Datenschutz Europäische Digitalwirtschaft warnt Supreme Court

Das Bestreben der US-Regierung, tief in den europäischen Datenschutz einzugreifen, zieht immer weitere Kreise. Nachdem die Bundesregierung Bedenken angemeldet hatte, schaltet sich nun die Digitalwirtschaft in Europa ein.

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Datenschutz: Europäische Digitalwirtschaft warnt Supreme Court Quelle: AP

Berlin Die US-Regierung strebt nach einem globalen Zugriffsrecht auf digitale Daten. Die deutsche Wirtschaft hatte bereits in Washington interveniert. Und auch Vertreter der der Bundesregierung hatten massive Bedenken geäußert. Jetzt schalten sich zahlreiche europäische Digitalverbände ein, darunter der deutsche IT-Branchenverband Bitkom.

„Ein direkter Zugriff von US-Behörden auf Personendaten aus Europa ist unvereinbar mit europäischem Datenschutzrecht“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Deutschland und die EU müssen gerade auch im Hinblick auf den Umgang mit Daten ihre Souveränität erhalten und stärken.“

Der Bitkom wandte sich mit seinen Bedenken gemeinsam mit 37 weiteren europäischen Verbänden in einem sogenannten Amicus-Brief direkt an den Obersten Gerichtshof der USA. Ein solches Schreiben ermöglicht Unbeteiligten die Stellungnahme in einem Rechtsstreit in den USA. Der Supreme Court muss in den kommenden Monaten einen der brisantesten Fälle der vergangenen Jahre entscheiden. Für den 27. Februar ist eine mündliche Anhörung angesetzt. Auf dem Spiel steht der europäische Datenschutz, Grundlagen der ökonomischen Zusammenarbeit mit den USA, sogar die Zukunft des offenen Internets.

Die amerikanische Bundesstaatsanwaltschaft erhebt Anspruch auf alles, was auf Servern von US-Unternehmen gespeichert ist – auch wenn sich diese Server nicht auf amerikanischen, sondern etwa auf europäischen Boden befinden. Konkret geht es um Daten eines mutmaßlichen Drogendealers. Microsoft war 2013 aufgefordert worden, sämtliche E-Mails des Verdächtigen an die US-Behörden herausgeben. Microsoft gewährte den Strafverfolgern allerdings nur Einsicht in die Daten, die in den USA gespeichert waren. Der Zugriff auf ein E-Mail-Konto in Irland wurde verweigert.

In einem ersten Gerichtsverfahren verlor der US-Konzern. Ein Berufungsgericht hob das Urteil auf und entschied, dass für Durchsuchungsbefehle zu ausländischen Rechenzentren amerikanischer Unternehmen die örtlichen Behörden zuständig sind, und nicht die US-Justiz. Auf Antrag des Justizministeriums prüft nun das oberste US-Gericht die Entscheidung des Court of Appeals for the Second Circuit.

Die Kernfrage, vor der die Verfassungsrichter stehen, lautet: Kann die US-Regierung mit einem einfachen Durchsuchungsbefehl amerikanische Unternehmen anweisen, Daten preiszugeben, die sich außerhalb der USA befinden – und zwar unabhängig davon, ob die verdächtige Person Amerikaner oder Ausländer ist?

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder wies auf die für die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden bereits bestehenden Rechtshilfeabkommen hin. Diese dürften nicht dadurch umgangen werden, dass US-Behörden unmittelbaren Zugriff auf Daten in Europa verlangen. „Für Unternehmen mit Standort in den USA und ihre Kunden wäre eine Änderung der bestehenden Praxis mit großer Rechtsunsicherheit verbunden und damit unzumutbar“, warnte Rohleder.


„Dann ist das Privacy Shield tot“

Dies gelte nicht nur für Unternehmen, die ihre weltweite Zentrale in den USA betrieben, sondern auch für Unternehmen, die in den USA lediglich eine Niederlassung unterhielten. Rohleder fürchtet: „Den Unternehmen droht ein unauflösbares Dilemma: Folgen sie einer Anordnung der US-Behörden auf Herausgabe von in Europa gespeicherten Daten, brechen sie europäisches Recht. Widersetzen sie sich einer solchen Anordnung, brechen sie US-Recht.“

In ihrem Amicus-Schriftsatz warnen der Bitkom und weitere europäische Digitalverbände den Supreme Court vor den möglichen Folgen des Urteils, sollte dem Antrag der US-Regierung entsprochen werden. International tätige Unternehmen, deren Organisation sich sowohl auf den amerikanischen wie auch auf den europäischen Rechtsraum erstreckt, seien darauf angewiesen, dass die Staaten, in denen sie tätig seien, die jeweilige Rechtslage in den anderen Staaten zu respektieren.

Die deutsche Wirtschaft hatte schon in Washington interveniert. Ebenfalls mit einem Amicus-Brief sprangen der BDI und DIHK Microsoft bei. „Es gibt keinen legitimen Grund für die USA, ihre Rechtsordnung auch in dritten Staaten durchsetzen zu wollen“, argumentiert DIHK Chefjustitiar Stephan Wernicke. In dem Brief, der von weiteren europäischen Wirtschaftsverbänden unterzeichnet ist, werde die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass sich das Internet „balkanisiert“ und wieder nationale oder regionale Schranken errichtet würden. „Die Entwicklung der Wirtschaft 4.0 würde gefährdet, aber auch die interne Unternehmenskommunikation deutscher Unternehmen mit einer Niederlassung in den USA könnte betroffen sein“, sagte Wernicke.

Auch die EU-Kommission und die irische Regierung haben ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht. Ob sich der Supreme Court von den Europäern beeindrucken lässt, kann niemand voraussehen. 35 US-Bundesstaaten haben ebenfalls einen Amicus-Brief eingereicht – und sich auf Seite des Justizministeriums geschlagen.

Der Fall hat das Zeug, sich zu einer schweren Belastung für die transatlantischen Beziehungen zu entwickeln. Momentan sei der transatlantische Datenverkehr auf das „Aufrechterhalten eines ausreichenden Datenschutzniveaus der USA angewiesen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Ulrich Kelber (SPD), dem Handelsblatt. Der Fall Microsoft deute allerdings darauf hin, dass man sich darauf nicht mehr verlassen könne.

„Damit ist das Grundprinzip des transatlantischen Datenaustauschs gefährdet“, warnte Kelber. „Wenn die US-Regierung in Datenschutzfragen nur die Einspruchsrechte von US-Bürgern duldet, dann ist das Privacy Shield tot.“ Denn eines müsse klar sein: Für Daten von EU-Bürgern in den USA müsse das gleiche Schutzniveau gelten wie in der EU. Das „EU-US-Datenschutzschild“ ist der Rechtsrahmen für den Datentransfer in die USA. Er legt Standards für den Umgang mit europäischen Informationen in den USA fest.

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