Vormarsch von Isis Irak-Konflikt droht Nachbarstaaten hineinzuziehen

Erfasst der Irak-Konflikt bald die regionalen Großmächte? Der Iran will heilige schiitische Stätten schützen, Saudi-Arabien warnt vor Einmischung von außen. Im Irak erobern die Isis-Islamisten eine Raffinerie.

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Keine iranischen Truppen in den Nachbarstaat: Im Irak ziehen schiitische Stämme gegen die Isis-Islamisten in den Kampf. Quelle: ap

Bagdad/Dubai Der Irak-Konflikt droht sich zu einer Konfrontation zwischen den regionalen Großmächten Iran und Saudi-Arabien auszuweiten. Irans Präsident Hassan Ruhani kündigte am Mittwoch an, sein Land werde nicht zögern, die heiligen Stätten der Schiiten im Nachbarland zu schützen. Es hätten sich zahlreiche Freiwillige gemeldet, um "die Terroristen in ihre Schranken zu weisen". Der saudiarabische Außenminister Saud al-Faisal warnte kurz darauf vor einer Einmischung von außen, ohne ausdrücklich Bezug auf den Iran zu nehmen. Im Irak selbst setzte die radikale Sunniten-Gruppe Isis ihren Vormarsch fort und brachte die wichtigste Ölraffinerie des Landes größtenteils unter ihre Kontrolle.

Der Iran ist die regionale Schutzmacht der Schiiten, die die Bevölkerungsmehrheit im Irak stellen, Saudi-Arabien die der Sunniten. Eigentlich schienen beide Staaten zuletzt daran interessiert, nach Wegen zu einer Überwindung ihrer langjährigen Rivalität zu suchen.

Allerdings droht die Blitzoffensive der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) den Irak entlang seiner religiösen Grenzen zu spalten. Da sie größere Gebiete in Syrien kontrolliert, könnte ein sunnitischer Gottesstaat quer über die Grenze hinweg entstehen. Am Mittwoch lieferten sich Isis-Kämpfer Gefechte mit der irakischen Armee nahe Samarra nördlich von Bagdad, wo ein wichtiger schiitischer Schrein steht. Zudem hat die Gruppe angekündigt, Nadschaf und Kerbala erobern zu wollen, zentrale Stätten des schiitischen Islams seit dem Mittelalter.

Ruhani nannte im iranischen Fernsehen namentlich die Schreine in Kerbala, Nadschaf, Kadhimija und Samarra, die sein Land vor "Mördern und Terroristen" schützen werde. Am Samstag hatte er noch erklärt, seine Regierung habe keine Truppen in den Irak geschickt und werde dies wohl auch nie tun. Westliche Diplomaten gehen indes davon aus, dass der Iran Militärberater entsandt hat. Der saudische Prinz Faisal erklärte in Dscheddah, die legitimen Forderungen des irakischen Volkes und der Wunsch nach nationaler Einheit müssten erfüllt werden, ohne dass die politische Agenda von außen bestimmt werde. Der Konflikt trage immer mehr die Züge eines Bürgerkriegs, sagte der Minister bei einem Treffen arabischer und muslimischer Regierungsvertreter.


Die letzten Siemens-Mitarbeiter sind in Sicherheit gebracht worden

Die Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien könnte sich auch auf die Rolle der USA in dem Konflikt auswirken. Die Regierungen in Riad arbeitet traditionell mit den Amerikanern zusammen, die Erzfeinde des iranischen Gottesstaates. Allerdings hat der Iran in den vergangenen Tagen die Bereitschaft signalisiert, gemeinsam mit den USA gegen die Isis vorzugehen. Der republikanische Präsident des Repräsentantenhauses John Boehner stellte sich am Mittwoch klar gegen jede Kooperation mit dem Iran. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sprach sich vor einem Treffen mit Präsident Barack Obama seinerseits gegen eine Entsendung von US-Truppen aus.

Obama hat bislang einen Flottenverband in den Persischen Golf entsandt und bis zu 275 Soldaten zum Schutz von US-Bürgern und der Botschaft des Landes in den Irak geschickt. Er hat angekündigt, weitere Maßnahmen zu prüfen. Die Regierung in Bagdad rief dem Sender Al-Arabija zufolge die USA am Mittwoch zu Luftangriffen auf die Extremisten im Irak auf.

Dort setzte sich die Siegesserie der Isis fort. Sie brachte die Raffinerie in Baidschi größtenteils unter ihre Kontrolle und schürten damit auch Sorgen um die weltweite Ölversorgung. Den Kämpfern sei es gelungen, in die Anlage einzudringen, sagte ein Raffinerie-Vertreter, der sich in dem Komplex aufhielt. Sie kontrollierten die Produktionsanlagen, die Verwaltungsgebäude und vier Wachtürme. Im zentralen Kontrollraum lieferten sich die Extremisten weiterhin Kämpfe mit Sicherheitskräften.

Am Dienstag waren die letzten deutschen Siemens-Mitarbeiter aus dem Rebellengebiet in Sicherheit gebracht worden. Es war vor allem befürchtet worden, dass sie Opfer einer Geiselnahme werden könnten. Der Chef des staatlichen irakischen Ölkonzerns South Oil, Dhija Dschaffar, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, auch das US-Unternehmen Exxon Mobile und die britische BP hätten Mitarbeiter evakuiert.

Der britische Premierminister David Cameron warnte, vom Konflikt im Irak gehe auch eine Gefahr für die Menschen in Großbritannien aus. "Ich bin anderer Meinung als die Leute, die glauben, das habe nichts mit uns zu tun", sagte er vor einem Treffen seines Nationalen Sicherheitsrates. Die Isis "plant auch Angriffe auf uns hier in Großbritannien." Die Regierung in London hat die Entsendung von Soldaten ausgeschlossen.

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