US-Wahl 2016 Trumps wirres Wirtschaftskonzept

Zölle und Fabrikjobs sollen es reißen, außerdem müssten die USA unabhängiger werden: Donald Trump hat seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen klargemacht. Was ist wirr, was nicht: ein Faktencheck.

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Mehr als eine Behauptung, die Donald Trump in seinen Plänen für die US-Wirtschaft, aufstellt, ist falsch. Quelle: Reuters

Washington Glänzende Wolkenkratzer und neue Fabriken will Donald Trump bauen, und zwar „aus amerikanischem Stahl“: Anfang der Woche führte der voraussichtliche US-Präsidentschaftskandidat seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen aus – und sie erinnern sehr an vergangene Zeiten. Denn in der nostalgisch getönten Zukunftsvision soll die moderne US-Wirtschaft durch Einfuhrzölle und Jobs im produzierenden Gewerbe auf Vordermann gebracht werden. Dafür müsste Trump nicht nur die Globalisierung ungeschehen machen, sondern auch die radikal veränderten Rahmenbedingungen der Arbeitswelt. Im Folgenden werden seinen Argumenten Fakten gegenübergestellt.

Trump: „Unsere Gründerväter verstanden den Handel viel besser als unsere gegenwärtigen Politiker.“
Fakt ist: Der Welthandel läuft heute völlig anders ab als im 18. Jahrhundert. Anstelle von Fregatten und Klippern werden Güter per Containerschiff und Flugzeug transportiert. Und lief im kolonialen Amerika viel über den Tauschhandel, so fließt heute elektronisch Geld über Computerverbindungen.

In den Jahren nach der Gründung der USA wurden Zölle erhoben, um die aufstrebende Industriewirtschaft zu schützen. Heute werden die Arbeitsplätze in US-Fabriken mindestens genauso sehr von der zunehmenden Automatisierung bedroht wie von anderen Handelsmächten. Zölle machten damals die Waren für die Mittelklasse teurer, während Industriemagnaten eine geringe Steuerlast hatten. Das führte dazu, dass die US-Wähler 1912 für eine gerechtere Steuerstruktur votierten und sich weniger auf den Schutz der heimischen Industrie verließen. Ihre Lösung damals: die Einkommenssteuer.

Die US-Regierung nimmt lediglich 35 Milliarden US-Dollar (31,45 Milliarden Euro) durch Zölle ein. Wollte Trump den Staat auf ähnliche Weise finanzieren wie die Gründerväter, so müsste sich dieser Betrag etwa verhundertfachen.

Trump: „Wenn subventionierter ausländischer Stahl auf unseren Markt geworfen wird und unsere Fabriken bedroht, dann haben die Politiker bewiesen, dass sie nichts tun.“
Fakt ist: Sie tun sehr wohl etwas. Die Obama-Regierung belegte chinesische Stahlhersteller in diesem Jahr mit insgesamt 522 Prozent Aufschlägen und Strafzöllen: Da die staatlich subventionierten Stahlwerke in China zu viel kaltgewalzten Stahl produzierten, warfen sie ihn zu Dumpingpreisen auf den US-Markt. Als fünf US-Stahlproduzenten 2015 Beschwerde einlegten, stellte das Handelsministerium Untersuchungen an und kündigte im März die erste der neuen Steuern an. Trump könnte höchstens monieren, dass die vorgeschriebene Untersuchung zu lange dauerte.

Trump: „Diese Globalisierungswelle hat unsere Mittelklasse ausgelöscht.“
Fakt ist: Für die Erosion der bürgerlichen Arbeiterklasse ist zum Teil tatsächlich die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer verantwortlich. Doch schuld ist nicht die Weltwirtschaft allein, es gab auch andere, tiefgreifende Veränderungen: Die Automatisierung vernichtete Millionen Routinejobs wie Fließbandarbeiten. Auch Bürojobs wie Sekretärinnenstellen wurden von Email und Voicemail ersetzt. Nach Untersuchungen der Ökonomen Henry Siu und Nir Jaimovich sind seit den Rezessionen der 1990er Jahre Arbeitsplätze durch die Automatisierung zunehmend verschwunden.

Auch Hochschulbildung wurde immer wichtiger, so dass jene ohne Studienabschlüsse auf der Strecke bleiben. Die Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen liegt in den USA bei lediglich 2,4 Prozent, von Abiturienten bei 5,1 Prozent und von Schulabbrechern bei 7,1 Prozent.

Trump: „Wir besteuern und regulieren unsere Unternehmen zu Tode, und dann erlauben wir ausländischen Staaten, die schummeln, den zollfreien Export ihrer Waren zu uns. Als Folge davon sind wir mehr vom Ausland abhängig als je zuvor.“


Der Warenimport übersteige die Exporte


Fakt ist: Die Abhängigkeit ist gegenseitig. Auch ausländische Unternehmen sind darauf angewiesen, ihre Waren an US-Kunden zu verkaufen. Also könnte man auch behaupten, dass China zunehmend von den USA abhängig ist. Verantwortlich sind dafür auch Kunden von Ketten wie Wal-Mart, die lieber weniger zahlen, als heimische Produkte zu kaufen. Nach einer AP-Umfrage kaufen rund zwei Drittel der US-Bürger lieber in Asien genähte Hosen für 50 US-Dollar als in den USA gefertigte für 85 US-Dollar. Steigen die Preise zu sehr, geben die Amerikaner weniger aus und das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich.

Zudem stehen ausländische und US-Produktionsstätten nicht immer in direktem Wettbewerb: Ungefähr die Hälfte der Importgüter sind nach Angaben des US-Interessenverbands American Action Forum Halbfertigprodukte, die von US-Firmen zusammen gebaut werden.

Trump: „Heutzutage übersteigen unsere Warenimporte die Exporte um fast 800 Milliarden US-Dollar. Das ist keine Naturkatastrophe, sondern eine von Politikern verursachte Katastrophe.“
Fakt ist: Die Größenordnung stimmt, doch es ist nicht die ganze Wahrheit: 2015 betrug das Handelsdefizit bei Waren 762,6 Milliarden US-Dollar. Doch Trump unterlässt es, die Dienstleistungen einzurechnen, die US-Firmen ans Ausland verkaufen. Diese reduzieren das Gesamthandelsdefizit nach Angaben der US-Statistikbehörde auf etwa 500 Milliarden US-Dollar.

Dies kann man nicht nur den Politikern anlasten. Viele Unternehmen verlagerten zur Gewinnsteigerung ihre Produktionsstätten ins Ausland, andere behielten sie in den USA. Trump selbst lässt seine Krawatten-Kollektionen und Markenkleidung unter anderem in China nähen.

Trump: „Wir gehören weltweit zu den Staaten mit der höchsten Steuerlast.“
Fakt ist: Diese wiederholte Behauptung Trumps ist falsch. Die Steuerlast in den USA gehört zu den niedrigsten der 34 Industrie- und großen Schwellenländer der OECD. 2014 machten Steuern 26 Prozent der gesamten US-Wirtschaft aus, verglichen mit 42,7 Prozent in Schweden, 32,6 Prozent in Großbritannien oder 36,1 Prozent in Deutschland. In nur drei OECD-Staaten sind die Steuern noch niedriger - in Chile, Südkorea und Mexiko.

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