Auf dem Großmarkt Mindestlohn-Kontrolle mit dem Zoll

Seit Jahresbeginn gilt bundesweit ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Ob der Mindestlohn auch tatsächlich gezahlt wird, kontrolliert der Zoll – und rückt dabei schon mal im Morgengrauen aus.

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Zollbeamte überprüfen in der Nähe des Großmarktes in Stuttgart Fahrer von Kleintransportern. Quelle: dpa

Stuttgart Als Thomas Malcherowitz und seine Leute auftauchen, ist die Sonne gerade erst aufgegangen. Freiwillig sind sie an diesem Tag nicht so früh aufgestanden: Malcherowitz ist Einsatzleiter beim Zoll. Seine Truppe ist heute beim „Prüfobjekt: Großmarkt“, wie auf ihren Kontrollzetteln zu lesen ist. In der Praxis bedeutet das: Der Zoll überwacht, ob bei Spediteuren auf dem Stuttgarter Großmarkt alles mit rechten Dingen zugeht – auch mit Blick auf den flächendeckenden Mindestlohn.

Seit Januar gilt für Beschäftigte in Deutschland ein Minimallohn von 8,50 Euro pro Stunde. Nach Angaben des Arbeitsministeriums sollen bundesweit knapp vier Millionen Menschen von der Neuregelung profitieren. Ob diese auch eingehalten wird, prüft die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die beim Zoll angesiedelt ist.

Besonders wachsam schauen die Mitarbeiter dabei etwa auf die Arbeitszeiten - auch an diesem Morgen. Wenn der Kontrollierte seinen Monatslohn nennt, bei der Zahl seiner Arbeitsstunden aber ins Stammeln kommt, werden die Zöllner hellhörig. Über den Verband der Rentenversicherer prüfen sie später, ob sich aus Gehalt und Stundenzahl tatsächlich ein Lohn von 8,50 Euro pro Stunde ergibt.

„Das Problem beim Mindestlohn ist: Man hat einen, der bescheißt, und einen anderen, der mitspielt“, sagt Zollamtsmann Thomas Seemann. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsame Sache machten, seien Verstöße nur schwer aufzudecken. Direkt am Ort der Kontrolle sei das selten möglich. „Wir können letztlich nur Anhaltspunkte sammeln“, erklärt Seemann. „Wir müssen immer in die Bücher schauen.“

Die Informationen sammelt der Zoll mit einem Fragebogen. Den Mindestlohn allein prüft er bei dem Einsatz aber mitnichten: Auch mögliche illegale Beschäftigung wird beispielsweise gleich mit kontrolliert. „Für uns ändert sich nicht so viel bei den Prüfungen“, sagt Seemann. Die Mindestlohn-Kontrolle sei eher Beifang. Anders sehe es aus, wenn der Zoll einen Hinweis auf einen Verstoß bekomme – dann werde gezielt kontrolliert.

„Gut ist, wenn man jemanden hat, der bereit ist, auszusagen“, erklärt Seemann. „Ohne Zeugen ist es schwierig.“ Wenn die Zöllner Glück haben, packt auch mal ein leidgeprüfter Arbeitnehmer bei einer Kontrolle aus.


„Sind Sie selbstständig?“

Bundesweit soll das Personal wegen der Neuregelung um 1600 Bedienstete aufgestockt werden – beispielsweise Gewerkschaften zweifeln allerdings, ob die Zahl ausreichend hoch ist. „Bislang haben wir kein neues Personal bekommen“, erzählt Seemann, der auch für die Pressearbeit beim Stuttgarter Zoll zuständig ist. Schulungen zur Mindestlohn-Kontrolle habe es aber gegeben.

„Sind Sie selbstständig?“, will eine Zöllnerin von einem Fahrer wissen. Sie ist bewaffnet und in Dienstkleidung unterwegs. Ob er eine Gewerbeanmeldung habe, ein eigenes Büro, eigene Angestellte – oder doch einen Auftraggeber? All diese Fragen können dem Zoll Hinweise darauf geben, ob der Mann möglicherweise nur scheinselbstständig ist.

Selbstständige sind vom Mindestlohn ausgenommen - weshalb manche Arbeitgeber ihre Mitarbeiter als solche einstufen. Ein Beispiel für einen Umgehungsversuch wäre etwa eine Friseurin, die im Salon einen Platz mieten und auf selbstständiger Basis arbeiten muss. Einige Unternehmen wurden nach Beobachtung der Gewerkschaften bereits kreativ bei dem Versuch, die Vorschriften zu unterlaufen.

Mindestlohn-Sünder ertappen die Zöllner an diesem Tag aber nicht auf frischer Tat. Die überprüften Arbeitnehmer haben sieben Tage Zeit, ihre Arbeitszeiten zu protokollieren, wie Einsatzleiter Malcherowitz erzählt. „Die können also entsprechend auf die Kontrollen reagieren.“

Ganz umsonst sind er und seine Kollegen aber nicht ausgerückt: „Es waren ein paar Fälle dabei, denen wir nachgehen werden“, kündigt er an. Bei bis zu sieben Unternehmen besteht dem Zoll zufolge der Verdacht, dass es mit Blick auf den Mindestlohn knapp werden könnte. In den Firmen werden nun die Geschäftsunterlagen geprüft. Einige Kontrollierte hätten gleich ihre Unterschrift unter dem Fragebogen des Zolls verweigert, erzählt Malcherowitz. „Sowas ist verdächtig.“

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