die Probleme der Russen sind vielschichtig. Einige Fragesteller beklagten sich über ausbleibende Gehälter, andere über teure Medikamente und Lebensmittel, wieder andere über die steigenden Miettarife. Putin erklärte, beschwichtigte, beschwor, doch viele Pluspunkte lassen sich derzeit mit innenpolitischen Themen – abgesehen vom breit beleuchteten Bau einer milliardenschweren Brücke auf die Krim – nicht sammeln.

Dafür glänzte Putin in den Augen seiner Landsleute einmal mehr mit Bonmots zu außenpolitischen Themen. Auf die Frage, wen er zuerst aus dem Wasser retten würde – den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko oder den türkischen Staatschef Recep Erdogan – beide erklärtermaßen keine engen Freunde Putins – entgegnete der Kremlchef: „Wer beschlossen hat, unterzugehen, der ist nicht zu retten.“

Kiew warf er vor, das Minsker Abkommen nicht einzuhalten. Zugleich machte er klar, dass es kein schnelles Ende der Sanktionen gegen die Türkei geben wird. Russland habe auf den Affront reagieren müssen, „sonst würden sie uns auf der Nase herumtanzen“, rechtfertigte Putin die Maßnahme. „Wir halten die Türkei für einen Freund“, doch die Führungsspitze dort handle nicht adäquat, kooperiere eher mit Terroristen, als dass sie sie bekämpfe und daher sei es fraglich, dass sie russischen Touristen Sicherheit gewähren könnte, sprach sich Putin gegen eine Aufhebung des Urlaubsverbots dort aus.


Die Tonart gegenüber dem Westen? Gemäßigt

Die Weiterführung von Sanktionen gegenüber der EU machte der russische Präsident von der Position in Brüssel abhängig. Sollte die EU ihre Sanktionen verlängern, wovon er ausgehe, werde Russland das auch tun, versicherte er.
Insgesamt war die Tonart gegenüber dem Westen im Vergleich zu früheren Jahren gemäßigt. Lediglich bei der Erwähnung des Skandals um die Panama Papers wurde Putin etwas emotionaler. Die Vorwürfe gegen seinen langjährigen Freund Sergej Roldugin bezeichnete er als absurd, da dieser das gesamte Geld für den Kauf teurer Musikinstrumente ausgegeben habe. Putin sprach dabei von zwei Geigen und zwei Cellos. Dass auf den Konten zwei Milliarden Dollar Umsätze eingingen, erwähnte er nicht.
Eine gerichtliche Verfolgung der westlichen Medien, wie von einem Fragesteller gefordert, sei zwar nicht möglich, weil diese „formal richtig“ berichtet hätten. Trotzdem erging sich der Kremlchef in Vorwürfen einer gesteuerten Berichterstattung, speziell gegen die „Süddeutsche Zeitung“, die er beschuldigte, als Sprachrohr der amerikanischen Bank Goldman Sachs zu dienen. Je näher die Parlamentswahl im Herbst rückten, desto mehr Pressekampagnen würden aus dem Westen gegen ihn gestartet, prognostizierte er.

Seinen Auftritt nutzte er zugleich, um noch einmal für die Kremlpartei „Einiges Russland“ zu werben, die er als „stabilisierendes Element“ des politischen Systems in Russland bezeichnete. Die Unterstützung Putins ist für die Partei, der offiziell nun Premier Dmitri Medwedew vorsteht, äußerst wertvoll. Ihre eigenen Umfragewerte fallen, Putins Popularität hingegen ist stabil.
Für die Beliebtheit des Kremlchefs ist die TV-Fragestunde durchaus mitverantwortlich: Die Leichtigkeit, mit der Putin scheinbar aus dem Stegreif mit Zahlen jongliert oder Detailwissen präsentiert, hat großen Anteil an seiner Popularität bei den Russen und deren Vertrauen in seine Kompetenz.

Natürlich ist das Spektakel beileibe keine ad-hoc-Veranstaltung, sondern wird bis ins Detail vorbereitet. Laut seinem Pressesprecher Dmitri Peskow übte Putin in diesem Jahr zwei Tage lang. Laut Medienberichten wurden aber auch die Fragesteller – zumindest die Studiogäste – in einem Moskauer Vorort-Sanatorium instruiert.

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