Valls kandidiert in Frankreich Der Machthungrige will in den Elysée-Palast

Frankreichs Premier Manuel Valls gibt sein Amt auf, um sich ganz dem Wahlkampf zu widmen. Aus seinen Ambitionen hat Valls nie einen Hehl gemacht. Sein Machthunger ist gewaltig, sein Durchsetzungsvermögen gefürchtet.

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Der französische Premierminister Manuel Valls will bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr antreten. Quelle: AFP

Paris Frankreichs sozialistischer Premier Manuel Valls gibt sein Amt auf, um sich mit voller Kraft dem Wahlkampf zu widmen. In Evry, dem Pariser Vorort, in dem er jahrelang Bürgermeister war, trat er am Montagabend vor zahlreichen Anhängern auf: „Ich bin Kandidat, ich habe diese Kraft in mir, ich will alles, alles geben für Frankreich, das mir so viel gegeben hat.“

In seiner Rede übersprang Valls einfach eine Etappe: Mit keinem Wort erwähnte er die Vorwahl der Sozialisten, die erst im Januar den Kandidaten bestimmen wird. Er trat so auf, als habe er die bereits gewonnen: „Ich will die Linke zum Sieg in der Präsidentschaftswahl führen“, das Land müsse wieder „sein volles Gewicht auf die Waagschale bringen in einer Welt, die sich verändert hat durch Terrorismus, Klimawandel und ein geschwächtes Europa.“

In der Öffentlichkeit trat der 54-Jährige in den vergangenen Tagen so auf, als sei seine Entscheidung noch nicht gefallen. Doch am Montag wurde klar, dass er seine Kandidatur von langer Hand vorbereitet hat. Am Rednerpult prangte bereits ein fertiger Slogan für den Wahlkampf: „Alles, was uns verbindet, zum Sieg führen“. Hinter und neben Valls standen mehrere Dutzend Unterstützer, die zusammen ein Bild von Frankeich in allen seinen Farben ergaben.
Verbinden, versöhnen, sammeln: Das ist der rote Faden, der sich durch Valls Rede zog. Skurril, aber das erinnert verteufelt an den Slogan „Versöhnen statt spalten“, mit dem Johannes Rau vor 30 Jahren in einen Bundestagswahlkampf zog. Valls dürfte ihn gewählt haben, weil er von vielen Linken als Spalter gesehen wird. Er hat die Sentenz von „zwei unversöhnlichen Linken“ geprägt, die sich in Frankeich gegenüberstünden: einer, die regieren und reformieren will und eine andere, die in Fundamentalopposition erstarrt sei. Und er hat mehrfach parlamentarische Debatten abgebrochen und die Zustimmung der eigenen Fraktion durch die Vertrauensfrage erzwungen.
Der in Barcelona geborene Fußballfan weiß, dass all dies nicht vergessen ist und ihm in den nächsten Wochen vorgeworfen werden dürfte. Deswegen packte er den Stier bei den Hörnern und sagte offen: „Ich habe in der Vergangenheit harte Worte benutzt, Debatten ausgelöst - so ist halt die Linke, Kontroversen gehören zu uns.“

Neben der Sammlung der Linken nennt Valls den Widerstand gegen die Rechte als Leitmotiv seiner Kampagne: „Die extreme Rechte steht an der Tür zur Macht“, sollte sie gewinnen, führe das zur „Verelendung der kleinen Leute“ und zur weiteren Schwächung Europas. Aber auch gegen den konservativen Kandidaten François Fillon werde er sich schlagen, kündigte er an: „Der hat ein Programm für sozialen Rückschritt wie aus den 80er-Jahren, ich will nicht zulassen, dass die Rechte dieses Land in Beschlag nimmt.“ Zur Rechten gehöre auch ein Diskurs der Stigmatisierung, „sei es von Muslimen der von Flüchtlingen“, den er nicht ertragen könne sagte der Mann, der vor ein paar Monaten der Bundeskanzlerin vorgeworfen hatte, zu viele Flüchtlinge ins Land zu lassen. Emmanuel Macron, den Mitte-Kandidaten, der eine große Gefahr für die gemäßigte Linke darstellt, erwähnte Valls mit keinem Wort.


Warme Worte für Präsident Hollande

In seiner sorgfältig austarierten Rede fand Valls zu Anfang auch viele warme Worte für Präsident Hollande, der nicht mehr antritt: „Ich empfinde Zuneigung zu ihm und großen Stolz, an seiner Seite diese immense, intensive Arbeit für den Schutz der Franzosen, für essentielle Reformen, für Wettbewerbsfähigkeit und für die Bewahrung unseres Sozialmodells geleistet zu haben.“ In den letzten Tagen hatten merere Medien aus angeblichen Hintergrundgesprächen mit Valls zitiert: „Ich habe keinen Respekt für Hollande und ich ertrage ihn nicht mehr.“ Ohne die Anhänger Hollandes in der Sozialistischen Partei wird Valls allerdings die Vorwahl nicht gewinnen können, deshalb geht er nun wieder auf den Präsidenten zu, den er mit der Drohung seiner eigenen Kandidatur indirekt zum Verzicht gezwungen hat.
Ein Programm stellte Valls noch nicht vor, nur ein paar Leitgedanken: Die „breiten Volksschichten und Arbeiter sollen ihre Würde wiederfinden“; das „europäische Projekt neugründen“ sei ihm ein Anliegen, er wolle „dem China von Xi Jinping, dem Russland von Wladimir Putin und der Türkei von Recep Erdogan ein starkes Europa entgegenstellen“. Grüne Wirtschaft, Digitale Wirtschaft, Energiewende sind weitere Stichworte, die er erwähnte.

Ähnlich wie Gerd Schröder im Wahlkampf 2002 stichelt Valls den Widerstandswillen der Linken gegen die Darstellung an, die Wahl sei bereits entschieden: „Man sagt, die extreme Rechte komme sicher in die Stichwahl, aber nichts geschrieben, die Linke könne sich nicht sammeln, aber nichts steht geschrieben, Fillon sei schon der nächste Präsident, aber nichts steht geschrieben, unsere Leben sind mehr wert als Prognosen, ich will die Linke zum Sieg führen, gebt mir diese Kraft.“
Valls kann leidenschaftlich auftreten und er kann Pathos. Er beschwor die Kraft des französischen Volkes, den „französischen Geist“, der unbändig und rebellisch sei. Doch am Montag überdrehte er teilweise. Er versuchte, seine Botschaft noch einmal in ein griffiges Bild zu packen: „Der Erfolg misst sich nicht an der Größe eines Bankkontos, sondern am Strahlen in den Augen der Menschen, ich will, dass alle dieses Strahlen wiederfinden.“
Rau verlor übrigens die „Versöhnen statt spalten“-Wahl, allerdings mit einem Ergebnis, von dem die Volksparteien heute träumen: 37 Prozent der Zweitstimmen. Für Valls geht es bei dieser Wahl nicht allein um ein honoriges Ergebnis, sondern auch darum, seinen Anspruch zu begründen, künftig die gemäßigte Linke zu führen.

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