Rechtspopulismus in den Niederlanden Wilders will den Koran verbieten

Geert Wilders könnte als großer Gewinner aus den niederländischen Parlamentswahlen hervorgehen. In einem TV-Interview vergleicht er den Koran nun mit „Mein Kampf“ und nennt Moscheen „Nazi-Tempel“.

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PVV-Chef Geert Wilders will den Islam aus den Niederlanden vertreiben. Quelle: Reuters

Frankfurt Am Anfang war die Stimmung noch entspannt. Es habe im Vorfeld keine Absprachen gegeben, bestätigten Wilders, Chef rechtspopulistischen Freiheitspartei PVV, und der Journalist Rick Nieman einhellig. Was eigentlich als üblich gelten sollte, wurde hier betont: Immerhin, war ein besonders Interview, das der öffentliche Sender npo am Sonntagmorgen führte. Es war das erste Mal, dass Wilders sich in einem ausführlichen Fernsehinterview äußerte.

Und das wird mit Spannung erwartet. Wilders dominiert seit Wochen die Debatte vor den Parlamentswahlen in den Niederlanden am 15. März. Seine Partei, die scharf gegen den Islam argumentiert, führt in den Umfrage klar.

Im Interview verstärkte Wilders seine Kritik am Islam noch einmal. Der Islamismus sei „womöglich noch gefährlicher“ als die Nazi-Ideologie, sagte Wilders. Er verglich den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“, das als ideologisches Grundwerk des Nazi-Terrors gilt. In ihrem Wahlprogramm fordert de PVV ein Koran-Verbot und die Schließung von Moscheen.

Wilders verwies darauf, dass auch „Mein Kampf“ in den Niederlanden verboten sei – mit Ausnahme für den wissenschaftlichen Gebrauch. Es gehe dabei um eine entsetzliche Ideologie voller Hass und Antisemitismus, sagte er. Aber der Koran sei voll von noch mehr Antisemitismus und voller Aufrufe zur Gewalt. „Wenn wir ‚Mein Kampf‘ verbiete, müssen wir das auch mit dem Koran tun.“

Auf die mehrfache Nachfrage Niemans, wie die PVV ein Koran-Verbot umsetzen wolle, zeigte Wilders sich allerdings zurückhaltend. „Wir holen den Koran nicht aus den Häusern. Aber wir sorgen dafür, dass er nicht verkauft werden darf.“ Er wissen natürlich, dass man den Text auch im Internet hochladen könne. Daher sei das Verbot zum Teil auch symbolisch gemeint.


„Keine Einwanderer mehr“


Die Wahl in den Niederlanden gilt als richtungsweisend dafür, wie weit Europa dieses Jahr nach rechts rücken könnte. In Frankreich, wo die erste Runde der Präsidentenwahl im April stattfindet, gilt Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National (FN), als aussichtsreiche Kandidatin. Ihr werden sogar ernsthafte Chancen auf die Präsidentschaft eingeräumt, auch weil der Konservative François Fillon, der bis vor kurzem als Favorit galt, zusehends unter Druck gerät. Fillon ist durch die Affäre um die Beschäftigung seiner Frau im Parlament angeschlagen.

In Deutschland wiederum dürfte die AfD bei der Bundestagswahl im September weitaus mehr Stimmen einsammeln als vor vier Jahren und in den Bundestag einziehen. In etlichen Länderparlamenten ist die Partei bereits vertreten. Auch in Italien wird möglicherweise dieses Jahr noch neu gewählt. Dass sich die drei Parteien, PVV, FN und AfD, nahestehen, wurde Ende Januar deutlich. Im Koblenz trafen sich mehrere rechtspopulistische Parteien aus Europa. Dort waren Wilders, Le Pen und AfD-Chefin Frauke Petry, die 2017 als „Jahr der Patrioten“ sehen, gemeinsam aufgetreten.

Wilders, der die PVV im Jahr 2006 gegründet hat, kritisiert den Islam seit langem. Er bezeichnet ihn als „Ideologie“. Das macht er auch im Wahlprogramm der Partei, das auf einem DINA4-Blatt passt, deutlich. Er will die Niederlande „entislamisieren“, heißt es gleich im ersten Punkt. Und: „Keine Einwanderer mehr als islamistischen Ländern: Grenzen schließen.“ Er will zudem alle erteilten Aufenthaltsgenehmigungen von Asylbewerbern zurückziehen, Kopftücher in öffentlichen Funktionen sowie Moscheen verbieten.

Auch bei dem Punkt, ob die PVV wirklich Moscheen schließen wolle, hakte Nieman nach. Wilders Antwort fiel vage aus: Man müsse Moscheen verbieten, „ihnen keine Erlaubnis geben“, so der PVV-Politiker. Er verglich Moscheen mit „Nazi-Tempeln“, die, würde es sie in den Niederlanden geben, „auch nicht erlaubt wären“.
Zudem betont Wilders immer wieder die Meinungsfreiheit, er will den Nexit, also, dass die Niederlande die EU verlassen. Er will mehr Geld für Polizei und Militär ausgeben.

Weitere Punkte seines Wahlprogramms tragen politisch eher linke Züge: Dazu zählt das Ziel, die Mieten sowie die Einkommenssteuer zu senken und Einsparungen bei der Pflege zurückdrehen. Wie genau die PVV beispielsweise erreichen will, dass die Mieten sinken, erklärt die PVV allerdings nicht.


„Verhalte Dich normal oder geh weg“

Dass Wilders mit seinen Forderungen den Nerv vieler Niederländer trifft, zeigen die Wahlprognosen. Die PVV wird wohl stärkste Kraft im niederländischen Parlament. Sie kommt laut Umfragen der Meinungsforscher von Ipsos auf 28 von 150 Sitzen – fast doppelt so viele Abgeordnete, wie sie derzeit stellt.

Die rechtsliberale VDD von Ministerpräsident Mark Rute kommt demnach nur noch auf 24 Sitze, im Parlament stellt sie derzeit 41 Abgeordnete. Noch schlimmer stürzt der Koalitionspartner, die Arbeitspartei, ab. Die Sozialdemokraten erreichen laut der Umfrage nur noch elf Sitze – und haben derzeit 38 im Parlament.

Laut der Prognose des Meinungsforschers Maurice de Hond schneidet Wilders PVV noch besser ab, sie kommt auf 33 Sitze. Dabei erreicht die Partei auch unter gutqualifizierten hohe Zustimmung, wie eine Umfrage der Gewerkschaft De Unie gerade ergab. Sie zeigt auch, wie große das Misstrauen in die Politik ist. Eine deutliche Mehrheit bezeichnet Politiker als elitär, unehrlich und nicht vertrauenswürdig.

Dabei gilt es als extrem unwahrscheinlich, dass Wilders auch Regierungschef. Rutte hat eine Koalition mit der PVV abgelehnt. Sollte das Ergebnis am 15. März so ausfallen, wie die aktuellen Prognosen, müssten mehrere, drei oder vier, Parteien zu einer Koalition zusammenfinden. Allerding glauben rund 70 Prozent der Niederländer, dass Rutte womöglich letztlich doch zusammen mit Wilders regieren würde. Der Premier schien sich zuletzt aber von Wilders treiben zu lassen.

In einem Brief „an alle Niederländer“ hatte Rutte jüngst zu einem Ton gegriffen, der dem der PVV ähnelt und sich gegen einen Teil der Einwanderer gewandt. „Wir fühlen ein wachsendes Unwohlsein, wenn Menschen unsere Freiheit missbrauchen, um hier die Dinge durcheinanderzubringen, obwohl sie gerade wegen der Freiheit in unser Land gekommen sind“, so Rutte in dem Brief, der in den niederländischen Zeitungen auf einer ganzen Seite erschien. „Verhalte Dich normal oder geh weg.“

Inzwischen allerdings zeigen Anhänger vieler anderer Parteien bereit, doch die VVD zu wählen – als beste Möglichkeit, um zu verhindern, dass die PVV die stärkste Kraft im Parlament wird. So können sich bis zu ein Fünftel der Wähler der linksliberalen D66, der konservativen CDA, aber auch von Grün-Links sowie der Sozialdemokraten vorstellen, die VVD ihre Stimme zu geben, wie eine Erhebung der „Volkskrant“ ermittelte.
Wilders, der bis 2004 selbst Mitglied der VVD war und seit Jahren wegen Morddrohungen unter Polizeischutz steht, provoziert immer wieder – oft auch durch Tweets im Kurznachrichtendienst Twitter, den er schätze, weil er seine Botschaft direkt an die Bürger senden könne, wie er im Interview sagte.

Vergangene Woche hatte er ein manipuliertes Foto getwittert. Darauf zu sehen ist der D66-Chef Alexander Pechtold in mitten einer Demonstration von Islamisten, die die „Sharia für Holland“ fordern. Wilders verteidigte seinen Tweet jetzt so: Es sei keine Fälschung von ihm, das Bild existiere so seit 2009 im Internet. Zudem habe die Presse stark daran beteiligt, dass das Thema so stark diskutiert worden sei.

Wilders nutzte das Interview noch einmal, um die Politiker der anderen Parteien anzugreifen. Die meisten Parlamentarier seien völlig losgelöst von der Realität. „Sie haben keine Ahnung mehr davon, wie das Land aussieht.“ Wie er sich die Niederlande vorstellt, machte Wilders im neuen Wahlspot der Partei deutlich: „Unser herrliches Land, das Land unser Vorfahren (…) Das einzige, das wir haben, unser einziges Vaterland“, heißt es dort „Es ist Zeit für Veränderung – die Briten haben es vorgemacht, die Amerikaner haben es getan. Und wir werden es auch tun. Wie lange sind wir noch Chef im eigenen Haus?“

Der Slogan der PVV heißt denn auch „Nederland weer van ons!“, was so viel bedeutet wie: Die Niederlande sollen wieder uns gehören.

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