Mariupol-Angriff Westen gibt Russland eine Mitschuld

Mehr als 30 Zivilisten sind bei dem Angriff auf Mariupol ums Leben gekommen. In der Ukraine wurde Staatstrauer ausgerufen. US-Präsident Obama will den Druck auf Russland erhöhen. Werden die Sanktionen verschärft?

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Kerze in Kiew: Für diesen Sonntag hat die ukrainische Führung die Staatstrauer ausgerufen. Quelle: ap

Kiew Nach dem Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Mariupol mit über 30 Toten haben die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen einen neuen Tiefpunkt erreicht. US-Präsident Barack Obama machte am Sonntag bei einem Besuch in Indien die Führung in Moskau für den jüngsten Bruch des Waffenstillstands mitverantwortlich. Die USA würden alle Optionen - außer einem militärischen Eingreifen - prüfen, um den Druck auf Russland zu erhöhen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, die Europäische Union müsse ihre Politik auf der Basis „kalter Tatsachen und nicht von Illusionen“ verschärfen. Russland blockierte am Samstag eine Erklärung des Uno-Sicherheitsrates, in der die prorussischen Rebellen für die Welle der Gewalt verantwortlich gemacht werden. Nach Angaben der Nato wird ihre Offensive von russischen Truppen mit modernem Kriegsgerät wie Drohnen und Raketenwerfern unterstützt.

Bei dem Raketenbeschuss eines Wohngebietes in Mariupol kamen am Samstag nach Angaben der ukrainischen Behörden mindestens 30 Menschen ums Leben, mehr als 80 wurden verletzt. Für die Tat machen Nato und Ukraine die Separatisten um ihren Chef Alexander Sachartschenko verantwortlich. Die Hafenstadt liegt etwa 100 Kilometer südlich der Industriestadt Donezk und 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Der strategisch wichtige Ort liegt zwischen Russland und der von Russland annektierten Krim. Sie wird nicht von Separatisten kontrolliert.

Die russische Nachrichtenagentur RIA zitierte Sachartschenko mit den Worten, es sei eine Offensive auf Mariupol gestartet worden. Bei einer Trauerfeier in Donezk sagte er demnach, die Stadt werde „das bestmögliche Denkmal für unsere Toten sein“.

Obama sagte in Neu-Delhi, die USA würden den bisherigen Ansatz weiterverfolgen, den Druck auf Russland zu erhöhen. Die Separatisten würden von Moskau ausgerüstet, finanziert, ausgebildet und durch Truppen unterstützt. „Ich habe klar gemacht, dass es für uns nicht zielführend wäre, wenn wir uns in einen militärischen Konflikt mit Russland begeben. Aber wir können der Ukraine dabei helfen, ihr Staatsgebiet zu kontrollieren.“

Tusk erklärte auf Twitter, erneut habe eine Politik der Beschwichtigung den Aggressor zu mehr Gewalt ermutigt. Mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko habe er darüber gesprochen, was die internationale Gemeinschaft angesichts der zunehmenden Gewalt tun sollte. Lettland, das den Vorsitz im Rat der EU innehat, regte ein außerordentliches Treffen der EU-Außenminister an, um über die Lage zu beraten.


Rebellenchef will weiter vorrücken

Russland hat wiederholt dementiert, mit eigenen Soldaten im Osten der Ukraine vertreten zu sein. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte dagegen, die Rebellen würden von russischen Einheiten mit Luftabwehr-Systemen, Drohnen und modernen Raketenwerfern sowie elektronischer Kriegsführung unterstützt. Die Kämpfe in der Ostukraine hätten drastisch zugenommen.

Es gebe Hinweise auf eine großangelegte Offensive gegen mehrere Orte in den Bezirken Luhansk und Donezk sowie gegen Mariupol. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte den Angriff auf Mariupol. Russland müsse seinen Einfluss auf die Rebellen nutzen und jede Form von Unterstützung stoppen.

Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon warf den Rebellen vor, weitere Gebiete einnehmen zu wollen. Allerdings blockierte Russland im Sicherheitsrat einen Entwurf Großbritanniens, in dem die jüngsten Äußerungen von Rebellenführern verurteilt werden. Die Nachrichtenagentur Interfax zitierte Sachartschenko mit der Ankündigung, in Kürze auf weitere Städte vorrücken zu wollen.

Deutsche Politiker sprachen sich parteiübergreifend für schärfere EU-Sanktionen gegen Russland aus. Die beiden CDU-Außenexperten Karl-Georg Wellmann und Elisabeth Motschmann forderten eine entschlossene Antwort. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte der Nachrichtenagentur Reuters, genauso wie die Aufhebung der Sanktionen bei einer Deeskalation erfolgen müsse, dürfe die EU auch die aktuelle Eskalation nicht unbeantwortet lassen. „Das bedeutet, dass über neue Sanktionen beraten werden muss, auch wenn sie für alle schmerzhaft sind.“ SPD-Fraktionsvizechef Rolf Mützenich machte eine Entscheidung vom Bericht der OSZE-Beobachter abhängig.

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