Nach U-Bahn-Anschlag Polizei nimmt in London Verdächtigen fest

Die britische Polizei hat im Zusammenhang mit dem Londoner U-Bahn-Anschlag vom Freitag einen Verdächtigen festgenommen. Zudem nahmen die Sicherheitskräfte die Grafschaft Surrey ins Visier.

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Ein bewaffneter Polizist steht am 15.09.2017 in der Nähe der U-Bahn Station Parsons Green in London (Großbritannien), wo es eine Explosion gegeben hat. In einem voll besetzten U-Bahn-Waggon in London hat es nach Medienberichten eine Explosion gegeben. Die Behörden gehen von einem Terroranschlag aus. (zu dpa «Explosion in Londoner U-Bahn: Polizei spricht von Terror» vom 15.09.2017) Foto: Frank Augstein/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

London Bei der Fahndung nach den Hintermännern des Bombenanschlags in der Londoner U-Bahn hat die Polizei am Samstag einen 18-Jährigen festgenommen. Der Mann sei am Morgen in der Hafengegend von Dover aufgegriffen worden, teilte die Polizei in London mit. Von dort starten Passagier-Fähren nach Frankreich. Der Verdächtige bleibe zunächst auf der Polizeistation vor Ort in Gewahrsam und solle später nach London gebracht werden. Die Terror-Ermittler bezeichneten die Festnahme, die unter dem Antiterrorgesetz erfolgt sei, als „bedeutenden“ Schritt. Dennoch würden die Ermittlungen fortgesetzt und die Bedrohungslage weiter als „kritisch“ eingestuft. Die Beibehaltung der höchsten Terrorwarnstufe deutet darauf hin, dass die Behörden einen weiteren Anschlag befürchten.

Am Samstagnachmittag durchsuchten die britischen Sicherheitskräften im Süden des Landes ein Gebäude. Aus Sicherheitsgründen seien umliegende Häuser evakuiert worden, teilte die Polizei mit. Die Aktion in der Grafschaft Surrey hänge mit dem Anschlag auf die Londoner U-Bahn am Freitag sowie der Festnahme eines Verdächtigen am Samstagmorgen zusammen. Surrey grenzt im Südwesten an den Großraum London.

Zuvor war in London zur Unterstützung der Polizei ein Großaufgebot an Soldaten eingesetzt worden, die in den Straßen der britischen Metropole patrouillierten. Das Militär soll an bestimmten besonders geschützten Orten Wachdienste von Polizeibeamten übernehmen, sagte Premierministerin Theresa May in einer Fernsehansprache. Zudem würden in Zügen und auf den Straßen künftig mehr bewaffnete Polizisten zu sehen sein. „Das ist ein angemessener und vernünftiger Schritt, der für mehr Sicherheit und Schutz sorgen wird, während die Ermittlungen vorankommen.

Zu dem Anschlag, bei dem 29 Menschen verletzt wurden, hatte sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt. Eine Anti-Terror-Taskforce warnte, dass ein weiterer Anschlag unmittelbar bevorstehen könnte. Premierministerin Theresa May hob daraufhin die Terrorwarnstufe auf die höchste Stufe an. Damit kann das Militär zum Schutz öffentlicher Gebäude und Plätze herangezogen werden.

Die Terrormiliz Islamischer Staat erklärte, die Explosion sei von einer mit ihr verbündeten Einheit verübt worden. May sagte, der am Freitag in einem Waggon der District Line explodierte Sprengsatz sei darauf ausgelegt gewesen, erheblichen Schaden zu verursachen. Er befand sich in einem Plastikeimer, getarnt mit einer Einkaufstasche.

Die Bombe ging den Ermittlern zufolge nicht mit voller Wucht hoch. Keiner der Verletzten war in einem ernsten Zustand. US-Präsident Donald Trump hatte den oder die Attentäter als „Versager-Terroristen“ bezeichnet und der britischen Polizei vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen Verdächtige vorzugehen.

Trump drückte May in einem Telefonat sein Mitgefühl aus, wiederholte aber seine zuvor per Twitter formulierte Kritik, die Polizei habe die „kranken und verrückten“ Menschen in Sichtweite gehabt und hätte proaktiv handeln müssen. May erwiderte, sie halte Spekulationen über die Täter für nicht hilfreich.

Die Antiterroreinheit der Polizei übernahm die Ermittlungen. Hunderte Detektive sicherten Spuren, befragten Zeugen und überprüften die Aufnahmen von Sicherheitskameras.


Fünfter Anschlag in diesem Jahr

London war in jüngster Zeit mehrfach Ziel von Terrorangriffen. So gab es tödliche Attacken mit Fahrzeugen auf der London Bridge und nahe einer Moschee. Die U-Bahn wurde im Juli 2005 von Selbstmordattentätern angegriffen, die auch einen Bus ins Visier nahmen und insgesamt 52 Menschen mit in den Tod rissen. Im vergangenen Jahr deponierte ein Student einen Rucksack mit Sprengstoff und Kugeln in einem U-Bahnzug. Die Bombe explodierte aber nicht.

Am Freitag explodierte die Bombe in London gegen 08.20 Uhr mitten im morgendlichen Berufsverkehr. Die Station Parsons Green liegt im westlichen Zentrum der Millionenmetropole, nahe dem Stadion des Fußballclubs FC Chelsea. Augenzeugen berichteten von einem lauten Knall und einer „Feuerwand“ beziehungsweise einem „Feuerball“ in der Bahn.

Großbritannien ist damit bereits zum fünften Mal in diesem Jahr Ziel eines Anschlags geworden. Bei vier früheren Anschlägen in London und Manchester in diesem Jahr waren insgesamt 36 Menschen ums Leben gekommen, drei der Attacken gingen auf das Konto von Islamisten.

Die höchste Terrorwarnstufe war zuletzt im Mai nach einem Bombenattentat auf die Besucher eines Konzerts in Manchester ausgerufen worden. Dort waren 22 Menschen getötet worden.

Im März war ein Attentäter auf der Londoner Westminster-Brücke mit einem Auto gezielt in Fußgänger gerast, bevor er einen Polizisten auf dem Gelände des Parlaments niederstach. Fünf Menschen starben. Acht Menschen kamen bei einem Angriff auf das Londoner Ausgehviertel Borough Market und die London-Bridge ums Leben. Ein Mann starb bei einem Angriff auf Moscheebesucher Ende Juni in London.

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