Ukraine-Krise Ein Testfall für Trump

Wird US-Präsident Donald Trump die Unterstützung für die Ukraine einstampfen und stattdessen mit Russland kooperieren? In Kiew ist die Sorge groß. Die Ukrainer fürchten eine Trump-Putin-Achse.

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US-Präsident Donald Trump spricht mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. In der Ukraine fürchtet man eine Trump-Putin-Achse. Quelle: AP

Berlin Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ist die Nervosität in Kiew erheblich gewachsen. Die ukrainische Führung rätselt, was Trumps mehrfache Ankündigungen zu bedeuten haben, dass er ein enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin wolle. Mit diesem hatte Trump am Samstag eine Stunde telefoniert. Nun ist die Sorge groß, dass Trump die bisherige amerikanische Unterstützung für die Ukraine für eine Kooperation mit Moskau eintauschen könnte. Diese Unsicherheit erklärt, wieso auch die Bundesregierung in der Ukraine-Krise derzeit hinter den Kulissen in alle Richtungen aktiv wird. „Denn der Ukraine-Konflikt ist ein Testfall, wie die Ost-West-Beziehungen in der Ära Trump künftig aussehen werden“, heißt es in der Bundesregierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte deshalb in den vergangenen Tagen mehrfach mit den Präsidenten Frankreichs, Russland und der Ukraine. Am Montag empfing sie den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Kanzleramt. Seit Wochen bemühen sich westliche Politiker, der neuen Trump-Administration klar zu machen, dass die Russland-Sanktionen nicht etwa vom Himmel gefallen, sondern für sie die Folge russischen Verhaltens seit 2013 gewesen sind. Die Genese der Sanktionen legte Merkel Trump auch in ihrem Telefonat am Samstag dar.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte den US-Präsidenten bei ihrer Visite ebenfalls vor zu viel Vertrauen in Putin gewarnt. Nur ist sich in Europa niemand sicher, was Trump trotz der Ratschläge als nächstes tun wird - vor allem nicht die Ukrainer. Dass Trump mittlerweile immerhin die Zweifel ausgeräumt hat, ob er noch zur Nato steht, nutzt dem Nicht-Nato-Mitglied Ukraine bei seinem Konflikt mit dem übermächtigen östlichen Nachbarn Russland wenig. „Wir wollen keine Spielkarte sein, sondern ein Akteur“, sagte die stellvertretende ukrainische Außenministerin Olena Serkal zu Reuters.

Dass Merkel Poroschenko und die innenpolitischen Reformen in der Ukraine ausgerechnet am 25. Jahrestag der bilateralen diplomatischen Beziehungen über den grünen Klee lobte, galt auch bei ukrainischen Diplomaten vor allem als freundliche Geste mit Hintergedanke. Denn in Deutschland und Frankreich, die seit langem mit Russland und Ukraine im sogenannten Normandie-Format über eine Lösung der Krise beraten, sitzt die Frustration über die mangelnden Umsetzung des im Februar 2015 geschlossenen Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine tief. Zwar wird die Hauptverantwortung auch in Berlin der russischen Seite zugewiesen, aber auch die Ukraine liefert nicht beim Sonderstatus für die Separatistengebieten und dem geplanten Lokalwahlgesetz.

„Die Verhandlungen in Minsk gehen auch deshalb nicht voran, weil Absprachen an der Spitze von den unteren Ebenen eigentlich nie umgesetzt werden“, kritisierte ein mit den Verhandlungen vertrauter Diplomat. Dies gelte für beide Seiten. Das dürfte auch die ständigen Brüche des Waffenstillstands an der sogenannten Kontaktlinie erklären, die allein in den vergangenen zwei Tagen nach ukrainischen Angaben sieben Soldaten das Leben kosteten und 17 weitere verletzten.

Nur an einem Punkt haben sich mit Trump vorerst die Fronten geklärt: Hatte der ukrainische Präsident unter Trumps Vorgänger Barack Obama noch damit geliebäugelt, die Amerikaner zum Normandie-Format hinzuziehen, will dies nun auch in Kiew niemand mehr. Die Vierer-Runde sei weiter „das richtige Format“, betonte Merkel, nachdem sie mit allen Beteiligten darüber gesprochen hatte. Offenbar scheint nicht einmal Putin gesteigertes Interesse zu haben, Trump wegen der ihm unterstellten Unberechenbarkeit bei diesem komplizierten Thema mit am Tisch zu haben.

Was nicht heißt, dass die neue US-Regierung nicht eng einbezogen werden soll. Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen hatte schon vergangene Woche versucht, das Ukraine-Thema in einer Art und Weise zu präsentieren, die auch der Immobilienmagnat Trump verstehen kann: Es habe bei diesem Thema bereits einen „Deal“ gegeben, sagte Heusgen vor wenigen Tagen auf einer außenpolitischen Veranstaltung der Unions-Bundestagsfraktion. Der „Deal“ sei 1994 gewesen, dass Russland, die USA und Großbritannien als Gegenleistung für die Rückgabe der alten sowjetischen Atomwaffen auf ukrainischem Gebiet die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen garantierte. Diesen „Deal“ habe Russland dann aber nicht eingehalten, als es 2014 die Krim annektierte und die prorussischen Separatisten militärisch unterstützte.

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