Sanktionen gegen Russland Die Ukraine braucht ein neues Friedensabkommen

In der Bundesregierung mehren sich Stimmen für ein schrittweises Aufheben der Russland-Sanktionen. Das wäre sinnvoll – aber erst, wenn die Politik das Friedensabkommen Minsk-II aufschnürt und neu verhandelt.

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Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Quelle: dpa

Vielleicht ist es der Druck der Wirtschaft, vielleicht jener aus den eigenen Reihen der eher russlandfreundlichen SPD, vermutlich beides. Jedenfalls bewegt sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier seit einigen Wochen sichtbar auf Russland zu: Erst reichte er den Russen bei einer Grundsatzrede zur „Konnektivität“ zwischen Europa und China die Hand, hob wirtschaftliche Zusammenarbeit als Voraussetzung für Sicherheit hervor. Dann sprach er sich vor dem Deutsch-Russischen-Forum für den „stufenweisen Abbau“ der Sanktionen aus, mit denen „auf intelligente Weise umzugehen“ sei.

Im Kreml hört man solche Töne gern. Zumal, so verlautet es in Berlin, auch im Kanzleramt die Strafen gegen Russland wegen Krim-Annexion und der Kriegführung in der Ost-Ukraine nicht mehr unumstritten sind.

Wobei dies wohl eher damit zu tun hat, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Blamage ersparen will: Frankreich, Ungarn, Italien und Griechenland sind mehr oder weniger gegen die Sanktionen – und wenn sie deren Verlängerung auf dem EU-Gipfel Ende Juni blockieren würden, wäre Merkels Autorität in der EU gehörig demoliert.

Das denken die Deutschen in Bezug auf die Ukraine über...

Wie aber könnte eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen aussehen, ohne dass einem der Beteiligten der Gesichtsverlust droht? Steinmeier sagte selbst, dass „substanzielle Fortschritte“ bei der Umsetzung des im Februar 2015 vermittelten Friedensabkommens Minsk-II Voraussetzung für den Abbau der Sanktionen bleiben müssen. Moskau nährt weiter die Mär, mit dem Krieg in der Ost-Ukraine nichts zu tun zu haben. Kiew nimmt den Konflikt als Vorwand, um den Reformstillstand im Land zu rechtfertigen.

Ein neuer Fahrplan muss mehr

Die Lösung lautet: Aus Minsk-II muss Minsk-III werden. Denn der Friedensprozess steckt fest und er kann nur wiederbelebt werden, wenn die Politik das Abkommen aufschnürt und neu verhandelt. Der neue Deal muss einen Fahrplan beinhalten, an dessen Einhaltung die EU ihre Sanktionen knüpfen kann. Es muss klar sein, bei welchen Fortschritten welche Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden – und unter welchen Voraussetzungen die Ukraine welche Hilfen von Europa bekommt. Ja, auch die Ukrainer, die mancher in der EU seit ihrer „Revolution“ vor zweieinhalb Jahren unter Welpenschutz stellt, unternehmen zu wenig, um den Konflikt im Osten dauerhaft zu lösen.

Vielleicht ist „Minsk-II“ auch viel zu detailliert, viel zu ambitioniert: Im ukrainischen Parlament findet eine Verfassungsänderung hin zu einer weitreichenden Autonomie für den umkämpften Donbass keine Mehrheit, solange dort Separatisten mit blutbefleckten Händen herrschen.

Darum unterstützt Moskau weiterhin die Separatisten, die nach wie vor die ukrainische Grenze zu Russland kontrollieren. Ihnen fließen Schätzungen der Moskauer „Nowaja Gazeta“ zufolge pro Jahr bis zu zwei Milliarden Dollar zu, vor Ort ist mittlerweile sogar der Rubel offizielles Zahlungsmittel. So gewinnt der Konflikt mit der Dauer an Normalität, die Lösung wird immer schwieriger.

Eine Lösung sollte aber im Interesse Brüssels sein. Sonst bricht irgendwann die Sanktionsfront in sich zusammen. Die Strafmaßnahmen, erlassen wegen der russischen Krim-Annexion und des Schürens des Kriegs in der Ost-Ukraine, wären so ad absurdum geführt. Die EU hätte sich einmal mehr als inkonsequent und unfähig erwiesen, ein politisches Großproblem in der Nachbarschaft zu lösen. Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent wäre dies nicht förderlich, denn der Krieg in der Ost-Ukraine kann jederzeit wieder hochkochen.

Wenn Steinmeier also den Einstieg in den Ausstieg der Sanktionen will, ohne zugleich Europas Werte und Interessen zu verraten, sollten sich seine Diplomaten an den Kraftakt wagen – und Anreize schaffen, wie Kiew und Moskau samt der Kreml-hörigen Separatisten auf den Weg zur dauerhaften Friedenslösung gezwungen werden können.

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