Raketentest von Nordkorea Wie die Japaner Schutz vor Kims Rakete suchten

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat Nordkorea eine Rakete über den Norden Japans geschossen. Millionen Menschen wurden aufgerufen, Schutz zu suchen. Der Test offenbarte auch Lücken im japanischen Zivilschutz.

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Japans Regierung warnte die Bevölkerung vor dem erneuten Raketentest Nordkoreas. Quelle: Reuters

Tokio Pünktlich zur morgendlichen Rushhour ging der Alarm los. Drei Minuten nach dem Abschuss warnte die Regierung per Handy, Lautsprecher und TV-Meldung Millionen Menschen vor der nordkoreanischen Rakete. „Suchen Sie Schutz in einem Gebäude oder in einem unterirdischen Raum“, lautete die Durchsage.

Dutzende Züge blieben minutenlang stehen. Vereinzelt gerieten Menschen in Panik. „Normale Wohnhäuser haben keinen Bunker. Wo sollte ich denn hin? Deshalb bin ich vor dem Fernseher sitzen geblieben“, erklärte eine aufgelöste 66-jährige Frau Stunden später im TV.

In Gunma versuchte eine Familie mit Baby in die lokale Grundschule zu fliehen, doch die war am frühen Morgen noch geschlossen. Schließlich fand die verzweifelte Familie Schutz im örtlichen Polizeirevier. In Yamagata flüchteten zehn Menschen mangels öffentlicher Bunker ins örtliche Rathaus. „Wir waren völlig überrascht über die Reaktion der Leute“, gab ein verdutzter Beamter später gegenüber einem Reporter der Mainichi-Zeitung zu. „Wir brauchen Regeln, wie wir uns in solchen Situationen verhalten sollen“, fügte der Beamte hinzu.

Die Rakete landete schließlich wenige Minuten nach der Warnmeldung etwa 2200 Kilometer östlich von Japan im Pazifik. Sachschäden oder gar Verletzte wurden nicht gemeldet.

Für das 2007 eingeführte Frühwarnsystem J-Alert war es der zweite großflächige Einsatz. Zuvor war es bei dem letzten nordkoreanischen Raketentest, der Ende August die gleiche Route hatte, aktiviert worden.

Wieder gab es technische Pannen. In einigen Gemeinden funktionierte die automatische Weiterleitung der Warnmeldung an die im ganzen Stadtgebiet angebrachten Lautsprecher nicht. Andere Gemeinden meldeten, dass sie einen Teil ihrer Bürger aus noch ungeklärten Gründen nicht auf elektronischen Wege erreichen konnten. Auch die Panik, die die Nachricht vereinzelt ausgelöst hat, macht den Verantwortlichen Sorgen.

Im Frühling hatte Premier Shinzo Abe erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs die Gebietskörperschaften aufgerufen, Evakuierungsübungen für den Fall eines Raketenangriffs durchzuführen. Seither haben Hunderte Grundschüler, Rentner und Hausfrauen in etwa einem dutzend Gemeinden einen Angriff des Nordkorea-Regimes simuliert.

„Es ist schwer zu sagen, wie effektiv diese Übungen sind. Aber wenn den Leuten die Gefahr bewusst ist und sie grundsätzlich wissen, was zu tun ist, wird das im Ernstfall die Überlebensrate steigern“, erklärte der pensionierte Vizeadmiral Yoji Koda kürzlich in heimischen Medien.

Auch wenn die Japaner offenbar noch ungeübt im Umgang mit Raketenalarm sind – die Angst der einzigen Nation der Welt, die tatsächlich einen Atomangriff erlebt hat, sitzt tief. Seit vor knapp 20 Jahren eine der ersten Testraketen des Kim-Clans aus Nordkorea über Japan hinwegflog, sind noch nie so viele Raketen vor Japans Küste gelandet wie in den vergangenen Monaten.

Angesichts der jüngsten Eskalation werden sogar Atombunker zum Verkaufsschlager. Die Anfragen seien rasant gestiegen, erklärte Seiichiro Nishimoto, dessen Unternehmen Bunker und Schutzräume herstellt, vor wenigen Wochen in heimischen Medien. Allein in diesem Sommer habe sein Unternehmen gut ein Dutzend Bunker verkauft – mehr als früher in einem ganzen Jahr.

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