Einblick

Der US-Wahlkampf ist der schmutzigste der Geschichte

Das Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump wird als der bislang abstoßendste Wahlkampf in die neuere Geschichte der USA eingehen. Sein erstes Opfer ist die Demokratie. Das zweite Opfer wird die Wirtschaft sein.

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Der Schein trügt. Der derzeitige US-Wahlkampf soll der schmutzigste der Geschichte sein. Quelle: dpa

Verdun liegt jetzt ganz weit im Westen. Im übertragenen Sinne natürlich. Was sich in der letzten Phase des US-Wahlkampfs abspielt, ist die virtuelle Variante eines Stellungskriegs. Die politischen Kombattanten liegen in den Gräben, feuern auf den jeweiligen Gegner, und auf beiden Seiten der Front bewegt sich nichts mehr. Damit sind wir zurück auf dem Niveau der zweiten Schlacht um Petersburg (1864) gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Man muss ja nichts lernen aus Erfahrung.

Dieser Wahlkampf wird als der bislang schmutzigste und abstoßendste in die neuere Geschichte der USA eingehen. Sein erstes Opfer ist die Demokratie. Der immer neu aufflammende Verdacht gegen Hillary Clinton als eine Politikerin, die sich nicht an Recht und Gesetz hält, hat viel Vertrauen zerstört. Gleiches gilt für Donald Trump. Wer als Bewerber für das höchste Amt in der ältesten Demokratie der Welt vorsorglich bekannt gibt, das Wahlergebnis anzufechten, wenn er verliert, und seine Herausforderin ins Gefängnis stecken will, der missbraucht die Möglichkeiten einer Demokratie. Öffentlich proklamieren Trump-Wähler inzwischen, sie wollten bei einem Clinton-Sieg zum Sturm aufs Kapitol blasen. Der nächste Bürgerkrieg wird schon mal verbal erklärt.

Nicht die Wahl ist „rigged“ (manipuliert), wie Trump es immer wieder formuliert, sondern das politische System eines inzwischen tief zerrissenen Landes. Eine aktuelle repräsentative Umfrage unter der Generation der 18- bis 29-Jährigen zeigt: Knapp die Hälfte der Jungen ist der Überzeugung, das Land sei auf dem falschen Weg. Noch schlimmer: Mehr als die Hälfte haben Angst vor der Zukunft. Das zweite Opfer dieses Wahlkampfs ist die Wirtschaft. Er verschleudert das wichtigste Kapital, das Amerika hat: eine optimistische, zupackende Generation, die glaubt, dass sie etwas verändern kann. Wer ohne Zuversicht ist, der gründet nicht und überlässt das Unternehmen anderen.

Die WirtschaftsWoche war mit dem Redaktionsteam für die aktuelle Ausgabe überall in den USA unterwegs, um sich ein eigenes Bild davon zu machen, welche Erwartungen es an den nächsten Präsidenten gibt. Dabei sind wir vielen Politikern, Unternehmerinnen, Gründern und Macherinnen begegnet, die sich nicht unterkriegen lassen. Aber auch vielen Menschen, die alle Hoffnung auf Besserung verloren haben. Es gibt zu viele, die abgehängt und vergessen wurden. Wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, sie wieder in Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren, dann wird der soziale Stellungskrieg im Wortsinne das neue Wahrzeichen der USA. Um das zu verhindern, braucht es eine Steuerreform, eine bessere Einwanderungspolitik und Investitionen in die Infrastruktur.

Optimisten übrigens werden nicht als solche geboren. Sie bilden sich. In der Schule, im Arbeitsleben, immer durch das Testen der eigenen Möglichkeiten und den eigenen Erfolg angetrieben. Das war mal Kern des amerikanischen Traums. Nach dem 8. November wird es Zeit, nicht mehr den Gegner, sondern die Zukunft ins Auge zu fassen.

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