Nach Referendum Irak erhöht den Druck auf Kurden

Die irakische Armee erhöht den Druck auf die kurdische Autonomieregion. Bei einer Militäroperation in der ölreichen Region Kirkuk hat Bagdad wichtige Orte zurückerobert, darunter Ölförderanlagen und Industriegebiete.

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Das Militär will strittige Gebiete wie Kirkuk von den Kurden zurückerobern. Quelle: Reuters

Istanbul Die Fotos zeigen ausschließlich fröhliche Soldaten. Am Montag hat das irakische Militär eine Offensive auf die irakische Region Kirkuk gestartet. „Unsere Elite-Antiterror-Einheiten sind erfolgreich in K-1 eingedrungen“, hieß es in einem Statement der irakischen Zentralregierung in Bagdad. Mit „K-1“ ist eine Militärbasis des Bagdader Militärs gemeint, die seit 2014 von kurdischen Peschmerga-Kräften kontrolliert worden war.

Den Fotos zufolge ist bei der Konfrontation mit den Peschmerga-Kräften kein Blut geflossen – noch nicht. Denn Bagdad macht nun Ernst mit der kurdischen Autonomieregion (KRG) im Norden des Landes, die Ende September ein erfolgreiches Unabhängigkeitsreferendum abgehalten hat. In der Folge will die KRG bald ihre Unabhängigkeit ausrufen. Dabei handelt es sich vor allem um die 2005 vom Irak anerkannt Region Kurdistan, in der die Stadt Erbil liegt. Der Konflikt dreht sich um Gebiete wie Kirkuk, in denen aber neben Kurden auch Araber und Turkmenen leben. Sie gehören nicht zur Autonomieregion, werden aber von Milizen der Kurden kontrolliert.

Klar ist, dass das zentralirakische Militär bislang nicht in Gebiete vorgedrungen ist, die ganz offiziell zur KRG gehören, sondern nur in solche, die – ohne gesetzliche Grundlage – von ihr besetzt werden. Im Sommer 2014 hatten die Kurden die Kontrolle über Kirkuk übernommen. Anlass waren IS-Milizen, die damals in die Region vorgedrungen waren und das zentralirakische Militär zum Rückzug zwangen.

Kirkuk ist eine besonders ölreiche Region. Es gibt seit langem Streit um die Einnahmen aus dem einträglichen Geschäft; auch in anderen Gebieten, die wie Kirkuk nicht zur KRG gehören, aber von den eigenen Milizen der Kurden kontrolliert werden. Das irakische Innenministerium erklärte am Montag, die staatlichen Einheiten hätten ein Kraftwerk, Polizeistellen sowie Industriegebiete zurückerobert. Dazu zählen nach Angaben des irakischen Militärs auch Öl- und Gasverarbeitende Unternehmen.

Die Zentralregierung akzeptiert den Wunsch nach Unabhängigkeit der Kurden nicht. Deshalb hat sie gemeinsam mit den Anrainerstaaten Türkei und Iran angefangen, die KRG nach und nach zu isolieren, etwa mit Grenzschließungen und einem Ende des Flugbetriebs in die Region. Auch die USA und die Bundesregierung dulden das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak bislang nicht.

Während Bagdad offenbar klarmachen will, dass die Konfrontation mit den Kurden friedlich abläuft, berichtete der Sicherheitsrat der Kurdenregion am Montag von einem „nicht provozierten Angriff“ südlich von Kirkuk. Bei Gefechten hat es laut einem kurdischen General zahlreiche Opfer gegeben. Im Gegenzug hätten kurdische Peschmerga-Kräfte mindestens fünf Militärfahrzeuge des zentralirakischen Militärs zerstört. Unabhängige Berichte liegen bislang nicht vor.

Die Kurden halten dagegen: Die irakischen Truppen hätten Häuser niedergebrannt und viele Menschen getötet, berichtete ein Sprecher der kurdischen Streitkräfte der Nachrichtenagentur AP. Das staatliche irakische Fernsehen versuchte derweil klarzumachen, dass das Bagdader Militär ohne Widerstand in das Stadtgebiet Kirkuks eingedrungen sei. Offenbar geht es der Zentralregierung auch weniger um einen offenen Kampf: Der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi habe laut irakischem Staatsfernsehen die Regierungstruppen angewiesen, „in der Stadt in Zusammenarbeit mit den Bewohnern und den Peschmerga Sicherheit herzustellen“.

Der Finanzmarkt reagiert bereits: Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge stieg der Preis für Crude-Öl bereits vergangene Woche um 2,8 Prozent und am Montag nochmals um 1,3 Prozent. Alleine aus der Region Kirkuk würden Bloomberg zufolge 600.000 Barrel Öl pro Tag exportiert.

Das Beratungsunternehmen Eurasia Group schätzt, dass 450.000 Barrel davon täglich auf der Strecke bleiben könnten, sollte das irakische Militär tatsächlich wieder die Kontrolle in der umstrittenen Region übernehmen. Grund dafür ist, dass es dauert, die Pipelines in dem ölreichen Gebiet um Kirkuk mit eigenen Leuten wieder ans Laufen zu bringen. Schließlich sind diese eng verbunden mit den Pipelines, die durch Kurdengebiet in die Türkei gehen. Die Zentralregierung in Bagdad müsste zunächst einen Deal mit den Kurden eingehen, um die Einnahmen aufzuteilen.

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