Marokko Ansturm auf spanische Enklave

In der Nacht zum Montag sind erneut 350 Menschen in die spanische Enklave Ceuta gelangt, bereits am vergangenen Freitag schafften das 500 nach einem Massenansturm – womöglich, weil Marokko die Muskeln spielen lässt.

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Binnen drei Tagen konnten in der spanischen Enklave Ceuta in Marrokko fast so viele Immigranten den Grenzzaun überwinden wie im gesamten vergangenen Jahr. Quelle: Reuters

Madrid Die beiden spanischen Enklaven in Marokko, Ceuta und Melilla, sind für Emigranten die einzige Option, von Afrika nach Europa zu gelangen ohne den gefährlichen Weg über das Meer anzutreten. Spanien hat sie deshalb mit sechs Meter hohen doppelten Zäunen samt Stacheldraht, Infrarotkameras und Bewegungsmeldern gesichert. In den vergangenen Jahren ist es Madrid im Schulterschluss mit Marokko stets gelungen, die Enklaven zu sichern: 2016 etwa überwanden nach Angaben der spanischen Polizei Guardia Civil gerade einmal 1.185 Personen einen der beiden Zäune.

Doch in der Nacht zum Montag schaffen es 350 Menschen über den Zaun in Ceuta, am vergangenen Freitag waren nach einem Massenansturm von 1.000 Afrikanern 500 über den Zaun gelangt. Spanische Medien erklären den Erfolg vom Freitag damit, dass die Emigranten die Zäune in einer sehr koordinierten Aktion von mehreren Stellen aus gleichzeitig erklommen hätten. Die Grenzschützer hätten deshalb nicht überall eingreifen können.

In der Nacht zum heutigen Montag sei es sehr regnerisch und windig gewesen. Der starke Wind habe dafür gesorgt, dass die Sensoren des Zauns ständig Alarm geschlagen hätten, so dass unklar gewesen sei, an welcher Stelle des acht Kilometer langen Zauns der Alarm tatsächlich durch Menschen aktiviert worden sei. Auch das habe die Arbeit der Grenzschützer erschwert. Nach den beiden Massenanstürmen befinden sich derzeit laut spanischen Medien 1.400 Menschen im Aufnahmezentrum in Ceuta, das damit aus allen Nähten platzt, weil es nur Plätze für 512 Menschen hat.

Es überrascht, dass innerhalb von drei Tagen fast so viele Immigranten den Zaun überwinden konnten wie im gesamten vergangenen Jahr. Spanien arbeitet bei der Kontrolle der Enklaven eng mit Marokko zusammen. Spanische Grenzbeamte können kilometerweit auf marokkanisches Gebiet gucken. Wenn Sie sehen, dass sich eine Gruppe auf den Weg zum Zaun macht, informieren sie ihre marokkanischen Kollegen, die die Migranten dann von der EU-Grenze fern halten.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass politische Gründe eine Rolle bei der massenhaften Grenzüberwindung gespielt haben. Die spanische Online-Zeitung El Confidencial schrieb am Samstag: „Rabat zeigt, dass seine Drohung in Bezug auf die Migration ernst ist“. Sie bezieht sich damit auf Kommentare des marokkanischen Landwirtschaftsministers  Aziz Akhannouch im Streit über das Handelsabkommen zwischen Marokko und der Europäischen Union.

Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember entschieden, dass sich das Abkommen nicht auf Produkte bezieht, die aus der Westsahara stammen. Marokko hat das Territorium annektiert, international ist der Status aber umstritten.

Anfang Februar hatte Akhannouch auf die Rolle Marokkos als „Gendarm“ bei der Grenzsicherung hingewiesen und in einem Interview gesagt: „Wie wollt ihr (Europäer), dass wir dafür sorgen, die afrikanische und sogar die marokkanische Emigration zu blockieren, wenn ihr heute nicht mit uns zusammenarbeiten wollt?“ In Madrid wird schon länger geunkt, Marokko lasse bei Verstimmungen schon mal Flüchtlinge über die Zäune, um seine Macht zu demonstrieren. Marokko hat am Freitag in einer offiziellen Stellungnahme erklärt, man habe 250 Emigranten daran gehindert, über den Zaun zu gelangen – die 500, die es geschafft hatten, wurden jedoch nicht erwähnt.

Die spanische Regierung nahm noch am Freitag die marokkanischen Behörden in Schutz. Der Staatsminister für Sicherheit José Antonio Nieto, der am Freitag nach Marokko gereist war, um sich ein Bild von der Lage zu machen, erklärte anschließend: „Ich kann Marokko keinen Vorwurf machen. Sie haben sicher alles Mögliche getan und der Sprung (über Zaun) von heute ließ sich nicht verhindern.“

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