Unterstützung für IS-Miliz Golfstaat Katar in der Terror-Falle

Katar soll die IS-Terroristen im Irak unterstützen. Der Golfstaat weist das zurück. In Deutschland glaubt man den Beteuerungen nicht. Ein Stellvertreter Merkels stellt Katar gar als Investor in Deutschland infrage.

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Quelle: dpa

Berlin Mit Ausbruch der Irak-Krise steht der kleine Golfstaat Katar unter verschärfter Beobachtung. Dem finanzkräftigen Emirat wird vorgeworfen, die Islamisten-Miliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen. Das Thema ist brisant. Wie brisant, kann man daran sehen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende dazu genötigt sah, zu dem Thema Stellung zu beziehen.

Sie reagierte damit auf Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der am vergangenen Mittwoch in einem Interview mit dem ZDF im Zusammenhang mit der Finanzierung der IS-Terroristen in Syrien und im Irak das „Stichwort Katar“ genannt hatte. Merkel ging daraufhin am Sonntag in einem ARD-Interview auf Distanz. Die IS-Gruppe sei finanziell sehr gut aufgestellt, ohne, soweit sie das wisse, von einem Staat unterstützt zu werden, sagte Merkel.

Vor Müller hatten jedoch auch schon SPD und Grüne von Verbindungen des westlichen Verbündeten zu den IS-Terroristen gesprochen. Selbst Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel schaltete sich ein. Ohne Katar direkt beim Namen zu nennen sagte Gabriel: „Die Debatte darüber, wer derzeit und in der Vergangenheit Finanzmittel für ISIS (heute IS) gegeben hat, die steht uns ja noch bevor.“ International werde diese Diskussion längst geführt.

Für Katar steht in dieser Hinsicht einiges auf dem Spiel. Deutsche Unternehmen sind für den Golfstaat ein attraktives Ziel für Investitionen. So ist der Scheich Hamad Bin Dschassim Bin Dschabir Al Thani größter Aktionär bei der Deutschen Bank, bei VW hält die Katar Holding 15,6 Prozent und bei Hochtief hat Katar einen Aktienanteil von 10 Prozent. Zudem investieren die Kataris in Siemens.

Auch im Fußball-Geschäft mischt das Emirat mit, produzierte jedoch zuletzt Negativschlagzeilen wegen der Umstände bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022.  Ein katarischer Offizieller soll fünf Millionen Dollar (umgerechnet etwa 3,67 Millionen Euro) Bestechungsgelder gezahlt haben, um die WM an den persischen Golf zu holen. Die Arbeiter auf den Stadionbaustellen klagen zudem über erbärmliche Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Bestechungs-, aber vor allem die Terrorvorwürfe kratzen am Image Katars, das nun in die Offensive geht.


Deutsche Politiker glauben Katar kein Wort

Man unterstütze „in keiner Weise“ extremistische Gruppen. „Wir finanzieren weder die IS noch andere extremistische Gruppen“, schrieb der Außenminister des Golfemirats, Chaled Al-Attijah, im Handelsblatt vom Montag. Katar lehne die Ansichten dieser Extremisten, ihre gewaltsamen Methoden und ihre Ziele ab. „Durch entschlossenes und gemeinsames Handeln müssen wir der sektiererischen Gewalt im Irak und in Syrien ein Ende setzen“, lautete der Appell des Politikers, der über die deutsche Unternehmensberatung CNC lanciert wurde.

„Die Gründe für den Erfolg der IS liegen auf der Hand“, führte Al-Attijah aus. Die Gruppe sei das Produkt sektiererischer Spaltungen und Gewalt in Syrien und im Irak. Das habe ein Klima geschaffen, in dem ausländische militante Kämpfer, viele von außerhalb der Region, ungehindert die Grenzen hätten passieren und die Schar der hausgemachten Terroristen vergrößern können. Eine einfache Lösung für die Probleme in der Region gebe es nicht. Es sei aber zwingend erforderlich, die Finanzströme zur Unterstützung von Extremisten zu unterbinden. Die Ermordung des US-Journalisten James Foley durch IS nannte der katarische Politiker „barbarisch“. Sie sei ebenso wie die Ermordung von über 70 Menschen in einer sunnitischen Moschee in Dijala ein „abscheuliches Verbrechen“.

In Deutschland begegnet die Politik der Verteidigungsrede Al-Attijahs mit großer Skepsis. Der CDU-Bundesvize Thomas Strobl stellte Katars gar als Investor in Deutschland infrage.  „Es ist ein großes Problem, wenn es von denen, die an deutschen Unternehmen beteiligt sind, eine finanzielle Unterstützung für Terroristen gibt“, sagte Strobl dem Handelsblatt (Dienstagausgabe). „Das gilt umso mehr, als die Terroristen unsere Werteordnung bekämpfen.“ Damit gehe es um „essenzielle Sicherheitsinteressen“ Deutschlands. „Ich rate allen Unternehmen, ein wachsames Auge zu haben und noch wachsamer zu sein, wenn sie sich Investoren ins Boot holen.“

Scharfe Kritik an Katar kam auch aus der SPD. Katars Einfluss auf die Konflikte in der Region wirke „nicht eben krisenentschärfend“, sagte der SPD-Bundesvize Ralf Stegner. Er räumte aber zugleich ein, dass sich „die Validität der Vorwürfe“ gegen den Golfstaat nur schwer beurteilen ließen, ohne die Faktenlage genau zu kennen.

Dennoch hält Stegner Konsequenzen im Hinblick auf Rüstungsexporte für unabdingbar. „Keine deutschen Waffenexporte mehr in Spannungsgebiete oder in Diktaturen. Das gilt mittelbar und unmittelbar für Staaten wie zum Beispiel Katar“, sagte der SPD-Politiker.

Für die Grünen ist längst belegt, dass Katar als Terror-Sponsor auftritt.  „Die vollmundigen Beteuerungen Katars, man finanziere keine extremistischen Gruppen, reichen schon lange nicht mehr aus“, sagte die Verteidigungsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, Handelsblatt Online. „Ob Muslimbrüder in Ägypten, Islamisten in Libyen, Mali, Syrien oder Irak – überall dort wird von Finanzierung aus katarischen Quellen berichtet.“


„Nicht nur IS soll am finanziellen Tropf Katars hängen“

Selbst Saudi Arabien, so Keul weiter, habe sich bereits bei Katar über diese Politik beschwert und selbst ein Gesetz beschlossen, wonach nicht nur die Beteiligung eigener Staatsangehöriger an Kämpfen im Ausland, sondern auch der Aufruf zur Teilnahme an solchen Kämpfen unter Strafe gestellt wurde. „Derartige Maßnahmen wären das Mindeste, was Katar vorlegen müsste, um der Uno-Resolution 2170 nachzukommen“, fügte Keul hinzu. In der Resolution werden alle Staaten aufgefordert, alle „notwendigen und geeigneten“ Maßnahmen zu ergreifen, „um der Aufstachelung zu durch Extremismus und Intoleranz motivierten terroristischen Handlungen entgegenzuwirken“.

Keul sieht die Forderung durch Katar nicht erfüllt. „Stattdessen ist die Werbung für IS, die Rekrutierung von Kämpfern und die Unterstützung durch Spenden für Kataris bis heute ohne jede Konsequenz möglich“, kritisierte die Grünen-Politikerin.  Damit dürfe die Bundesregierung sich nicht zufrieden geben. „Gerade dann nicht, wenn katarische Scheichs ihr Vermögen mit Vorliebe in Deutschland  investieren“, sagte Keul.  „Die Kanzlerin hat damit einen wirtschaftlichen Hebel in der Hand, um Druck auszuüben – den muss sie endlich auch nutzen.“

Der Terrorexperte Rolf Tophoven wies darauf hin, dass Katar neben Saudi Arabien immer wieder als Unterstützer der IS genannt wird. „Aber nicht nur IS soll am finanziellen Tropf Katars hängen“, sagte Tophoven Handelsblatt Online. Katar gelte nach Abgaben aus Israel zudem als einer der wenigen Unterstützer der Hamas. Die politische Führung der radikal-islamischen Organisation sitze in Katar. „Von dort kommt politische Unterstützung für Hamas - trotz aller Dementis, wie jetzt auch gegenüber IS und deren Terror.“

Die Aussagen des katarischen Außenministers wertet Tophoven als „Propaganda-Offensive“, die damit zu tun habe, dass Katar „im internationalen globalisierten Business involviert“ sei. „Angesichts der erhobenen Vorwürfe gegen Katar ist die dortige Regierung natürlich darum bemüht, gegenzusteuern“, sagte der Direktor des „Instituts für Krisenprävention“ (IFTUS) in Essen. „Denn ein Image als Terrorsponsor schadet dem Ruf.“

Gleichwohl gab Tophoven zu bedenken, das IS derzeit „die am besten eigenfinanzierte Truppe der Welt“ sei. „Durch Verkauf von Gas und Ö aus eroberten Produktionsstätten sprudelt das Geld in die Kassen der Terrormiliz“, erläuterte der Experte. „Das gewährt faktisch auch eine gewisse Unabhängigkeit von Katar, drängt aber die Vorwürfe nicht zurück.“


Katar als internationaler Krisenhelfer

Katar wird daher auch nicht müde, sich bei mächtigen Staaten nützlich zu machen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Dass ein in Syrien seit 2012 vermisste US-Journalist am Sonntag von seinen Entführern freigelassen wurde, könnte wohl auch auf Bemühungen des Golfemirats zurückzuführen sein. Ein Informant aus Katar sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Geheimdienste des Emirats hätten bei der Freilassung eine Rolle gespielt.  Auch als die USA ihren Gefangenenaustausch mit den afghanischen Taliban einfädelten, der letztlich zur Freilassung des US-Soldaten Bowe Bergdahl führte, mischte Katar als Vermittler hinter den Kulissen mit.

Katar tritt aber nicht nur als Vermittler in Entführungsfällen in Erscheinung. Der Luftwaffenstützpunkt Al-Udeid nahe der Hauptstadt Doha dient den US-Luftstreitkräften als Oberkommando und Logistikzentrale für die Region. 2011 unterstützte Katar die Nato-Angriffe gegen die Truppen des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Ghaddafi.

Die USA fühlen sich Katar nicht zuletzt auch deswegen verbunden, weil das Emirat 2005 etwa hundert Millionen US-Dollar nach Washington überwies - als Aufbauhilfe nach dem Wirbelsturm Katrina. Andererseits beobachten die Amerikaner misstrauisch die Sendungen des in Katar beheimateten Fernsehsenders Al-Dschasira, den Kritiker im Verdacht haben, anti-amerikanische Propaganda zu verbreiten.

Manchmal verspekulieren sich Katars Diplomaten aber auch. So engagierte sich das Land stark für die ägyptische Muslimbruderschaft. Als deren Kandidat Mohammed Mursi zum Präsidenten gewählt wurde, konnte er auf Milliardenhilfen aus Katar zurückgreifen. Seit Mursis Sturz im vergangenen Jahr ist Katar in Ägypten kaltgestellt.

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