US-Diplomatie in der Krise Rex Tillersons „Zombie-Ministerium“

Der Nordkorea-Konflikt stellt die bisher größte außenpolitische Herausforderung für die Trump-Regierung dar. Doch das Außenministerium steckt seit Trumps Amtsantritt selbst in einer Krise. Es mangelt überall an Personal.

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Zuletzt sind wiederholt Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Politikern zutage getreten. Quelle: Reuters

Washington Donald Trump droht Nordkorea mit „Feuer und Wut“. Aber er hofft weiter auf eine friedliche Lösung im Konflikt um Pjöngjangs Atomwaffenprogramm, wie das Weiße Haus nach dem jüngsten Telefonat des US-Präsidenten mit Chinas Staatschef Xi Jinping bekräftigte. Da sollte man annehmen, dass hinter den Kulissen die diplomatischen Drähte glühen und in vielen Büros im Washingtoner State Department auch nachts die Lichter nicht ausgehen. Schließlich ist der Außenminister der Chefdiplomat, und welche seiner Aufgaben könnte wichtiger sein als die, eine Krise nicht eskalieren zu lassen. Ist das also die Stunde des Rex Tillerson?

Auch in diesem Punkt gilt: Unter Donald Trump gehen die Uhren anders. Zum einen sind in der Vergangenheit wiederholt Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Politikern zutage getreten, brachte Trumps Unberechenbarkeit auch Tillerson mehr als einmal in eine peinliche Situation. So war auch der Außenminister anscheinend völlig überrascht von Trumps martialischer „Feuer und Wut“-Drohung - und gezwungen, danach abzuwiegeln: Die Amerikaner könnten in Ruhe schlafen, versicherte er.

Zudem häufen sich die Berichte, nach denen sich das State Department unter Tillerson in einem desolaten Zustand befinde. Wichtige Posten im Ministerium und in Auslandsvertretungen seien nicht besetzt, erfahrene Karrierebeamte kündigten oder drehten Däumchen, weil ihre Meinung und Arbeit nicht gefragt sei, heißt es. Auf Anrufe oder schriftliche Memoranden, die in der Chefetage eingereicht würden, gebe es keine Antwort.

„Die Moral in Foggy Bottom (dem Sitz des Ministeriums) hat einen Tiefstand erreicht“, überschrieb das Magazin „Foreign Policy“ eine jüngste Analyse. Washington fehlten wichtige Teile seines außenpolitischen Apparates, die nötig seien, die Herausforderung Nordkorea zu bewältigen, urteilt der „Business Insider“. Der Foreign Policy Association zufolge gibt es derzeit in rund 50 Ländern und internationalen Organisationen keinen US-Botschafter. Nicht einmal in Südkorea, wie Brian Klaas von der Londoner School of Economics kürzlich in einem Meinungsartikel für die Nachrichtenseite „The Hill“ hervorhob.

Demnach fehlen unter anderen Abteilungsleiter in wichtigen Ressorts wie Rüstungskontrolle, Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Verifikationen sowie die Ostasien- und Pazifikregion: „Die Liste geht weiter und weiter.“ Klaas spricht von einer „Zombie“-Behörde, der „Business Insider“ von einer „Skelett-Crew“.

Aber wer ist schuld? Trump hat wiederholt mit dem Finger auf den Kongress gezeigt, namentlich auf die Demokraten, die versuchten, ihm an allen Ecken und Enden in die Suppe zu spucken und die Bestätigung etwa von Botschafter-Nominierungen zu verzögern. Aber unbesetzt sind auch viele Posten, die der Kongress nicht absegnen muss, und die Demokraten sagen, dass Trump besser in den eigenen Spiegel schauen sollte. Er erschwere den Prozess, weil er nur Leute wolle, die seine „America First“ (Amerika zuerst)-Politik stützten, und misstraue allen, die im State Department schon unter früheren Regierungen gearbeitet hätten.

Tillerson selbst beklagte, dass eine Reihe von ihm vorgeschlagener Kandidaten vom Weißen Haus abgelehnt worden sei. Im State Department, so schildert etwa „Foreign Policy“, herrsche tiefer Frust über von Trump geplante Kürzungen von Personal und Budget und generell über eine Abwertung des State Department. „Sie sagen, dass Präsident Trump und seine Regierung die Arbeit, die sie ausführen, geringschätzen, untergraben oder sich nicht einmal bemühen, sie zu verstehen und dass das Vermächtnis von Jahrzehnten der amerikanischen Diplomatie in Gefahr ist“, werden Mitarbeiter zitiert

Der Außenminister soll sich mit einer engen Gruppe von Beratern zunehmend abkapseln, während das Weiße Haus das State Department „niederwalzt“, wie es ein außenpolitischer Analyst kürzlich bei CNN formulierte.

Aber vielleicht drückt sich in Tillersons Verhalten ja auch der eigene Frust des früheren ExxonMobil-Chefs - gewohnt, selbst ein Macher zu sein - über den offensichtlich begrenzten Einfluss auf seinen Chef aus. Schon seit Wochen halten sich Berichte, nach denen Tillerson in seinem Job alles andere als glücklich sein soll, dass er sich von Trump nicht genügend respektiert fühlt, es zwischen beiden nicht so stimmt, wie es stimmen sollte.

So war Tillerson erst kürzlich gezwungen, Gerüchte zu dementieren, dass er an einen Rücktritt denke. „Ich gehe überhaupt nirgendwo hin“, versicherte er. Sein Verhältnis zu Trump sei gut, „er hat Vertrauen zu mir.“

Tatsache ist aber, dass sich in den vergangenen Monaten bei zentralen außenpolitischen Themen immer wieder Meinungsdifferenzen zwischen Trump und Tillerson gezeigt haben. So sprach sich der Außenminister für einen Verbleib der USA im Klimaschutzabkommen von Paris aus. Der Präsident entschied sich für den Ausstieg. In der Golfkrise kritisierte Trump Katar, favorisierte Saudi-Arabien. Tillerson rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Und am Freitag brachte Trump auch noch eine militärische Option in Sachen Venezuela ins Spiel, was das Pentagon geradeziehen musste. Das alles sind keine Sternstunden in der Außenpolitik des mächtigsten Staates der Welt.

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