Zwischenhändler Lukaschenko Weißrussland genießt neue Rolle

In Russland stürzt die Währung ab und der Westen bleibt auf seinen Agrarprodukten sitzen. Nur einer profitiert von den breiten Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise: Weißrusslands Präsident Lukaschenko.

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Russlands Präsident Wladimir Putin (v.l.) Weißrusslands Präsident Alexander Lukashenko und der ukrainische Präsident Petro Poroshenko: Weißrussland profitiert vom Ukraine-Konflikt. Quelle: dpa

Minsk Finanzbeschränkungen und Importverbote: Russland und der Westen machen sich in der Ukraine-Krise gegenseitig das Wirtschaftsleben schwer, zumal Sanktionen auch heimische Unternehmen schädigen. Vorteile aus dem Schlamassel scheint bisher nur einer zu ziehen: Das autoritär regierte Weißrussland, dessen Präsident Alexander Lukaschenko vor kurzem noch als „letzter Diktator Europas“ galt.

Besonders der von Russland als Antwort auf westliche Sanktionen eingeführte Einfuhrstopp für Agrarprodukte aus dem Westen erweist sich für Weißrussland als Goldgrube. Schon vor der Ukraine-Krise exportierte der Staat zwischen der EU und Russland Nahrungsmittel im Wert von 4,65 Milliarden Euro an den großen Nachbarn im Osten. Für dieses Jahr liegen zwar noch keine Zahlen vor, doch es scheint klar, dass Russland große Teile des bislang aus dem Westen gedeckten Nahrungsmittelbedarfs jetzt aus Weißrussland bezieht.

Gleichzeitig drückt die EU ihre ursprünglich für den russischen Bedarf vorgesehenen Lebensmittel in andere Märkte. Einer der Hauptabnehmer hier: Weißrussland. Die zehn Millionen Einwohner des Landes freuen sich über niedrige Preise, doch sie verspeisen nicht alles selbst.

Nach Angaben der russischen Landwirtschaftsbehörde verarbeiten weißrussische Firmen Fleisch und andere Lebensmittel aus der EU und verkaufen sie nach Russland. Einige der in Moskau verbotenen Lebensmittel werden auch einfach nur neu verpackt. In anderen Fällen sollen die Lebensmittel mit gefälschten Dokumenten und einem anderen Herkunftsland versehen worden sein. Manchmal wird auch Kasachstan als Zielland angegeben, obwohl die Lebensmittel für Russland vorgesehen sind.

So hat der Binnenstaat Weißrussland seine Ausfuhr an Meeresfischen binnen drei Monaten verdoppelt. Moskau protestiert gegen diese seltsame Entwicklung. Weil das nichts fruchtet, wird schärfer kontrolliert. In den vergangenen Wochen sind den Zöllnern mehr als 7500 Tonnen Schmuggelfleisch und 11 000 Tonnen Obst und Gemüse aus der EU ins Netz gegangen.


„Eine Brücke zwischen Ost und West“

Lukaschenko nutzt die Situation aber auch politisch. Bei den Friedensgesprächen für die Ukraine tritt sein Land als Vermittler auf, die Verhandlungen fanden in Minsk statt. Vom Westen aus betrachtet habe Russlands Präsident Wladimir Putin Lukaschenko als Hauptbösewicht abgelöst, sagt der unabhängige Analyst Alexander Klaskowski aus Minsk. „Weißrussland wandelt sich vom Ausgestoßenen zum respektierten Mitspieler“, sagt er. „Lukaschenko hofft, aus Weißrussland eine Brücke zwischen Ost und West zu machen und beide Seiten zahlen zu lassen.“ Dabei habe sich an der Unterdrückung von Dissidenten und unabhängigen Medien nichts geändert.

„Lukaschenko begreift, dass die Hilfen des Kreml wegen der Rezession in Russland deutlich zurückgehen werden“, sagt der Chef des Minsker Forschungszentrums Mises, Jaroslaw Romantschuk. „Deshalb sucht er nach anderen Finanzquellen.“

So verhandelt Minsk mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Kredite. Im kommenden Jahr werden 3,26 Milliarden Euro Auslandschulden fällig. Für Weißrussland ist das eine riesige Summe weil das Land nur über etwa 4,7 Milliarden Euro Währungsreserven verfügt. Der IWF fordert im Gegenzug für Reformen wirtschaftliche Liberalisierungen und den Verkauf von Staatsfirmen.

Doch das dürfte Lukaschenko ablehnen. Seine Wirtschaftspolitik erinnert eher an Sowjetzeiten und trotz aller Angebote an den Westen dürfte Russland sein Hauptverbündeter bleiben. Bisher versorgt Moskau den kleinen Nachbarn günstig mit Energie und Krediten. Daran wird wohl auch der Ärger über den Schmuggel mit Nahrungsmitteln wenig ändern - schließlich braucht Moskau einen politischen und militärischen Verbündeten.

´Lukaschenko räumt zwar ein, dass Weißrussland Agrarprodukte aus der EU einführt, bearbeitet und an Russland weiterverkauft. Doch das sei nach den Regeln der von Putin vorangetrieben Eurasischen Wirtschaftsunion auch erlaubt, zu der neben Minsk und Moskau auch Kasachstan gehört.

Auf die russischen Exportbeschränkungen für weißrussische Güter wegen angeblicher Hygienemängel reagierte er mit der Wiedereinführung von Zollkontrollen. „Setzt uns nicht unter Druck“, warnte Lukaschenko kürzlich. „Wenn ihr versucht, uns zu treffen, werde ich das nicht hinnehmen. Wir sind keine Welpen, die man anleinen kann.“

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