Natürlich blickt Donald Trump, der narzisstische Milliardär, zuversichtlich auf die US-Präsidentschaftswahl am 8. November. „Leute, es wird so einfach [Hillary Clinton zu schlagen]. Das wird so großartig“, ruft Trump seinen Anhängern zu. Er habe noch nicht einmal richtig angefangen, Clinton in die Mangel zu nehmen – und bringe die Demokratin schon jetzt in Bedrängnis.
Tatsächlich holt Trump laut einer aktuellen Umfrage von Reuters/Ipsos zunehmend auf. Wären morgen die US-Wahlen würden 41 Prozent der Befragten Clinton wählen, 40 Prozent Donald Trump. 19 Prozent seien noch unentschlossen.
Doch die Umfragen lassen außen vor, dass der US-Präsident nicht direkt gewählt wird, sondern durch Wahlmänner. Nicht derjenige Kandidat mit den meisten Stimmen (im Englischen: popular vote) wird zwangsläufig der mächtigsten Mann oder die mächtigste Frau der Welt, sondern derjenige, der mindestens 270 Wahlmänner hinter sich vereinigen kann. Die Delegierten stammen aus den Bundesstaaten, die je nach ihrer Bevölkerungsgröße Wahlmänner entsenden dürfen.
Bei der letzten Wahl, 2012, siegte Barack Obama gegen den republikanischen Kandidaten Mitt Romney deutlich. Obama konnte 332 Wahlmänner gewinnen, Romney kam nur auf 206. Will Donald Trump die Wahlen anno 2016 gewinnen, muss er also alle Bundesstaaten verteidigen, die Romney 2012 geholt hat - eng werden könnte das etwa in Missouri, Utah oder North Carolina. Zusätzlich muss er mindestens drei weitere große Bundesstaaten gewinnen - zum Beispiel Florida, Ohio und Michigan.
Glaubt man den derzeitigen Umfragen, liegt Clinton – die vor allem bei Frauen und Minderheiten deutlich besser abschneidet als Trump – unter anderem in den wichtigen Staaten Florida, Ohio, Virginia und North Carolina vorne. Wären morgen die US-Wahlen könnte Clinton mit 347 Wahlmännern rechnen, Trump nur mit 191.
Nein, für Trump wird es im November nicht einfach. „The road to victory“, der Weg zum Erfolg, wie die US-Amerikaner so schön sagen, ist steinig. Hillary Clinton (oder auch Bernie Sanders, der noch im Rennen um die Kandidatur bei den Demokraten ist, aber im internen Duell deutlich hinter der Ex-US-Außenministerin liegt) geht als Favoritin in die Wahl im November.
Drei Szenarien aber könnten das Bild grundlegend verändern – und Trump doch ins Weiße Haus katapultieren.
1. Bernie Sanders wird von den Demokraten als Präsidentschaftskandidat nominiert
Der Senator aus Vermont liegt im Rennen um die Nominierung deutlich hinter Hillary Clinton. Zwar hat der Linksaußen-Kandidat 20 (von bisher 46 Vorwahlen) gewonnen; doch aktuell konnte er nur 1433 Delegiertenstammen sammeln. Clinton zum Vergleich kommt auf 1716. Und: Von den Superdelegierten haben sich 524 für Clinton ausgesprochen, nur 40 für Sanders.
Die Marke Donald Trump
Als Baulöwe, Casinobetreiber, Golfclubbesitzer und Ausrichter von Schönheitswettbewerben hat der New Yorker ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar angehäuft – nach eigenen Angaben.
Trumps Satz „You’re fired“, mit dem er in der Show „The Apprentice“ ehrgeizige Jungunternehmer feuerte, wurde zum geflügelten Wort.
Trump spendete auch an Demokraten wie die Clintons, tritt nun aber für die Republikaner an.
Deren Aussage allerdings ist nicht bindend. Auf dem Nominierungsparteitag im Juli könnten die Parteimitglieder ihre Meinung ändern – und sich doch noch auf Sanders Seite schlagen. Etwa, wenn Sanders alle noch ausstehenden Vorwahlen – darunter im bevölkerungsreichen Kalifornien – gewinnt und die Superdelegierten der Meinung sind, dass Sanders die besseren Siegchancen gegen Trump hat.
Auch könnte Clinton in den Augen der Delegierten nicht mehr tragbar sein. Das könnte passieren, falls ein Skandal publik wird, der die Ex-Außenministerin schwer beschädigt. Zum Beispiel wenn neue Details in der eMail-Affäre oder dubiose Zahlungen an die Clinton Foundation bekannt werden, die als Bestechung gewertet werden könnten.
Sollte Sanders überraschend doch als Präsidentschaftskandidat der Demokraten in der Wahl am 8. November gegen Donald Trump antreten, würden die Karten neu gemischt. Zwei polarisierende Männer würden gegeneinander um Stimmen kämpfen. Sanders etwa will den Mindestlohn flächendeckend auf 15 US-Dollar die Stunde anheben, das Studium an öffentlichen Hochschulen kostenfrei anbieten und die Krankenversicherung deutlich ausbauen. Selbst linke Ökonomen halten die Pläne für zu teuer und kritisieren, die Staatsschulden würden explodieren. Massentauglich sind die Politikversprechen des selbsterklärten Sozialisten nicht.
Außergewöhnliche Ereignisse können Trump helfen
Wähler, die sich der Mitte zuordnen, könnten ebenso verschreckt werden wie Minderheiten, die Sanders in den Vorwahlen nicht ansprechen konnte. Selbst wenn Afroamerikaner, Hispanics und das große bürgerliche Lager nicht direkt zu Trump überlaufen, sondern einfach der Wahl fernbleiben, könnten sie den Republikaner indirekt zum Präsidenten machen. Die Demokraten brauchen eine hohe Wahlbeteiligung, um die Konservativen zu schlagen. Sanders könnte an dieser Hürde scheitern.
2. Hillary Clinton wird angeklagt
Die Demokratin musste bereits im vergangenen Jahr zugeben, während ihrer Amtszeit als US-Außenministerin keine dienstliche eMail-Adresse genutzt zu haben. Stattdessen verwendete sie – angeblich aus Bequemlichkeit – ihren privaten Account, der deutlich weniger stark gesichert ist.
Über den unsicheren Kanal schickte sie Zehntausende eMails. Auch solche, die vertrauliche Informationen enthielten. Das FBI hat sich eingeschaltet. Die Ermittlungen, die noch andauern, drehen sich um die Frage, ob durch Clintons Verhalten streng geheime Informationen nach außen gedrungen sind. Im Extremfall droht Clinton eine Anklage durch das Bundesjustizministerium. Sollte das der Fall sein, wäre Clinton schwer beschädigt.
Trump hält den Skandal bereits jetzt „für eine große Sache“. Es seien schon unzählige Politiker wegen weitaus geringeren Vergehen zurückgetreten, behauptet der Milliardär. In der Öffentlichkeit ist umstritten, wie schwer Clintons Vergehen ist. Die Ex-Außenministerin spielt die Affäre herunter. Die Taktik geht auf – sollte es nicht zu einer Anklage kommen.
3. Terroranschlag auf US-amerikanischen Boden
Die Bedrohung hat sich gefühlt verlagert. Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel scheint primär Europa im Fadenkreuz der Terrormiliz Islamischer Staat zu sein. In den USA scheint die Gefahr eines Anschlags derzeit geringer als in Frankreich, Deutschland oder an den Stränden Italiens. Sollte diese Annahme ein Irrtum sein, sollten die islamistischen Terroristen einen Anschlag auf US-amerikanischen Boden verüben, wäre Donald Trump über Nacht der Favorit bei den Präsidentschaftswahlen.
Trump hetzt seit Monaten gegen Muslime, stellt die Gläubigen unter Generalverdacht. Er fordert ein temporäres Einreiseverbot von Muslimen in die USA. Gleichzeitig will er den IS militärisch vernichten. Trump, der das US-Militär nach eigenen Worten größer und stärker denn je machen will, hat die Parole ausgerufen, den Islamischen Staat schlicht kaputt zu bomben ("bomb the hell out of ISIS"). Terroristen in Gefangenschaft will er foltern, um an Informationen zu kommen.
All diese Aussagen sind derzeit in den USA höchst umstritten, dürften aber auf überwältigende Zustimmung treffen, sollten die USA Ziel eines Anschlags werden. Die Sicherheit wäre dann plötzlich das Wahlkampfthema Nummer eins; ein Themenfeld, das Trump dominiert. Seine Wahl wäre wohl kaum zu verhindern.
Fazit: Donald Trump geht als Außenseiter in die US-Präsidentschaftswahl. Ausgeschlossen ist ein Sieg aber nicht. Zumal, wenn außergewöhnliche Ereignisse eintreffen.
Warum Deutschland ein Präsident Trump teuer zu stehen kommen würde, warum alleine seine Kandidatur schon hohe politische wie finanzielle Kosten verursacht, können Sie in der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche lesen.