Vetternwirtschaft in Griechenland Lass das mal den Pappas machen

Die Vetternwirtschaft hat in Griechenland eine lange Tradition. Daran ändert sich auch unter der Regierung des Linkspopulisten Alexis Tsipras nichts. Nun sorgt der Fall Pappas für Ärger.

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Die Berufung des Vaters von Nikos Pappas, Stelios, zum Verwaltungsratschef der Verkehrsbetriebe löste ein lebhaftes Echo in den sozialen Netzwerken aus. Quelle: picture alliance / NurPhoto

Athen Er ist eigentlich längst im Rentenalter. Aber jetzt muss Stelios Pappas noch mal ran. Und es ist nicht wenig, was von dem Endsechziger erwartet wird. Pappas soll einen „Augiasstall“ ausmisten. So beschreibt der Pressesprecher des griechischen Premierministers Alexis Tsipras die Zustände bei den Nahverkehrsbetrieben der nordgriechischen Großstadt Thessaloniki (OASTH). Der Sagenheld Herakles schaffte es zwar, die verdreckten Rinderställe des Augias binnen eines Tages zu reinigen. Aber Pappas wird für die Sanierung der Verkehrsbetriebe wohl etwas länger brauchen. Er übernahm am Donnerstag das Amt des Verwaltungsratspräsidenten des Unternehmens, das in Griechenlands zweitgrößter Stadt 622 Linienbusse betreibt. Um seinen Herakles zu finden, brauchte Premier Tsipras nicht lange zu suchen: Stelios Pappas ist der Vater seines Informationsministers Nikos Pappas.

Seit fast einem Jahrzehnt ist Nikos Pappas der engste Tsipras-Berater, manche sehen in ihm das Alter Ego des Premiers. „Wer mit Pappas spricht, spricht mit Tsipras“, sagt ein EU-Diplomat in Athen. Kein Wunder, dass die Berufung seines Vaters Stelios zum Verwaltungsratschef der Verkehrsbetriebe ein lebhaftes Echo in den sozialen Netzwerken auslöste.

Die Reaktionen bewegen sich zwischen Empörung und Hohn. Oppositionsparteien sehen in der Berufung einen besonders krassen Fall von Vetternwirtschaft. Die konservative Nea Dimokratia erklärte ironisch, man sei sicher, dass unter den hunderten Bewerbungen der Lebenslauf des Stelios Pappas der überzeugendste gewesen sei; dass es sich bei dem Aspiranten um den Vater des Ministers und engen Tsipras-Freundes Nikos Pappas handelte, müsse reiner Zufall sein. Die frühere Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou, die sich 2015 von der Tsipras-Regierung losgesagt hatte, bezeichnete Nikos Pappas auf Twitter als „Minister für Korruption“ und übermittelte ihm bissig „Glückwünsche zur Berufung seines Vaters“.

Verkehrsminister Christos Spirtzis verteidigt die Wahl: Stelios Pappas sei ein erfahrener Ökonom, der sich „in ständigen Kämpfen für die Gesellschaft und die Demokratie“ bewährt habe. Genau der richtige Mann, meint der Verkehrsminister, den öffentlichen Nahverkehr in Thessaloniki in Schwung zu bringen. Tatsächlich läuft es bei OASTH nicht rund. Immer wieder treten die 2600 Beschäftigten in den Streik, weil sie monatelang auf ihre Gehälter warten müssen. Die meisten haben für Juni und Juli noch kein Geld bekommen. Bisher ist das Unternehmen eine Art Genossenschafts-AG. Die Aktienmehrheit gehört den rund 1900 Busfahrern. Trotz hoher Zuschüsse aus dem Etat des Verkehrsministers arbeiten die Verkehrsbetriebe defizitär. Es heißt, die Finanzen seien undurchsichtig. Mitte Juli beschloss das griechische Parlament mit den Stimmen der Regierungsabgeordneten die Verstaatlichung der Firma. Sie soll bis zum Dezember 2019 abgeschlossen sein.

Als ein Urgestein des radikalen Linksbündnisses Syriza und früheres Mitglied der Kommunistischen Partei Griechenlands dürfte Pappas zumindest das ideologische Rüstzeug für die Verstaatlichung mitbringen. Zugleich ist seine Berufung aber ein weiteres Beispiel dafür, wie ungeniert die Tsipras-Regierung wichtige Posten mit Parteigängern besetzt. Die Mitte-Links-Partei To Potami kritisiert, Stellenausschreibungen fänden „im engsten Familienkreis“ statt. Ein Sprecher der konservativen Nea Dimokratia (ND) spricht von einer „Invasion“ im Staatsapparat: „Überall Genossen, Verwandte und Freunde der Regierung.“

Das klingt allerdings scheinheilig. Politische Patronage und Klientelwirtschaft haben in Griechenland eine lange Tradition, die auch unter den ND-Regierungen gepflegt wurde. Nach einem Regierungswechsel werden in Hellas nicht nur die Schlüsselposten im Staatsapparat neu vergeben und tausende Parteigänger der neuen Administration mit lukrativen Beraterverträgen versorgt. Sogar der Chef der Athener Feuerwehr braucht das richtige Parteibuch. Der Historiker Heinz Richter bezeichnet diese Vetternwirtschaft als „Basis der politischen Kultur Griechenlands“. Der Klientelismus sei „ein die ganze Gesellschaft von oben nach unten durchdringendes System“, so Richter.

Allerdings hatte gerade Tsipras als Oppositionsführer versprochen, Korruption und Nepotismus auszumerzen – um dann nach der Wahl seinen Cousin Giorgos als Generalsekretär ins Außenministerium zu berufen. Das blieb nicht die einzige kontroverse Personalentscheidung. Tsipras‘ Koalitionspartner, die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel), folgten dem Beispiel: Die Tochter der Anel-Sprecherin Marina Chryssoveloni kam als Beraterin im Büro des Parteichefs und Verteidigungsministers Panos Kammenos unter. Tourismusministerin Elena Koundoura, ebenfalls Anel, berief ihren Bruder Nikos zum Berater – eine Rolle, die er schon früher ausfüllte, als seine Schwester noch im Hauptberuf Model war. Auch beim Linksbündnis Syriza sorgt man füreinander. Damit die Vetternwirtschaft nicht so auffällt, platzieren Regierungsmitglieder ihre Verwandten gern in anderen Ministerien oder Behörden.

So fanden zwei Neffen eines Syriza-Innenministers, Jobs im Amt des Ministerpräsidenten. Die Nichte eines stellvertretenden Erziehungsministers wurde im Büro des Justizministers angestellt. Die Ehefrau eines Vize-Verteidigungsministers rückte zur Generalsekretärin im Verkehrsministerium auf. Die Gattin des ins Außenministerium berufenen Tsipras-Vetters wiederum bekam eine Stelle im politischen Büro des Verkehrsministers. Der Lebensgefährte einer prominenten Syriza-Politikerin wurde Chef der staatlichen Wasserwerke.

Stelios Pappas versprach am Donnerstag bei der Übernahme seiner Amtsgeschäfte als neuer Verwaltungsratspräsident der Verkehrsbetriebe von Thessaloniki „vollständige Transparenz“. Er werde in den nächsten Tagen seine gesamten Vermögensverhältnisse und seine Rente offenlegen, „damit man Vergleiche anstellen kann, wenn ich aus dem Amt scheide“. Viel mehr als jetzt dürfte dann nicht auf dem Konto sein: Auf ein Gehalt, so kündigte der neue Nahverkehrs-Präsident an, werde er verzichten.

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