Der Mann, der Donald Trumps Sieg vorhersagte Männer lügen gern am Telefon

Warum die Demoskopen bei der US-Wahl so falsch lagen – und was sich daraus für die empirische Wirtschaftsforschung ableiten lässt. Ein Gespräch mit Arie Kapteyn, der den Wahlsieg Trumps prognostizierte.

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Arie-Kapteyn Quelle: Presse

Große Demoskopieunternehmen wie Gallup und YouGov haben sich blamiert, ein in Kalifornien lehrender niederländischer Ökonomieprofessor und seine Mitarbeiter lagen dagegen richtig: Die durchaus Trump-feindliche Tageszeitung „Los Angeles Times“ hatte eine kleine Forschergruppe an der University of South California angeheuert, um vom Sommer an bis zum Wahltag täglich Umfragewerte zur Präsidentschaftswahl zu publizieren. Donald Trump schnitt dabei regelmäßig um fünf bis sieben Punkte besser ab als bei den großen Instituten. Woran lag das?

WirtschaftsWoche: Herr Professor Kapteyn, Ihre Forschungsgruppe hat im Gegensatz zu anderen Demoskopen den Ausgang der Präsidentschaftswahl richtig vorhergesagt. Sind Sie neben Donald Trump der Sieger dieser Wahl?

Arie Kapteyn: Aber nein. Vergessen Sie nicht, dass Hillary Clinton zwar in den entscheidenden Bundesstaaten verloren hat, aber insgesamt mehr Wählerstimmen bekommen hat als Trump. Man könnte also sagen: Hier lagen wir falsch. Was wir in der Tat besser als andere akademische Forscher und kommerzielle Demoskopen hinbekommen haben: Unsere Prognosen haben die Zustimmungswerte für Trump nicht untertrieben.

Darum hat Trump gewonnen

Wie konnten Sie das schaffen? Was haben Sie mit Ihrer kleinen Forschergruppe besser gemacht als etablierte Meinungsforscher?

Wir sind fast die Einzigen gewesen, die sich nicht auf Telefonumfragen gestützt haben, sondern auf Chats im Internet mit den Befragten. Wir sind im ständigen Austausch mit etwa 3000 repräsentativ ausgewählten Amerikanern. Von denen lassen wir uns alles Mögliche mitteilen, keineswegs nur ihre Wahlabsichten.

Was ist denn schlecht an Telefonumfragen?

Es ist zunehmend so, dass Sie über zufällig ausgewählte Festnetznummern vor allem ältere Leute erreichen. Die jüngeren Menschen haben Mobiltelefone, aber da antworten viele grundsätzlich nicht, wenn der Anrufer eine unbekannte Nummer hat. Auch sagen immer mehr Menschen bei Telefonumfragen nicht die Wahrheit – weil sie sich beim Interviewer nicht unbeliebt machen wollen.

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Der typische Trump-Wähler misstraut dem Meinungsforscher, weil er ihn für ein Mitglied der akademischen Elite hält, die politisch anders tickt als er?

Genau. Vielen ist es peinlich, am Telefon Dinge zuzugeben, die sie gegenüber anderen Menschen auch sonst nicht eingestehen würden. Das gilt nicht nur für politische Themen. Niemand gibt zum Beispiel gern am Telefon zu, dass er ungesunde Lebensgewohnheiten hat oder sein Geld verschwendet. Wir kennen das gut, weil sich unsere Forschung keineswegs auf Wahlumfragen beschränkt.

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Und bei Befragungen über das Internet soll das anders sein?

Ja, zumindest wenn man wie wir mit einem festen Panel arbeitet, also über einen längeren Zeitraum immer dieselben Menschen nach allem Möglichen fragt. Da entsteht ein gewisses Vertrauensverhältnis.

Sollten Ihre Methoden auch in Europa genutzt werden? Auch hier lagen Demoskopen in jüngster Zeit daneben, wenn wir nur an den Brexit denken.

Was Menschen gerne mitteilen oder am Telefon eher verschweigen, ist von Land zu Land verschieden. Ich glaube dennoch, dass die empirische Forschung generell mit Internetbefragungen und festen Panels große Fortschritte machen kann, gerade auch bei Wirtschaftsthemen. Bei Ihnen in Deutschland macht das Sozio-oekonomische Panel des DIW sehr gute Arbeit mit seiner festen Gruppe von Befragten. Aber auch dieses Panel ließe sich vielleicht verbessern, wenn die Forscher wie wir über das Internet regelmäßig mit den Befragten kommunizierten.

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