US-Sanktionen gegen Russland „Ich halte den Beschluss für falsch und gefährlich“

Deutschland ist zwar für härtere Sanktionen gegen Russland. Doch ein Beschluss des US-Senats geht Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig zu weit. Denn der Abschluss könnte die Energieversorgung Europas gefährden.

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Im Dezember 2016 liegen im Hafen von Sassnitz-Mukran (Mecklenburg-Vorpommern) Rohren für die Gaspipeline nach Russland. Quelle: Jens Büdpa

Berlin/Washington Das deutsche Wirtschaftsministerium hat die Entscheidung des US-Senats für schärfere Sanktionen gegen Russland heftig kritisiert. „Ich halte die nun vom Senat getroffene Beschlussfassung für falsch und gefährlich“, sagte Staatssekretär Matthias Machnig am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Gesetzentwurf sehe extraterritoriale Sanktionen vor, wirke sich also auch auf nicht-amerikanische Firmen aus. „Das zielt auch auf unsere Energieversorgung in Europa und ist ein ernsthaftes Thema für den Wirtschaftsstandort“, kritisierte der SPD-Politiker.

Machnig erneuerte die rechtlichen Vorbehalte der Bundesregierung gegen den Gesetzentwurf, der zuvor bereits das US-Repräsentantenhaus passiert hatte. „Extraterritoriale Sanktionen verstoßen gegen das Völkerrecht und schaden den Beziehungen zwischen Partnern wie Europa und den USA.“

US-Präsident Donald Trump hat noch offen gelassen, wie er sich zu der Gesetzesinitiative stellt. Er könne den Text so wie er vorliege abzeichnen, könnte aber auch sein Veto mit dem Ziel einlegen, eine noch schärfere Formulierung gegen Russland zu erreichen, hatte sein neuer Kommunikationschef Anthony Scaramucci gesagt. Das Gesetz bedarf der Unterschrift des Präsidenten, um in Kraft zu treten. Russland hat indes bereits auf die Sanktionspläne des US-Kongresses reagiert und eine Reduzierung des amerikanischen Diplomaten-Personals in Moskau gefordert.

Der US-Senat hatte trotz der Kritik aus Europa und Russland mit großer Mehrheit für eine Verschärfung der Sanktionen gegen das Land gestimmt. Der entsprechende Gesetzentwurf, der auch Strafmaßnahmen gegen Nordkorea und den Iran vorsieht, wurde am Donnerstag mit 98 zu 2 Stimmen angenommen und muss noch von Präsident Donald Trump unterschrieben werden. Er könnte sein Veto einlegen, was allerdings durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit beider Parlamentskammern ausgehebelt werden könnte. Das Repräsentantenhaus hatte bereits mit 419 zu 3 Stimmen für den Entwurf gestimmt. Das überparteiliche Votum in beiden Kongresskammern ist ungewöhnlich, weil sich Demokraten und Republikaner gerade bei Themen wie der Gesundheitsreform Obamacare erbittert bekämpfen.

Hintergrund der Sanktionen gegen Russland ist die Einschätzung der Geheimdienste, wonach sich die Regierung in Moskau in die US-Präsidentenwahl im vergangenen Jahr einmischte. Russland hat diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Präsident Wladimir Putin drohte mit Vergeltung, falls die Strafmaßnahmen umgesetzt werden. Trump hatte nach einem Treffen mit Putin auf dem G20-Gipfel Anfang Juli gesagt, er habe den russischen Staatschef mehrmals gefragt, ob Russland sich in den US-Wahlkampf eingemischt habe. Dies habe Putin verneint.


Deutschland für härtere Sanktionen

Viele europäische Politiker haben kritisiert, dass sich die USA mit den neuen Sanktionen wirtschaftliche Vorteile verschaffen wollten. So hatte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries zuletzt vor einem Handelskrieg gewarnt. Nach Ansicht deutscher Industrievertreter wollen die USA mit den Strafmaßnahmen etwa die Pipeline Nord Stream 2 verhindern, mit der mehr Erdgas von Russland über die Ostsee nach Deutschland gepumpt werden soll. Die USA sind eines der wichtigsten Energieförderländer, während Europa den größten Teil des Bedarfes importieren muss.

Die EU und die USA hatten nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim beide Sanktionen gegen Russland verhängt. Obwohl die Bundesregierung dabei eine vergleichsweise harte Haltung einnimmt, rechnet die Industrie damit, dass die Ausfuhren nach Russland in diesem Jahr um 20 Prozent steigen werden.

Deutschland fordert nach dem Auftauchen von Siemens-Gasturbinen auf der Krim, die eigentlich derzeit nicht mit Energietechnik beliefert werden darf, selbst härtere Sanktionen gegen Russland. Diplomaten zufolge haben sich die meisten EU-Staaten berits hinter den deutschen Vorschlag gestellt. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht getroffen, sagten Diplomaten am Donnerstag. Der Vorschlag sei an eine Arbeitsgruppe von Rechtsexperten weitergeleitet worden. Eine Entscheidung könne schon in der kommenden Woche anstehen, hieß es. Zwei Diplomaten sagten, Italien habe sich skeptisch geäußert, auch Luxemburg habe Vorbehalte. Die diplomatischen Vertretungen beider Länder waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die schärferen Sanktionen könnten sich Insidern zufolge gegen Mitarbeiter des Energieministeriums sowie das Unternehmen richten, das die Turbinen auf die von Russland annektierte Halbinsel gebracht hatte. Auf der Krim sind mindestens zwei Siemens-Gasturbinen aufgetaucht, die eigentlich für ein Projekt auf der südrussischen Halbinsel Taman bestimmt waren. Siemens sieht sich als Opfer seines russischen Kunden und reichte in Moskau Klage gegen das Unternehmen ein. Das Unternehmen machte dagegen geltend, die Turbinen seien auf dem Zweitmarkt gekauft worden. Auch die Regierung in Moskau vertritt den Standpunkt, dass es sich um Turbinen aus russischer Produktion handelt.

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