Städtepartnerschaften Griechenland-Rettung zum Nulltarif

Die jüngst gewährte Griechenland-Hilfe beläuft sich auf 86 Milliarden Euro. Dass es auch anders geht und dazu noch fast kostenfrei, zeigen deutsche Städte, die ihren griechischen Partnern Unterstützung anbieten.

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Viele Partnerstädte in Deutschland helfen Griechenland mit ihrem Know-How. Quelle: dpa

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland hat in den vergangenen Monaten schwer gelitten. Für Misstöne sorgte immer wieder der unklare Kurs der Regierung in Athen. Das hat nicht nur viele Bundestagsabgeordnete erzürnt. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machten ihrem Ärger Luft.

Schäuble, indem er einen „temporären Grexit“ ins Spiel brachte und Gabriel, indem er der griechischen Regierung vorwarf, mit ihrem Referendum „letzte Brücken eingerissen“ zu haben, „über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zubewegen konnten“. Vor diesem Hintergrund seien „Verhandlungen über milliardenschwere Programme kaum vorstellbar“, hatte Gabriel gesagt.

Alexis Tsipras und die Schuldenkrise

Die Drohung des SPD-Chefs ist jedoch schnell verpufft. Denn mittlerweile ist das dritte Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Und Gabriel ist sogar bereit, den Griechen mit weiteren Hilfsinitiativen unter die Arme zu greifen. „Dort, wo Städtepartnerschaften bestehen, bitten wir die Kommunen, zu überlegen, was sie an Hilfe anbieten können“, hatte der Vize-Kanzler in der jüngsten Griechenland-Sondersitzung des Bundestages vorgeschlagen.

Mit seinem Vorstoß rennt Gabriel bei Hans-Joachim Fuchtel offene Türen ein. Der parlamentarische Staatssekretär im Entwicklungshilfeministerium ist Griechenlandbeauftragter der Bundesregierung und setzt sich schon seit Jahren für eine Zusammenarbeit deutscher und griechischer Kommunal- und Regionalpolitiker ein. „Besonders erfreulich ist, dass sich nicht nur Kommunen miteinander verbinden, sondern ganze Regionen“, sagt der CDU-Politiker, den die Griechen „Fuchtelos“ nennen, im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Die Zahlen sprechen für sich. Von 325 griechischen Kommunen sind mehr als hundert in die Arbeit der Deutsch-Griechischen Versammlung (DGV) eingebunden. Dutzende weitere Kommunen suchen noch geeignete Partner in Deutschland. „Und das trotz der bekannten politischen Großwetterlage. Das spricht doch für sich?“, sagt Fuchtel, der auch DGV-Koordinator ist. Natürlich gebe es auch Durststrecken, bis Städtepartnerschaften erste positive Wirkungen entfalteten. Das sei „naturgemäß die Stunde der Skeptiker“, räumt der Christdemokrat ein. „Zwischenzeitlich lassen aber auch selbst bei Syriza nahestehenden Bürgermeistern Berührungsängste nach.“

„Ganz unbürokratisch“

Das stellt auch Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, fest. Die Zusammenarbeit und der aktive Austausch zwischen deutschen und griechischen Städten seien in den vergangenen Jahren „deutlich gewachsen und waren noch nie so intensiv wie jetzt“, sagt Articus dem Handelsblatt. „Die Verbindungen sind gelebte Solidarität mit Griechenland und seinen Kommunen und sind geprägt von gegenseitigem Respekt.“

Das sieht der Deutsche Städte- und Gemeindebund genauso und unterstützt den Appell Gabriels, über bereits bestehende Städtepartnerschaften unbürokratisch zu helfen. So förderten etwa Kommunen aus Baden-Württemberg den Austausch von Expertise und Experten mit griechischen Städten und Gemeinden, erläutert Städtebund-Geschäftsführer Gerd Landsberg. „Was Kommunen in Deutschland leisten können, ist vor allem Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel in Form von Unterstützung bei der Modernisierung der Verwaltung“, fügt er hinzu. Und wenn es um die Linderung humanitärer Notlagen gehe, sei insbesondere die Zivilgesellschaft der deutschen Partnerschaftsstädte gefragt.

Wie stehen Griechenland, Spanien und Co. da?
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Die Lohnstückkosten sind in Griechenland, Irland und Spanien vergleichbar hoch. Für Griechenland senkt das die Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung deutlich herab.
Griechenland, Spanien Arbeitslosigkeit, jeder vierte Erwerbsfähige ohne Arbeit, Portugal, Irland Krise, Anstieg, Eindämmung
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Mit dem Abbau der Staatsverschuldung haben alle vier Länder noch ein Problem und sind noch weit entfernt von einem akzeptablen Stand. Am besten schlagen sich hier Spanien und Irland.
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Dreh- und Angelpunkt der Hilfe ist Fuchtels Deutsch-Griechische Versammlung. Der Clou: Was von deutscher Seite angeboten wird, bekommen die Griechen quasi für umsonst „Bei der Deutsch-Griechischen Versammlung gibt es kein Geld für Investitionen, aber ein schnelles, hochwirksames Netzwerk für Beratung“, erklärt Fuchtel. Das seien keine teuren Blaupausen. „Was hier abläuft, ist ein immer breiter werdender Know-How-Austausch mit Hilfe eines gemeinsam entwickelten Baukastens.“ Griechische Bürgermeister, Touristiker und Vertreter der Zivilgesellschaft wenden sich an ihre Kollegen in der Deutsch-Griechischen Versammlung und dann, so Fuchtel, gehe es „ganz unbürokratisch“ los.

Gemeinsam entwickelten die Partner neue Konzepte zur Abfallbeseitigung, für eine kostengünstigere Energieversorgung, für Kläranlagen, für den Öffentlichen Nahverkehr, zur Wirtschaftsförderung auf kommunaler Ebene und zur Ausdehnung der Tourismussaison. Auch die Vermittlung von Messeauftritten und Kontakten zu Abnehmern von Agrarprodukten sowie Fragen zu globalen Qualitätsanforderungen in der Landwirtschaftsproduktion gehörten dazu.

Die jüngste Partnerschaft ist entstanden zwischen der Insel Samos und der Stadt Greifswald an der Ostsee. Im April reiste eine griechische Delegation in die Universitäts- und Hansestadt, um sich vor Ort über die Erfahrungen Greifswalds und des Landkreises bei der Tourismusentwicklung, der Abfallwirtschaft, der Seerettung sowie über eine mögliche Hochschulkooperation mit der Ägäis-Universität zu informieren.

Als Leuchtturmprojekt gilt der „Pflegeurlaub auf Rhodos“. Fuchtel spricht von einer „Pflanze, die wächst“, weil Griechen und Deutsche gleichermaßen profitieren: In der Vor-und Nachsaison können auf Rhodos Pflegebedürftige und ihre Angehörigen gemeinsam Urlaub machen. Auf der anderen Seite hilft es den Griechen, ihre Arbeitslosigkeit zu verringern. Einheimische Fachkräfte werden gezielt für die Betreuung älterer Menschen ausgebildet. Hotels und Geschäfte bleiben außerhalb der Hauptsaison geöffnet.


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