Voestalpine-Chef Eder „Ich bin Gott sei Dank viel im Ausland unterwegs“

Am Sonntag wählen die Österreicher ein neues Parlament. Der Chef des Linzer Stahlproduzenten Voestalpine, Wolfgang Eder, meint, dass sich in seinem Land einiges ändern muss. Von der Wirtschaft könne die Politik lernen.

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Der CEO des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine kritisiert die „Populismusspirale“ im Wahlkampf der Alpenrepublik. Quelle: Reuters

München Endspurt im Wahlkampf in Österreich: Am kommenden Sonntag entscheiden die Bürger der Alpenrepublik, wer künftig ihr Land regiert. Doch egal wer an die Regierung kommt, für Wolfgang Eder steht fest, dass sich einiges ändern muss. Zuvorderst sei eine Schulreform nötig, betonte der Chef des Linzer Stahlherstellers Voestalpine am Dienstagabend im Handelsblatt-Wirtschaftsclub in München. Denn: „Das Bildungsniveau ist in den letzten Jahren gesunken – wir merken es an den Lehrlings-Aufnahmeprüfungen.“ 

Der Manager weiß genau, wovon er spricht: Seine Frau sei Lehrerin, berichtete der 65-Jährige vor den Handelsblatt-Lesern im Literaturhaus. Statt sich dem Unterricht zu widmen, müsse sie viel zu viel Zeit für die Bürokratie aufwenden. Damit nicht genug: Voestalpine biete in seinem Heimatland 900 Ausbildungsplätze, daher habe er einen guten Überblick über das Können des österreichischen Nachwuchses. Und das lasse zu wünschen übrig.

Eders Worte haben Gewicht, in Österreich und darüber hinaus. Schließlich führt er mit Voestalpine eines der wichtigsten Unternehmen seines Landes mit einem Umsatz von gut elf Milliarden Euro. Von 2014 bis 2016 war der Jurist zudem Präsident des Weltstahlverbandes.

Neben Eder auf dem Podium am Dienstagabend saß Hans-Peter Siebenhaar, der Österreich-Korrespondent des Handelsblatts. In seinem im Frühjahr erschienenen Buch „Österreich - die zerrissene Republik“ beschreibt der Journalist den gewaltigen Spalt zwischen Eliten und Bürgern des Landes, aber auch zwischen wohlhabenden und abgehängten Regionen. Dass es Österreich insgesamt trotzdem so gut gehe, sei nicht weiter überraschend, so Siebenhaar. „Das Land ist umzingelt von boomenden Volkswirtschaften.“

Voestalpine-Chef Eder fordert von den Politikern nach der Wahl tiefgreifende Veränderungen. Eine Steuerreform sei nötig, die Belastung von Bürgern und Unternehmen sei im internationalen Vergleich viel zu hoch. Damit nicht genug: Auch das Rentensystem gehöre umgekrempelt. Frauen gingen im Schnitt mit 59 Jahren in Rente, Männer nur anderthalb Jahre später. „Das werden wir uns auf Dauer so nicht leisten können“, warnte Eder.

Gleichwohl zeigte er sich skeptisch, ob die nächste Koalition diese Themen wirklich anpacke. Denn Flickschusterei reiche nicht aus, es brauche einen regelrechten Bruch mit dem Althergebrachten. Der  Noch-Kanzler Christian Kern von der SPÖ habe vor 15 Monaten hoffnungsvoll begonnen, sei dann aber an der fehlenden Hausmacht gescheitert.

Inhaltlich biete der Wahlkampf seit Monaten fast nichts Konkretes, unterstrich Handelsblatt-Korrespondent Siebenhaar. Stattdessen griffen sich die Kontrahenten sehr persönlich, mit Schmutzkampagnen, Gerichtsprozessen und mit flachen Parolen an. „Die Populismusspirale muss beendet werden, es ist Zeit, in den Köpfen abzurüsten“, so der Reporter. Auch Manager Eder ist angewidert von den Attacken unter der Gürtellinie. Da sei jede Reise ein Gewinn: „Ich bin sehr viel im Ausland unterwegs – in Zeiten wie diesen Gott sei Dank, um ehrlich zu sein.“

Derzeit liegt die konservative Volkspartei ÖVP in der Wählergunst vorne. In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage für die Tageszeitung „Österreich“ erreichte sie 33 Prozent. Die sozialdemokratische SPÖ und die rechtspopulistische FPÖ kommen jeweils auf rund ein Viertel der Stimmen. Etwa 6,4 Millionen Österreicher dürfen am Sonntag wählen, ein Jahr vor dem nächsten regulären Termin. Doch die große Koalition aus SPÖ und ÖVP ist tief zerstritten, daher die vorgezogene Abstimmung.

Beobachter in Wien erwarten, dass der 31-Jährige Außenminister Sebastian Kurz, Spitzenkandidat der ÖVP, die Wahl mit weitem Abstand gewinnt. Dann könnte er eine Koalition mit der FPÖ eingehen, oder sich noch einmal mit der SPÖ verbünden – falls die sich die Gräben aus dem Wahlkampf überwinden lassen.

Eins stünde freilich jetzt schon fest, so Eder: „Wenn ich mir die Schwerpunktthemen des Wahlkampfes vor Augen führe, werden wir mit diesen Wahlen einen Rechtsruck erleben.“ Sichtbarstes Zeichen für diese schon länger andauernde Entwicklung sei das Verschleierungsverbot, das bereits seit Anfang des Monats gelte. Seither sind weder Nikab, der Gesichtsschleier mit Augenschlitz, noch Burka, der vollständige Körperschleier, mehr erlaubt. Der Gesetzgeber bittet muslimische Frauen, die dagegen verstoßen, mit einer Strafe von bis zu 150 Euro zur Kasse.

Bei allen Widrigkeiten, darauf wiesen zahlreiche Zuhörer hin, gehe es Österreich dennoch gut, und das Land sei sehr wettbewerbsfähig. Doch es könnte noch besser sein, bilanzierte Eder: „Wäre die Politik ähnlich effizient wie die Wirtschaft, wir wären unschlagbar.“

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