Nach Krim-Annexion Janukowitsch ruft zu weiteren Referenden auf

Die Angst, Russland könnte nach weiteren Teilen der Ukraine greifen, wächst: Ex-Präsident Janukowitsch fordert Referenden im ganzen Land zur Angliederung von Regionen an Russland. Auch Kiew kommt nicht zur Ruhe.

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Ziehen an einem Strang: Russlands Staatschef Wladimir Putin (lins) und der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch. Quelle: dpa

Kiew/Moskau Nach dem Referendum über die Angliederung der Krim an Russland hat der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch zu Volksabstimmungen in allen ukrainischen Regionen aufgerufen. „Als Präsident rufe ich jeden vernünftigen ukrainischen Bürger auf: Lassen Sie sich von den Betrügern nicht benutzen! Sie brauchen ein Referendum über den Status jeder Region in der Ukraine!", zitierte die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS Janukowitsch am Freitag.

Russland hatte sich ungeachtet internationaler Proteste die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel in den vergangenen Wochen nach einer dort abgehaltenen Volksabstimmung einverleibt. Die USA und die Europäische Union kritisieren das Vorgehen als völkerrechtswidrig und verhängten erste Sanktionen gegen Russland.

Seither wächst die Sorge, dass sich Moskau nicht mit der Krim zufrieden geben könnte. Nach US-Quellen sind derzeit bis zu 30.000 russische Soldaten an die Westgrenze Russlands verlegt, ukrainische Quellen sprechen von einem Vielfachen.

Die UN-Vollversammlung hatte am Donnerstag die Annexion der Krim scharf verurteilt und eine Zugehörigkeit zu Russland als „ungültig" bezeichnet. Russland reagierte nun ebenfalls mit deutlichen Worten: Die Resolution der UN-Vollversammlung mit der Verurteilung der Angliederung der Krim an Russland sei „kontraproduktiv".

Der Beschluss werde „die Beilegung der politischen Krise in der Ukraine erschweren", erklärte das russische Außenministerium am Freitag. Die nicht bindende Resolution sei eine "parteiische Interpretation" der Vorgänge in der Ukraine.

Die Sowjetunion hatte die Krim unter Nikita Chruschtschow im Jahr 1954 der ukrainischen Sowjetrepublik zugeschlagen. Mehrere westliche Staaten, darunter Deutschland, hatten die Resolution in die UN-Vollversammlung mit eingebracht. Der Text ähnelt einem Entwurf, der Mitte März im UN-Sicherheitsrat an einem Veto Russlands gescheitert war. In der Vollversammlung der Uno kann Moskau Entscheidungen nicht blockieren, die Entschließungen des Gremiums entfalten aber anders als Resolutionen des Sicherheitsrats keine völkerrechtlich bindende Wirkung.

Auch Kiew kommt nicht zur Ruhe. Grund sind die massiven Einschnitte – Massenentlassungen, Steuererhöhungen und Subventionskürzungen – die das ukrainische Parlament am Donnerstag beschlossen hatte, um den Weg frei zu machen für die Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds (IWF).

„Wir haben keine Wahl", sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk nach der ersten von zwei nötigen Abstimmungen im Parlament. „Entweder werden diese Maßnahmen getroffen, oder die Ukraine geht pleite.“ Zu den Reformplänen gehören unter anderem der Abbau von rund 24.000 Stellen in der Verwaltung, Steuererhöhungen für Reiche sowie der Wegfall von Subventionen.

Die Reformen sind eine Voraussetzung für Hilfskredite, der IWF hatte entsprechende Maßnahmen angemahnt. Geplant ist ein IWF-Kredit in Höhe von umgerechnet bis zu 13 Milliarden Euro.

Die Ukraine ist dringend auf Zuwendungen angewiesen. Jazenjuk zufolge kündigte auch die Europäische Union Hilfszahlungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an. Die USA stellten eine Milliarde Dollar in Aussicht, Japan 1,5 Milliarden Dollar. Im US-Kongress stimmten Senat und Repräsentantenhaus mit großen Mehrheiten für unterschiedliche Gesetzentwürfe zu den Hilfen, die nun zusammengeführt werden müssen.

Vor dem Parlament in Kiew forderten rund tausend Rechtsextreme am Donnerstagabend die Abgeordneten unterdessen auf, den Rücktritt des Innenministers zu erzwingen. Sie protestierten gegen die Tötung eines nationalistischen Paramilitärs, der einer ihrer Anführer war.

Nachdem einige der Anhänger des Prawy Sektor (Rechter Sektor) Scheiben eingeworfen und mit der Erstürmung des Gebäudes gedroht hatten, zog sich die Menge dann wieder zurück und vertagte ihren Protest auf Freitagmorgen, wenn das Parlament seine Sitzung wieder eröffnet.

Am Montag war ein Regionalchef der rechtsextremen Bewegung bei einem Schusswechsel mit Elite-Polizisten getötet worden, die ihn im westlich gelegenen Riwne festnehmen wollten. Nach offizieller Darstellung hatte Olexander Musitschko, der wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zur Fahndung ausgeschrieben war, zuerst das Feuer auf die Sicherheitskräfte eröffnet. Die tödliche Kugel stammte demnach aus seiner eigenen Waffe.

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