„Bitterer Beigeschmack“ Ehrendoktor für Schavan bringt SPD in Rage

Anette Schavan hat ihren Doktortitel wegen Täuschung verloren – und erhält nun den Ehrendoktor. Dieser Titel wird normalerweise aber nur für wissenschaftliche Leistungen vergeben. Der Vorgang sorgt deshalb für Empörung.

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Die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bekommt heute von der Uni Lübeck den Ehrendoktortitel verliehen. Quelle: dpa

Berlin Drei Wochen, nachdem Richter den Entzug ihres Doktortitels durch die Universität Düsseldorf wegen Plagiaten und Täuschung bestätigt haben, bekommt Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) an diesem Freitag von der Universität zu Lübeck den Ehrendoktor verliehen. Der Vorgang widerspricht dem, was die Hochschulrektorenkonferenz als unverbindliche Richtlinie vorgibt – nachzulesen in den „Empfehlungen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten bei Erwerb und Verleihung akademischer Titel“.

Dort heißt es: „Der Grad des Dr. h.c. wird aufgrund wissenschaftlicher Leistungen verliehen.“ Die HRK-Empfehlung stammt von 1994, ist aber nach wie gültig, wie ein Sprecher Handelsblatt Online sagte. Allerdings sind die Vorgaben nicht bindend für die Hochschulen, was dazu führt, dass mit dem Ehrendoktor immer häufiger alles andere als streng „wissenschaftliche Leistungen“ gewürdigt werden.

Im Fall von Schavan begründet die Universität den Ehrendoktor mit allgemeinen Verdiensten der CDU-Politikerin für die medizinische Wissenschaft, aber ausdrücklich auch mit deren Einsatz für die Universität. Als Bundesbildungsministerin hatte Schavan die Uni Lübeck vor existenzbedrohenden Sparplänen der Landesregierung bewahrt. Im Januar 2012 beschloss der Uni-Senat dann, ihr unter anderem dafür den Ehrendoktor zu verleihen.

Universitätspräsident Peter Dominiak wollte Schavan die Auszeichnung am Abend beim traditionellen Jahresempfang der Hochschule überreichen. Die Entscheidung ist nicht nur unter Studentenvertretern umstritten.

In der SPD stößt die akademische Würdigung derweil auf scharfe Kritik. Für den Landes- und Fraktionsvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein und stellvertretenden Vorsitzende der Bundes-SPD, Ralf Stegner, hat der Vorgang einen „bitteren Beigeschmack“. Im Jahr 2010 habe die damalige schwarz-gelbe Landesregierung mit ihren Plänen zur Abwicklung des Medizinstudiums in Lübeck massive Proteste im ganzen Land ausgelöst, erläuterte Stegner. Mit ihrer Intervention habe Schavan also „nichts anderes versucht, als der Union in Schleswig-Holstein aus der Patsche zu helfen“. Das sei „gründlich schief gegangen“, sagte Stegner und fügte hinzu: „Mit Ehre hat das alles ganz gewiss nichts zu tun.“


„Das dürfte kein Beamter“

Ihren wissenschaftlichen Doktorgrad hat Schavan wegen der Plagiatsaffäre verloren. Die Universität Düsseldorf hatte ihr den Doktortitel im Februar 2013 entzogen, das Düsseldorfer Verwaltungsgericht wies ihre Klage dagegen vor drei Wochen ab. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Schavan in ihrer vor mehr als 30 Jahren eingereichten Doktorarbeit getäuscht hatte. Schavan hat inzwischen angekündigt, gegen den Entzug des Titels nicht weiter vorgehen zu wollen.

Seit Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe wurde in Medien und Internetforen viel darüber diskutiert, ob die Ehrung der Universität Lübeck noch angemessen sei. Der Münchner Jura-Professor und Plagiatsexperte Volker Rieble hält die Ehrung zumindest derzeit für falsch. Letztlich verkehre man die jüngste Entscheidung der Richter, Schavan sei ihr Titel zu Recht aberkannt worden, in ihr Gegenteil, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ den Wissenschaftler. Rieble sagte allerdings auch, dass er durchaus für eine Resozialisierung Schavans sei. „Aber“, so Rieble, „da kann man ja noch eineinhalb Jahre warten.“

Dessen ungeachtet sieht Rieble insbesondere den Umstand kritisch, dass die Universität den Ehrendoktor auch damit begründet, dass Schavan mit Steuergeld die Hochschule gerettet, also lediglich ihren Job gemacht hat - und damit auch ein „Dankeschön-Doktor“ verleiht. „Das dürfte kein Beamter“, sagte Rieble und verwies auf das Strafgesetzbuch, wo Vorteilsannahme durch Amtsträger ausdrücklich verboten ist. Darauf steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Andererseits dürfte der Fall Schavan rechtlich schwer angreifbar sein. Nach den Hochschulgesetzen der Länder und den darauf gegründeten Promotionsordnungen der Universitäten wird jedenfalls zum Teil die Möglichkeit eröffnet, den Grad eines Dr. h.c. durch finanzielle Förderungen der Hochschule zu erlangen. Als Voraussetzung für die Vergabe dieses Titels nennen solche Promotionsordnungen beispielsweise „besondere Verdienste um (…)“.

Die Politik in den Ländern könnte das ändern, indem sie die Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz als Grundvoraussetzung für den Grad eines Dr. h.c. in die Hochschulgesetze schreiben würde. Dazu hat sich SPD-Vize Stegner jedoch nicht geäußert – obwohl seine Partei in Schleswig-Holstein die Möglichkeit für eine Korrektur hätte. Dort stellen Sozialdemokraten und Grüne die Landesregierung.

Schavan hat derweil an anderer Stelle einen wissenschaftlichen Rückzieher gemacht. Sie bat die Freie Universität zu Berlin in einem Schreiben um „Entpflichtung“ von ihrer Honorarprofessur gebeten. Das sagte FU-Präsident Peter-André Alt dem „Tagesspiegel“. Schavan habe dies mit ihrer neuen Aufgabe begründet. Die FU komme der Bitte nach.

Der Akademische Senat der FU hatte im April 2008 beschlossen, Schavan eine Honorarprofessur am Seminar für Katholische Theologie zu verleihen. Die FU hatte das in einer Pressemitteilung mit Schavans besonderen wissenschaftlichen Leistungen begründet. Schavan hatte danach einige Vorlesungen an dem Seminar gehalten.

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