Pensionierungsfeiern laufen wie runde Geburtstage: Die Festredner charmieren den Jubilar, der bedankt sich artig. Werner Ressing, scheidender Chef der Industrieabteilung im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), vermied zu viel Heuchelei. Der 65-Jährige gestaltete seine Abschiedsrede so unbeugsam wie seine Dienstjahre: als Abrechnung mit der aktuellen Energiepolitik.
„Die Klimapolitik dominiert die Energie- und Industriepolitik“, klagt Ressing. Bei den CO2-Vorgaben aus Brüssel für die Automobilindustrie „bin ich nur noch fassungslos“. 2008 habe man die Grenzwerte festgelegt. „Und kaum ist der Pakt in Kraft, heißt es: No, der Preis stimmt nicht mehr.“ Gern erinnere er sich an die Zeit der deutschen Einheit, als er nach Moskau flog, „um den Russen zu erklären, dass wir ihre Kernkraftwerke wegen der Sicherheit nicht mehr wollen. Und heute wollen wir unsere eigenen nicht mehr.“
Zuvor hatte Minister Philipp Rösler den Haussenior bereits als „großartigen Vorkämpfer für die deutsche Industrie“ gelobt. Unter anderem habe er die Rohstoffagentur mit auf den Weg gebracht. Ressings Marschroute sei in 38 Jahren unter 13 Ministern stets die Marktwirtschaft gewesen; die Politik solle sich bei den Unternehmen „Achtung: nicht einmischen“, so Rösler. „Das galt 1975, und das gilt eigentlich heute noch. Eigentlich.“ Der Dienstherr deutete an, dass es nicht einfach war mit seinem Spitzenbeamten. „Es gibt niemanden in Europa, der sich so gut auskennt mit dem Emissionshandel wie er“, schalmeite Rösler. „Das heißt nicht, dass er ihn mag!“ Und schloss: „Ich weiß, dass Sie sich Sorgen machen, wenn Sie weggehen.“
Geschmeidige Nachfolge
Die Führung des Hauses hatte geahnt, dass eine verbale Abreibung droht. „Eigentlich müsste ich jetzt die Urkunde überreichen“, witzelte Rösler. „Aber dann wäre er nicht mehr Beamter.“ Da wollte er doch die Rede abwarten, die Treuepflicht nutzen. Staatssekretär Bernhard Heitzer hatte den knurrigen Spitzenbeamten vorher ermahnt, nicht Kollegen in den Senkel zu stellen. Und während der Ansprache scharwenzelt Heitzer auch beim Reporter vorbei: „Was schreiben Sie da schon wieder alles auf?“
Ressings kräftigste Vorwürfe natürlich: Elektromobilität sei sinnvoll, die Regierung habe nur „einen kleinen Fehler gemacht“. Durch das großspurige Ziel, bis 2020 eine Million Stromautos auf die Straße zu bringen, werde nicht mehr über die richtige Technik diskutiert, nur noch über die Zahl.
Bei der Energiewende sei selbst einigen im BMWi „wohl die Dimension nicht klar. Der kleine Unterschied ist zwischen Kilowatt und Kilowattstunde.“ Man baue mit den erneuerbaren Energien (EE) Zigtausende Kilowatt Leistung auf, „die nicht immer Kilowattstunden liefern“. Die teure Folge: „80 Millionen Deutsche alimentieren seit 20 Jahren und für 20 Jahre eine Million Betreiber von EE-Anlagen“, kritisiert der studierte Ingenieur für Maschinenbau und Energietechnik. „Wo gibt es das in einem marktwirtschaftlichen System?“
In den Leitungsbesprechungen stand Ressing mit seiner harten Haltung oft allein, in Sachen Erneuerbare lange unterstützt von Detlef Dauke, dem Leiter der Energieabteilung. Dass just die beiden zuständigen Fachabteilungsleiter den ungebremsten Blindflug in die Energiewende kritisierten, beeindruckte die Hausspitze nur mäßig.
Die Ressing-Nachfolge ist geschmeidig geregelt: Es übernimmt Andreas Schuseil, der sich bisher um IT-Politik kümmerte. Ihm folgt Stefan Schnorr, bisher Planungschef.