Türkei-Streit Deutsche Politiker für mehr wirtschaftlichen Druck

Der Streit zwischen Deutschland und der Türkei ebbt nicht ab – die Beziehungen zwischen den Ländern verschlechtern sich weiter. Deutsche Politiker fordern nun, Zahlungen an das Land einzustellen.

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Berlin In den angespannten Beziehungen zur Türkei wollen Politiker von Union und SPD verstärkt die EU-Wirtschaftsbeziehungen mit der Regierung in Ankara als Druckmittel nutzen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erneuerte am Montag seine Forderung nach einem Ultimatum an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Freilassung von deutschen Inhaftierten in Gefängnissen der Türkei. Andernfalls soll nach seiner Ansicht die Erweiterung der EU-Zollunion mit dem Land gestoppt werden. CSU-Chef Horst Seehofer verlangte, dass die Zahlungen für die Türkei zur Vorbereitung eines EU-Beitritts eingestellt werden.

Schulz sagte der „Rhein-Neckar-Zeitung“, er sei nicht bereit, noch Monate bis zur Freilassung von deutschen Gefangenen zu warten. „Da muss es um wenige Wochen gehen.“ Im ARD-Sommerinterview erklärte er am Wochenende, die Bundesregierung könne, wenn sie wolle, an den Verhandlungen zur Erweiterung der EU-Zollunion mit der Türkei nicht mehr teilnehmen. Diese Verhandlungen liefen.

Allerdings hat die EU-Kommission zwar um ein Mandat zur Erweiterung der seit 20 Jahren bestehenden Zollunion gebeten. Bisher hat der EU-Rat als Vertretung der Mitgliedsländer – also auch Deutschlands – dieses Mandat nicht erteilt. In türkischen Gefängnissen sind unter anderem die Bundesbürger Deniz Yücel und Peter Steudtner inhaftiert. Die „Bild am Sonntag“ hatte zudem über einen deutschen Pilger berichtet, der vor knapp fünf Monaten in der Türkei festgenommen worden sei und seitdem in Haft sitze.

Schulz warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, zu nachgiebig gegenüber Erdogan zu sein. „Wer sich zum Lamm macht, den fressen die Wölfe. Erdogan nutzt jede Möglichkeit, die man ihm lässt.“ Er habe viele Jahre Erfahrung in der internationalen Politik, sagte Schulz. „Ein bestimmter Typus von Staatsführern versteht nur klare Ansagen.“ Schulz war von 2012 bis Anfang 2017 Präsident des Europäischen Parlaments. Merkel ist seit 2005 Kanzlerin.

CSU-Chef Seehofer warf in einem Interview der „Funke Mediengruppe“ der Regierung in Ankara wöchentliche Provokationen vor. Die Heranführungshilfen für einen EU-Beitritt der Türkei dürften deshalb nicht mehr fließen. Von 2014 bis 2020 sind für die Türkei rund 4,5 Milliarden Euro eingeplant. Davon sind unter anderem 1,6 Milliarden Euro für die Vorbereitung des EU-Beitritts vorgesehen, 1,5 Milliarden für wirtschaftliche und regionale Projekte. Seehofer lobte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), weil dieser klare Kante zeige und nicht vor Erdogan kusche.

Die eigentlichen Beitrittsgespräche zwischen der EU und der Türkei kommen schon länger nicht mehr vom Fleck. Das EU-Parlament forderte Anfang Juli in einer nicht-bindenden Resolution ein offizielles Aussetzen der Gespräche, wenn die Regierung in Ankara die umstrittene Verfassungsreform umsetze. Für diese Position gab es unter den EU-Staaten aber keine Mehrheit.

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