Österreich Warten auf den großen Wurf in Wien

Die „Zwangsehe“ wird fortgesetzt: Eine große Koalition aus SPÖ und ÖVP wird Österreich in den nächsten Jahren regieren – wie in bisher 40 von 68 Nachkriegsjahren. Die Erwartungen an die Regierung sind hoch.

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Vizekanzler Michael Spindelegger (L) und Kanzler Werner Faymann: Die sozialdemokratische SPÖ und die christdemokratische ÖVP haben sich nach einer Marathonsitzung für eine Neuauflage ihrer Koalition entschieden. Quelle: dpa

Wien Zuletzt ging es ganz schnell. War es die Sorge, eine gemeinsame Regierungsarbeit ausgerechnet am Freitag, dem 13., beginnen zu lassen? Jedenfalls haben sich in Österreich die sozialdemokratische SPÖ und die christdemokratische ÖVP dank einer Marathonsitzung noch am Donnerstag für eine Neuauflage ihrer Koalition entschieden.

Experten sind skeptisch, ob diese politische Verbindung unter einem günstigen Stern steht. „Das ist schon längst eine Zwangsehe, das ist auch keine Vernunftehe mehr“, sagt der Politikberater Thomas Hofer. Der Klebstoff der Zusammenarbeit sei die Alternativlosigkeit - und der Erfolg der rechten FPÖ, die inzwischen laut Umfragen die populärste Kraft in der Alpenrepublik ist.

Umso mehr muss die große Koalition, das Standard-Modell einer Regierung in der Alpenrepublik, angesichts einer lahmenden Wirtschaft und großer Finanzprobleme erhebliche Erwartungen erfüllen. „Bloß nicht weiter so“, hieß das selbstkritische und selbstauferlegte Motto zu Beginn der siebenwöchigen Koalitionsverhandlungen. Was genau herausgekommen ist, wollten SPÖ und ÖVP am Donnerstag noch nicht verraten. Beobachter gehen eher von kleinen Schritten als von einem großen Wurf aus.

So müssen sich die 8,5 Millionen Bürger zwischen Bregenz und Wien auf höhere Steuern fürs Rauchen, für Sekt und beim Autokauf einstellen. Andererseits können sich Familien wohl auf eine Anhebung des Kindergelds freuen. Die für die SPÖ brisante Frage von weiteren Privatisierungen - bei Post, Telekom Austria und beim Energieriesen OMV - wurde vertagt.


Kommentatoren erwarten Rochade

Darüber werde geredet, „wenn wir den Zeitpunkt für richtig halten“, sagte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Genauso ambitioniert wie aus Etatgründen dringend geboten ist die Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters von 58,4 auf 60 Jahre. Wie das erreicht werden soll, blieb am Donnerstag noch unklar.

Immerhin kann die neue, alte Regierung unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vize Spindelegger darauf hoffen, dass sich die Zeiten sowieso bessern. Die österreichische Nationalbank rechnet nach nur 0,4 Prozent Wachstum in diesem Jahr für 2014 und 2015 mit einem spürbaren Plus von 1,6 beziehungsweise 1,9 Prozent. „Die markante Stimmungsaufhellung lässt (...) ein baldiges Anspringen der Investitionskonjunktur erwarten“, schrieben die Banker in ihrem jüngsten Bericht zur Freude der Koalitionäre. „Man muss das erfolgreiche Land Österreich nicht neu erfinden. Wir sind ein Vorbild in Europa“, hofft Faymann.

Viele Kommentatoren erwarten ein personelles Ausrufezeichen durch eine Rochade: Vizekanzler Spindelegger dürfte das Außenamt zugunsten des Finanzministeriums aufgeben. Nachfolger als Außenminister könnte der erst 27 Jahre alte Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) werden.

Der große Stimmungstest für die Koalition sei noch nicht die EU-Wahl im Mai 2014, meint Hofer. Aber 2015 mit drei Landtagswahlen in Oberösterreich, der Steiermark und Wien drohe eine „Sollbruchstelle“. Dann stelle sich auch die Frage, wie lange die SPÖ an ihrem Anti-FPÖ-Kurs festhalten wolle. „Auf einigen Politikfeldern wie der Sozialpolitik gibt es Schnittstellen“, so Hofer.

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