Aus Sicht Zoellicks ist Clinton dafür nahezu prädestiniert, da sie wie wohl kein Präsidentschaftskandidat je zuvor in der Geschichte für das politische Establishment steht. Clinton war First Lady, Senatorin und Außenministerin. Mit nunmehr 69 Jahren hat sie einen Großteil ihres Lebens der Politik gewidmet. Gewinnt sie am 8. November die Wahl, müsste also eine Vertreterin des etablierten und vor allem bei Trump-Anhängern verhassten Systems für die Vorteile genau jenes Systems werben. „Sie muss der Frustration im Land entgegentreten“, sagte Zoellick. „Mit einer Steuerreform, Investitionen in Infrastruktur und einer klugen Handelspolitik.“
Vor allem letztes dürfte ein heikles Unterfangen werden. Trump hatte das nordamerikanische Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko im Wahlkampf immer wieder gegeißelt. Der sogenannte Nafta-Vertrag habe viele Millionen Jobs in den Vereinigten Staaten vernichtet, so das Credo des Milliardärs. Als künftige US-Präsidentin müsste Clinton über die Zukunft von gleich zwei mutmaßlich wegweisenden Freihandelsabkommen entscheiden. Das pazifische Abkommen (TPP) mit Staaten wie Australien, Japan und Vietnam und das transatlantische Abkommen mit den Europäern, kurz TTIP.
Trump: Clinton-Politik führt zu drittem Weltkrieg
WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel hofft, dass es Clinton gelingt, die Idee vom Freihandel wiederzubeleben. „Kleinere und mittlere Unternehmen in Deutschland sind auf Freihandel angewiesen“, sagte Meckel in New York. Viele Mittelständler seien lediglich unzufrieden, wie das Abkommen ausgehandelt werde. Und das sei ein weiterer Grund für die Verunsicherung der Bürger – in Europa und den Vereinigten Staaten. Meckels Schlussfolgerung: „Die Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks müssen ihre Politik anpassen, um denen gerecht zu werden, die sich zurückgelassen fühlen – ohne dabei auf Freihandel zu verzichten.“
Botschafter Matussek ist optimistisch, dass Clinton als künftiger US-Präsidentin genau das gelingen wird. „Natürlich hinterlässt dieser Wahlkampf Wunden“, sagte Matussek. Doch die würden heilen, ebenso das angeschlagene transatlantische Verhältnis. „Wir werden eine aktive US-Regierung erleben, mit der die Europäer zusammen die großen Probleme der Gegenwart angehen können.“ In weniger als zwei Wochen entscheiden die US-Bürger, ob sie diesen Weg mit Clinton als Präsidentin einschlagen wollen.