Zudem gelingt es den akademischen Einrichtungen offensichtlich besser, auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. „Der Praxisbezug wird für Studenten immer wichtiger“, sagt Studienautor Wieland. Das schlägt sich zum einem in einem Boom der Fachhochschulen nieder. Stellten diese noch 1995 nur 26 Prozent der Studienanfänger, waren es 2013 bereits 39 Prozent. Mit der Nachfrage ist auch das Angebot gewachsen. So wurden seit 1995 81 Fachhochschulen neu gegründet, davon 72 von privaten Trägern.
Derweil beschränkt sich die duale Ausbildung mehr und mehr auf ihre von jeher attraktiven Kernfelder. So wählen 64 Prozent der männlichen Auszubildenden 25 der insgesamt 330 Ausbildungsberufe, am beliebtesten sind dabei der Kraftfahrzeugmechatroniker und der Industriemechaniker. Bei den weiblichen Auszubildenden ist das Portfolio sogar noch enger: Hier konzentrieren sich 77 Prozent der Azubis auf die beliebtesten 25 Berufsbilder. Ein echtes Wachstum gibt es dabei nur in den Erziehungs- und Sozialberufen, wo die Zahl der Ausbildungsanfänger zwischen 2005 und 2014 um immerhin 24 Prozent auf gut 175.000 zunahm.
Der Trend aber ist damit klar: Die Ausbildung ist nur noch in einigen klassischen Feldern aus dem Einzelhandel und der Industrie attraktiv, in allen weiteren Feldern verlagert sich die Ausbildung in akademische Institutionen. Vor allem die Kammern und einige Intellektuelle wie der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin sehen in diesem „Akademisierungswahn“ ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem: "Wir erleben in den vergangenen Jahren eine totale Dominanz der kognitiven Bildung über alle anderen Formen", so Nida-Rümelin.
So informieren sich Jugendliche über ihre berufliche Zukunft
Eine neue Umfrage zeigt auf, welche Informationsquellen Jugendliche zur Berufs- und Studienorientierung am häufigsten nutzen. Meist aufgeführte Informationsquelle ist die Schule mit 38 Prozent.
Quelle: Youth Insight Panel von Bravo in Zusammenarbeit mit blicksta
37 Prozent suchen im Internet auf allgemeinen Seiten oder Unternehmensseiten, wie zum Beispiel der IHK.
33 Prozent holen ihre Informationen bei der Bundesagentur für Arbeit, dem Berufsberater oder im BIZ ein.
28 Prozent sagen: ,,Ich habe mich dazu noch nicht informiert.''
27 Prozent der Jugendlichen sprechen mit ihren Eltern oder suchen im Internet speziell auf Ausbildungsportalen.
22 Prozent geben an, mit Freunden und Bekannten zu sprechen und/oder sich auf Ausbildungs-und Jobmessen ein Bild vom Arbeitsmarkt zu machen.
Ein Fünftel der Jugendlichen sprechen mit Personen, die bereits in diesem Beruf arbeiten, oder absolvieren ein Praktikum.
Knapp 19 Prozent nutzen Informationsmaterialen und Broschüren.
18 Prozent lassen sich direkt beim Unternehmen beraten.
Durch Artikel, Berichte in Zeitschriften und Zeitungen erhalten 16 Prozent Auskunft über ihre beruflichen Möglichkeiten.
Über soziale Netzwerke informieren sich nur rund zehn Prozent der Befragten über Ausbildung oder Studium.
Knapp 7 Prozent haben Ihre Informationen aus dem Fernsehen.
4 Prozent der befragen Jugendlichen wenden sich an Berufsverbände.
Der Human-Development-Index der Vereinten Nationen etwa misst den Fortschritt der menschlichen Entwicklung anhand des Anteils "tertiärer Bildung", also des Studiums. Alles andere gilt als minderwertig. "Wenn sich dieses Bild durchsetzt, stirbt die Ausbildung", so der Professor.
Bei der Bertelsmann-Stiftung ist man da pragmatischer: „Wir sollten aufhören, Berufsausbildung und Studium gegeneinander auszuspielen“, so Stiftungschef Dräger. „Stattdessen müssen wir die Unausweichlichkeit dieses Trends zu höheren Bildungsabschlüssen akzeptieren und den Wandel entsprechend gestalten.“ Er sieht dafür drei Ansatzpunkte: „Quantitativ, indem wir die Zugänge in unsere nachschulischen Bildungssysteme für Zuwanderer und benachteiligte Jugendliche öffnen.“
Zudem müsse die Verzahnung zwischen den Ausbildungsformen verbessert werden, “indem wir die Bildungsgänge nicht als Sackgassen gestalten sondern ihre Durchlässigkeit erhöhen“. Zudem müsse die Nachfrage nach praxisorientierten Studiengängen noch stärker bedient werden.
Auch Dräger räumt aber ein: „Die deutsche Volkswirtschaft erwartet perspektivisch eine erheblich größere Lücke an Fachkräften mit beruflicher Qualifikation als mit akademischen Abschlüssen.“ Ob diese tatsächlich mit praktisch fortgebildeten Bachelor-Studenten gefüllt werden, muss sich noch zeigen.