Portugal-Hilfe Hartz IV an der Algarve

Das Rettungspaket für Portugal ist 78 Milliarden Euro schwer. Ganz ohne Schmerzen geht es für die Portugiesen nicht ab. Aber Internationaler Währungsfonds und EU haben aus dem Griechen-Drama gelernt.

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Jose Sócrates Quelle: REUTERS

Die Verhandlungsführer der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben vom griechischen Drama gelernt. Die politischen Vorgaben, die an das 78 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für Portugal geknüpft sind, fallen deutlich verträglicher aus als in Griechenland. Allerdings ist das iberische Land auch weniger verschuldet – es muss sein Haushaltsdefizit von zuletzt mehr als neun Prozent bis 2013 unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bringen. In Griechenland dagegen lag das Defizit 2009 bei 15,4 Prozent.

Noch einen weiteren Startvorteil haben die Portugiesen: Als das Rettungspaket geschnürt wurde, hatte die Regierung viele der darin vorgesehenen Sparmaßnahmen bereits beschlossen. "Mehr als die Hälfte der nötigen Konsolidierung ist im Haushaltsgesetz 2011 festgelegt", erklärt Poul Thomsen, Leiter der IWF-Mission in Lissabon. Deutlich mehr als die Griechen müssen sich die Iberer allerdings im Bereich der Strukturreformen anstrengen. Dahinter steckt eine weitere Einsicht aus der Erfahrung mit Griechenland: Sparen allein bringt kein Wachstum.

Vorbild Hartz IV

Wichtige Änderungen gibt es etwa auf dem Arbeitsmarkt. Der Höchstsatz bei der Arbeitslosenhilfe wird radikal gekappt, der maximale Zeitraum, in dem Stütze gezahlt wird, halbiert. Ähnlich wie bei den deutschen Hartz-IV-Reformen will man so Anreize zur Jobsuche verbessern – und Sozialausgaben sparen. Der rigide Kündigungsschutz für Festangestellte wird gelockert, das ineffiziente Justizsystem generalüberholt. Dies alles geschieht in der Absicht, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.

Staatsschulden und Haushaltssaldo in Portugal

Kern des Konsolidierungsprogramms ist, den aufgeblähten und ineffizienten öffentlichen Sektor zu entschlacken. Bislang machen die Portugals Staatsausgaben – wie in Griechenland – rund die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts aus. Nun wird das gesamte föderale Netz nach überflüssigen Verwaltungseinheiten durchforstet. Stellen werden nicht neu besetzt, die Gehälter für öffentliche Angestellte weiter eingefroren. Subventionen kommen auf den Prüfstand, Steuerschlupflöcher werden gestopft. Eine "außergewöhnliche Herausforderung", sagt Luís Fábrica von der Universidade Católica Portuguesa, aber auch "eine einzigartige Gelegenheit, die immer aufgeschobene Reform der öffentlichen Verwaltung zu realisieren". Das bereits im vergangenen Jahr von der Regierung beschlossene, 5,5 Milliarden Euro schwere Privatisierungsprogramm soll beschleunigt werden. Noch dieses Jahr kommen drei Staatsunternehmen auf den Markt, bis Juli wird zudem die 2008 verstaatlichte Banco Português de Negócios verkauft.

Wirtschaft schrumpft

Zunächst werden die von der EU und dem IWF verordneten Maßnahmen die Rezession verstärken, sagt Nuno Amado, Präsident der portugiesischen Bank Santander Totta. Tatsächlich geht das Konsolidierungsprogramm davon aus, dass die Wirtschaft dieses und nächstes Jahr um zwei Prozent schrumpft. Bisher hatte die Regierung mit einem Wachstum von minus 0,9 Prozent in diesem und von 0,3 Prozent im nächsten Jahr gerechnet. Die pessimistischen Vorhersagen sind aber wohl auch eine Vorsichtsmaßnahme, um nicht wie in Griechenland von schlechten Konjunkturzahlen und einbrechenden Steuereinnahmen überrascht zu werden. Doch wenn das dreijährige Konsolidierungsprogramm einmal überstanden ist, "wird die Wirtschaft viel nachhaltiger sein", sagt Amado voraus.

Vielleicht ist diese Hoffnung der Grund dafür, dass das schmerzhafte Rettungspaket in der portugiesischen Politik und Öffentlichkeit erstaunlich positiv aufgenommen wurde. "Die Portugiesen gehören zu den tolerantesten und anpassungsfähigsten Europäern – auch in Bezug auf diese Art von sozialen und wirtschaftlichen Schocks", weiß Luís Cabral, Wirtschaftsprofessor an der Managementschmiede IESE in Barcelona.

Jetzt gilt es erst einmal, am 5. Juni eine neue Regierung zu wählen, die das Konsolidierungspaket durchführen muss. Umfragen bescheinigen keiner der Parteien eine absolute Mehrheit. Möglicherweise müssen die Volksparteien eine große Koalition bilden. Das Rettungspaket ist schon eine Art Vorlage für einen Koalitionsvertrag. Denn auch hier hat die Verhandlungstroika aus den Erfahrungen mit Irland gelernt, wo eine neue Regierung plötzlich nachverhandeln wollte. In Portugal mussten sich auch die Vertreter der größten Oppositionsparteien verpflichten, die Auflagen des Rettungspakets zu unterstützen.

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