US-Wahlkampf der Demokraten Alles oder nichts

Die Samthandschuhe sind runter. Die angehenden Präsidentschaftskandidaten der Demokraten Hillary Clinton und Bernie Sanders messen ihre Kräfte. Es geht um alles oder nichts. Sanders wagt einen unpopulären Vorstoß.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der größte Druck lastete auf der 68-Jährigen. Quelle: AFP

San Francisco Es war das letzte Aufeinandertreffen der demokratischen Präsidentschaftskandidaten vor der richtungsweisenden Wahlentscheidung in Iowa, wenn der Bundesstaat am 1. Februar seinen Präsidentschaftskandidaten kürt. Die „Town Hall“ genannt Diskussionsrunde in der Drake Universität in Des Moines, Iowa, war kurzfristig vom Sender CNN angesetzt worden.

Umfrageergebnisse hatten gezeigt, dass sich eine einst einsame Führung Hillary Clintons in ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Bernie Sanders gewandelt hatte. Die Organisation der Veranstaltung war anders als die übliche Debattenform, bei der sich die Kandidaten gegenseitig befragen und im Zweifel angreifen und anfeinden. Am Montag traten zuerst Senator Bernie Sanders aus Vermont an, danach Gouverneur Martin O’Malley und zum Schluss die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton.

Statt gegeneinander anzutreten mussten sie sich alleine den Fragen des Moderators und des Publikums stellen, und alle Kandidaten zeigten einen ungebrochenen Kampfeswillen. In ersten Reaktionen werten politische Beobachter den Ausgang der Veranstaltung als unentschieden.

Sanders will „eine politische Revolution“

Der größte Druck an diesem Abend lastete mit Abstand auf Hillary Clinton. 2008 unterlag sie in Iowa völlig unerwartet einem unterschätzten Herausforderer: Barack Obama. Von diesem Schlag konnte sich ihre Kampagne nie mehr erholen. Jetzt droht ihr am 1. Februar eine Wiederauflage. Diesmal heißt der Kandidat aus dem Rückraum Bernie Sanders.

Der 74-Jährige eröffnete am Montag das Forum und nutzte seine Chance. Energetisch von der ersten bis zur letzten Minute, gelang es ihm ein Bild einer Gesellschaft im Umbruch zu malen. „Unsere Botschaft ist schneller und breiter bei den Menschen angekommen, als wir gedacht haben“, beschreibt der selbsternannte „Demokratische Sozialist“ den unerwarteten Erfolg seiner bisherigen Kampagne.

Sanders will „eine politische Revolution“ in den USA. Er ist damit praktisch von der Radikalität her der Donald Trump der Demokraten. Eine Zusammenfassung der wichtigsten aktuellen Umfragen zeigt laut CNN einen Vorsprung in Iowa für Sanders mit 46 Prozent vor Clinton mit 44 Prozent.

Der Clinton-Gegner zeigte seine freundliche Seite

Sanders will eine staatliche Krankenversorgung für alle, „Obamacare“ sei seiner Meinung nach gut, aber einfach nicht weit genug gegangen. Er will die Pharmafirmen und die Krankenversicherer frontal angehen. Offensiv prangerte er unter Beifall die steigende Einkommensungerechtigkeit in den USA an und räumte offen ein: „Wir werden Steuern erhöhen. Ja, das werden wir.“


„Ich bin der bessere Präsident der USA“

Zum Beispiel sei das nötig, um die Krankenversicherung zu finanzieren. Im Gegenzug müssten die Bürger dann nicht mehr tausende Dollar pro Jahr für Medikamente und Arztbesuche zuzahlen. „Wir zahlen weltweit die höchsten Preise für verschreibungspflichtige Medikamente“, wetterte Sanders und bekam viel Applaus.

Dann war die Konkurrentin an der Reihe. Hillary Clinton, so Sanders, habe für den Irak-Krieg gestimmt, befürworte die umstrittene transamerikanische Ölpipeline, zögere bei Wall-Street-Reformen und habe sich erst sehr spät gegen das transatlantische Handelsabkommen gestellt, er von Anfang an.

Sanders, als ernst und humorlos bekannt, zeigte am Montag seine freundliche Seite. Er scherzte mit dem Moderator Chris Cuomo, lieferte sich inhaltliche, aber auch witzige Diskussionen mit Teilnehmern.

Geschickte Vermeidung von Anfeindungen

Für Hillary Clinton, die nach dem mit vier Prozent auf der Beliebtheitsskala chancenlosen Martin O’Malley die Bühne betrat, war das eine schwere Vorgabe. Doch schnell brachte sie die Diskussion auf ihre Erfahrungen als Außenministerin und im politischen Washington, ihr zentrales Wahlkampfthema. Dabei schaffte sie es jedoch nicht, ihre Alptraum-Themen Bengasi und E-Mail-Affäre zu vermeiden, die ihr noch immer zu schaffen machen.

Sie vermied geschickt jede direkte Anfeindung von Bernie Sanders und nahm ihm damit viel Wind aus den Segeln. Sie lobte sogar seine bisherigen Leistungen, stellte aber klar: „Ich glaube trotzdem, ich bin der bessere Präsident der USA“, in Anspielung auf mangelnde politische und außenpolitische Erfahrung.

Scharf ging sie auch mit Donald Trump ins Gericht, allerdings ohne seinen Nehmen direkt zu erwähnen. Aber wie derzeit manchmal mit – amerikanischen und nicht-amerikanischen – Muslimen umgegangen werde, sei „beschämend und gegen die Werte unseres Landes“. Trump hatte ein Einwanderungsverbot für Muslime gefordert.

Zu den zahlreichen Vorwürfen ihrer Gegner, bis hin zur Unehrlichkeit, hielt sie nur fest: „Das machen sie immer wieder. Und ich bin immer noch hier.“ Als wollte sie bestätigen: Und es ist auch egal, ob ich Iowa dieses Mal gewinne oder nicht – ich werde weitermachen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%