Demografischer Wandel Boomende Metropolen, sterbende Dörfer

Deutschlands Jugend zieht vom Land in die Städte. Die Folgen sind hohe Mieten in den Metropolen - und Geisterstädte in der Provinz. Dort kämpfen Betroffene gegen Schwund und Stau.

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Hunsrück: Irma Löh (84). Mittwochs ist Ruhetag in Löhs Restaurant im Hunsrück. Sonst arbeitet sie täglich, bis der letzte Gast aus dem Burgkeller in Bruchweiler nach Hause geht. Seit fünf Jahren versucht sie, die Traditionsgaststätte zu verkaufen. Sie arbeitet weiter und serviert den Spießbraten notfalls mit links. Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Die Gaststätte herrscht über Irma Löh. Noch immer steht sie täglich außer mittwochs mit weißer Kittelschürze im Burgkeller von Bruchweiler. Löh ist 84, gebeugt, aber nicht besiegt. Sie hat Humor und einen zähen Willen. Das ist der Treibstoff im sechsten Jahr seit sie sich zur Ruhe setzen will.

Es muss starker Stoff sein. Wegen eines schlecht verheilten Bruchs serviert sie eben mit links. In der Küche steht Sohn Harald, die Schwiegertochter hilft. Voll wird es auf den 140 Plätzen nur noch an Feiertagen und Wochenenden, wenn Wanderer oder Motorradfahrer im Hunsrück unterwegs sind. „Die Siebzigerjahre waren die beste Zeit, da brummte es“, sagt die Wirtin.

Christian Werner ist mit 38 Jahren kaum halb so alt wie Irma Löh, doch so sesshaft war er nicht. Er wuchs in Thüringen auf, wurde in Nürnberg erwachsen und ist nun in Dresden verwurzelt. Seine Frau und er leben mit Tochter Lorelai, 7, und Sohn Till, 5, in Deutschlands kinderreichster Großstadt.

Wo die 20- bis 34-Jährigen in Deutschland fortziehen und wo sie sich sammeln. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Der Mediengestalter fragt sich, ob es ein Fehler war, nicht schon 2009 den Mut zur Eigentumswohnung in der Elbestadt aufgebracht zu haben. „Jetzt kann man sich als Normalverdiener keine mehr leisten.“

Irma Löh und Christian Werner verbindet ein unsichtbares Band. Alle reden über teure Städte, hohe Mieten, knappe Kitas. Doch das alternde Land leidet zeitgleich an Schwindsucht und Wachstumsschmerz. Für Bürger und Staat wird die geteilte Republik nicht billiger. Städte müssen neue Kitas und Baugebiete finanzieren. An den bröckelnden Rändern Frieslands, der Lausitz, im Bayerischen Wald oder Ruhrgebiet werden Abwasser, Busse und Schulen teuer. Mit den Abwanderern fehlen deren Kinder. Doch vor Ort finden sich pragmatische Ansätze gegen Schwund und Stau.

Er herrscht das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Wer Mangel spürt, muss sich auf noch weniger einstellen. Wer es bereits auskömmlich hat, darf noch mehr erhoffen.

Einzelne Wohlstandsinseln ragen aus dem Meer empor (siehe Grafik oben). Es sind „Schwarmstädte“ – Universitätsstädte, Wirtschaftszentren oder Sehnsuchtsorte wie Berlin oder Leipzig. Der Ökonom Harald Simons vom Forschungsinstitut Empirica hat den Begriff geprägt. Schwarm wie Vogelschwarm: „Die Jungen, die zunehmend zur Minderheit werden, verlassen die Provinz“, erklärt er. Schwarm könnte auch Schwärmerei bedeuten. „Dort, wo die Jungen herkommen, hat vielleicht der letzte Club dichtgemacht, wo sie hinwollen, herrscht pralles Leben“, sagt Simons. Sie peilen hübsche Orte wie Würzburg, Münster und Jena an – oder den Wohlstand in Hamburg, Darmstadt und Aachen.

Die mobilen Jungen zetteln keine offene Revolte an, sie erzeugen einen stillen Sog:

  • Die Jungen rotten sich als Minderheit zusammen. Erst ist einer fort, wird Anlaufstelle in der Stadt, wo sich studieren und jede Ausbildung machen lässt. Bald kommen viele nach. Wen es nicht in die Ferne treibt, fragt sich, ob er bald das Licht löscht. Zumindest das im Kino oder Jugendclub.
  • Bildung macht mobil. Immer mehr Junge machen Abitur, immer mehr studieren. Erst ziehen sie in Richtung Hochschule, später bleiben sie in den Städten kleben. Daran verzweifeln auch Handwerker mit Nachwuchssorgen: Im Jahr 2000 nahm jeder Dritte aus den jüngeren Jahrgängen ein Studium auf, 2013 waren es schon fast 60 Prozent.

Leere Häuser und verwaiste Geschäfte

Bundesweite Statistiken verdecken den Umbruch, statt ihn zu zeigen. Wohnungsnot? Im Schnitt hat jeder 45 Quadratmeter Wohnraum. 1998 lag die Fläche bei nur 39 Quadratmeter. Alte Frauen leben sogar auf mehr als 60 Quadratmeter, oft allein. Wenig Platz haben nach den Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Frauen zwischen 27 und 37 Jahren, die oft alleinerziehend sind und sich nur eine kleine Buden leisten können.

Der Platz ist extrem ungleich verteilt, die Preise fallen auseinander (siehe unten). Die Inflation herausgerechnet, hat sich die Miete in den letzten 20 Jahren verbilligt, erklärt der Immobilienverband IVD. Schaut man auf die vergangenen fünf Jahre und Zentren wie München, Hamburg, Berlin oder Köln, zogen die Preise kräftig an. Hier ist ein Eigenheim für viele unerschwinglich geworden. Anderswo, im Westerwald oder in Cuxhaven, werden Besitzer ihr Häuschen nicht mehr los.

Hunsrück - Die leere Provinz

Irma Löh meint, es wäre längst an der Zeit, aufzuhören. Doch seit fünf Jahren klappt der Verkauf des Burgkellers nicht. 149.000 Euro hätte sie gern für das große Haus samt Gästezimmern und Grundstück. „Ich würde gerne mal die Türe zuschließen und bei schönem Wetter spazieren gehen“, wünscht sich die Wirtin. Und macht weiter. Sie ahnt, dass der Verkauf immer schwerer wird. „Vor zehn Jahren wäre es einfacher gewesen. Aber das weiß man hinterher.“

Die zehn teuersten Städte

Im Hunsrück zeigt sich die Landflucht an leeren Häusern und verwaisten Geschäften. Manche Dörfer werben noch um Neubürger und weisen Baugebiete am Rand aus, während im Ortskern die Häuser bröckeln. Ältere prägen das Bild. Die Kinder und Enkel aus Frankfurt oder Trier kommen noch zu Besuch, aber ziehen nicht zurück. Schwund plagt auch Dörfer in Niederbayern, Nordhessen, Vorpommern, im Sauerland und Harz.

Das Landleben mit weiten Wegen schreckt ab, sagt Annette Spellerberg, Professorin an der TU Kaiserslautern. „Die meisten Paare brauchen zwei qualifizierte Jobs und eine erreichbare Betreuung für die Kinder. Das gibt’s so nicht in ländlichen Regionen“, so die Siedlungsexpertin. Übrig blieben perforierte Dörfer. Erst verfallen die Häuser, dann der Zusammenhalt. Gebäude in Ortskernen an der Durchgangsstraße sind kaum noch verkäuflich. Täglich donnern Tausende Autos und Lkws vorbei. „Umgehungsstraßen baut hier keiner mehr.“

Die zehn billigsten Städte

Keinen Marktwert

Die Plattenbauten einer Wohnungsbaugesellschaft sind leichter zu sanieren als aneinanderhängende Dorfgrundstücke mit unterschiedlichen Eigentümern. „Man muss den Erben klar sagen, dass Häuser in manchen Flecken keinen Marktwert mehr haben“, verlangt Regionalplanerin Spellerberg.

Ein Bodenfonds könnte helfen, Flächen aufzukaufen und Dorfkerne als Ganzes wieder aufzupäppeln. Rheinland-Pfalz schickt Leerstandslotsen los, die mit Besitzern und Bürgermeistern Pläne gegen den Verfall schmieden.

Leerstandsbörsen im Internet sollen helfen, Häuser sichtbar zu vermarkten. Erfolgreich ist das idyllische Wanfried in Hessen. Dessen Bürgergruppe wirbt um Zuzügler, meist solvente Städter, die Fachwerkhäuser wieder in Schuss bringen.

München - Deutschlandweit Spitze

Spellerberg propagiert im Einzelfall den Ausstieg aus der Daseinsvorsorge, also aus Müllabfuhr oder Nahverkehr. Die Bürger vor Ort entscheiden, welche Lösungen funktionieren. Vielleicht reicht es, wenn der Müllwagen nur alle zwei Wochen an einem zentralen Ort vorfährt.

„Das würde Zwergschulen erlauben, einen eigenen Brunnen oder dezentrale Kanalisation“, beschreibt die Professorin. Ehrenamtliche führen den Bürgerbus, mobile Händler reisten dann übers Land.

Hilfreich wäre, wenn die Bundesregierung ihr Ziel „schnelles Breitband für alle“ bis 2018 erreicht. So ließe sich ein Gewerbe im Dorf leichter führen. Doch Bundesdigitalminister Alexander Dobrindt (CSU) zögert, Milliarden ins Netz zu stecken, wie in den Koalitionsverhandlungen erwogen. Das sollen Unternehmen tun – doch die sahen bisher wenig Anlass, dünn besiedelte Orte zu erschließen.

Die besten Städte Deutschlands
Platz 10: MainzDie Universitätsstadt und Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz punktet mit einem lebendigen Immobilienmarkt. Die Wohnungsmiete bei Bestands-Immobilien beträgt 8,71 Euro pro Quadratmeter (Rang 9). Schlecht für die Mieter, gut für Vermieter und die Stadt – spiegelt eine hohe Miete doch auch eine hohe Nachfrage und das Vorhandensein des nötigen Kleingelds der Bürger wider. Wer eine Wohnung sucht, muss schnell sein. Nach neun Tagen verschwinden Anzeigen in der Regel wieder von den Portalen, da die Anzeige hinfällig ist (Rang 13). Und dass, obwohl die Stadt nicht gerade reich an Grünflächen ist. Nur 13,2 Prozent der Stadtfläche taugen als Erholungsgebiete (Rang 70 von 71). Negativ ins Gewicht fällt auch die geringe Anzahl an Kindern, die die Mainzerinnen bekommen. Auf eine Frau kommen durchschnittlich nur 1,2 Kinder (Platz 66). Aber – Stichwort Studentenstadt – ein Großteil der Frauen ist ja noch jung. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen der Stadt Mainz finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 9: HeidelbergWer in Heidelberg krank wird, der muss sich um mangelnde ärztliche Versorgung keine Sorgen machen. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner (202, Rang 1), in keiner anderen Stadt gibt es mehr Ärzte pro 100.000 Einwohner (393, Rang 1). Wer Erholung sucht, findet im Stadtgebiet ausreichend Gelegenheit: 45,2 Prozent der Fläche gelten als Erholungsgebiet (Platz 7). Vor allem Hochqualifizierte zieht es nach Heidelberg. 22,9 Prozent aller Beschäftigten haben einen Hochschulabschluss (Rang 7). Negativ fällt auf: Die Beschäftigungsquote der Frauen ist im Deutschlandvergleich dramatisch niedrig. Nur 38 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter hatten 2012 einen sozialversicherungspflichten Job (Platz 70). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Heidelbergs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: AP
Platz 8: DarmstadtIn kaum einer anderen Stadt gibt es so viele Wald- und Erholungsflächen wie in Darmstadt. 45 Prozent des Stadtgebiets sind grün (Rang 3). Dennoch scheinen die Schüler nicht übermäßig den Unterricht zu schwänzen. Sehr viele Jugendliche kommen sehr erfolgreich durchs Schulleben. 54,9 Prozent aller Schulabgänger erreichen das Abitur oder die Fachholschulreife (Rang 5). Nur 3,5 Prozent aller Schüler erreichen keinen Abschluss (Rang 7). Bei den Straftaten (8358 je 1000.Einwohner) liegt Darmstadt gut im Rennen (Rang 17), mit einer Aufklärungsquote von 61,8 Prozent  liegt die örtliche Polizei auf einem noch besseren elften Rang. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Darmstadt finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 7: RegensburgProduktive Bayern: Die Regensburger erwirtschaften im Jahresdurchschnitt ein BIP von 75.434 Euro, das ergibt Platz 5 im Ranking. Hohe Produktivität und ein relatives hohes Einkommen sind auch nötig, sind doch die Immobilienpreise in Regensburg sehr hoch. Für eine Eigentumswohnung werden 2766 Euro pro Quadratmeter aufgerufen (Platz 3). Wer sich eine Wohnung in der Umgebung sucht, kommt dennoch schnell in die Stadt bzw. aus Regensburg wieder heraus. Die durchschnittliche Fahrzeit zur nächsten Autobahn-Anschlussstelle beträgt nur drei Minuten (Rang 6). Auch Auszubildende finden gute Bedingungen vor: Je 100 Nachfragen werden 105,1 betriebliche Ausbildungsplätze angeboten (Rang 4). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Regensburgs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 6: Frankfurt am MainBankenmetropole, Immobilienmekka – und die Stadt mit den meisten Straftaten je 100.000 Einwohner. 16.310 Straftaten (je 100.000 Einwohner) wurden 2012 laut dem Bundeskriminalamt verübt. Das ist – vor Düsseldorf und Köln – einsame Spitze. 59,9 Prozent aller Straftaten werden aufgeklärt (Rang 18). Positiv: Junge Leute haben eine gute Perspektive. Auf 100 Nachfrager kommen 105,6 Ausbildungsplätze (Platz 2). Die Erwerbstätigen sind sehr produktiv und erwirtschaften ein BIP von 80.223 Euro pro Einwohner (Platz 3). Eigentum ist trotzdem nicht einfach zu erwerben, sind doch die Preise recht hoch. In unserem Ranking spricht das für die Attraktivität der Stadt. Mit einem Preis von 2620 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung (Bestandsimmobilie) kommt Frankfurt auf Rang 6. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Frankfurts finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 5: StuttgartKreative Schwaben: Stuttgart meldet mit weitem Abstand die meisten Patente an. 1376 Patentanmeldungen je 100.000 Erwerbstätige wurden zuletzt im Jahr eingereicht (Rang 1). Zum Vergleich: Ingolstadt folgt mit einem Wert von 679 auf Rang 2. Das schlägt sich auch in der Produktivität wider. Die Stuttgarter erwirtschaften im Schnitt ein BIP von rund 62.000 Euro im Jahr – Rang 8. Außerdem positiv: Wer in Stuttgart geboren wird, kann auf ein langes Leben hoffen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 82,3 Jahren (Rang 2). Ärzte hingegen sind nicht gerade stark in Stuttgart vertreten. Auf 100.000 Einwohner kommen nur 212 Mediziner (Rang 50). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Stuttgarts finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 4: WolfsburgWenig überraschend leben in der VW-Stadt überdurchschnittlich viele Ingenieure. Zehn Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben ein Ingenieursstudium in der Tasche, mit weitem Abstand Rang 1. Auch beim Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den Erwerbsfähigen liegt Wolfsburg ganz vorne (68,4 Prozent). Die Wolfsburger erwirtschaften ein BIP von 108.165 Euro im Jahresdurchschnitt (Rang 1). Verletzen sollten sich die VW-Angestellten besser nicht: Bei der Ärztedichte hat die Stadt Nachholbedarf. Auf 100.000 Einwohner kommen nur 196 Mediziner (Rang 58). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Wolfsburg finden Sie in unserer Infografik. Quelle: obs

Auf Wohltaten wartet Sascha Diepmans nicht. Der 43-jährige Makler vermittelt Hunsrück-Häuser, auch für unter 100.000 Euro. Ist eine Butze unwohnlich, inseriert er sie als „Bruchbude“. „Offenheit erspart den Kunden und mir viel Zeit“, weiß er.

Jüngst zeigen sich Holländer, Belgier und Franzosen in der Gegend. „Denen gefällt die Natur – und dass es billig ist“, sagt Diepmans. Neue Nachbarn kündigen sich an – auf der Suche nach einem Urlaubsrefugium oder Altersruhesitz.

München - Das teure Pflaster

Münchens Makler haben andere Preise im Angebot. Die teuerste Wohnung der Stadt liegt in einem Altbau am Schwabinger Kaiserplatz. Jeder der 79 Quadratmeter kostete 14.500 Euro – macht 1,13 Millionen Euro. Auch am unteren Ende ist die Metropole teuer. Die Bertelsmann-Stiftung errechnete, dass Ärmere hier mehr als jeden zweiten Euro für ihre Miete ausgeben. Ähnlich sei es in Frankfurt, Jena und Freiburg. Für ein Drittel des Einkommens finde eine normale Familie nichts.

Die Stadt punktet mit ihren Konzernen, gilt als Jobmaschine und weißblaue Wohlfühlinsel. 2013 stiegen die Mieten um sieben Prozent, stärker noch als in Berlin mit 6,6 Prozent, Köln mit 4,5 Prozent, Hamburg mit 4,0 und Frankfurt mit 3,2 Prozent. Im Schnitt 13 Euro Kaltmiete sind deutschlandweit Spitze und ziehen auch das Umland nach oben.

München: Ulrich Rothdauscher (46). Polizeidirektor Rothdauscher (Mitte) leitet die Inspektion 42 im Stadtteil Neuhausen. Beamte wie Kevin Eidloth, 20 (links), und Manuel Hobmeier, 26, arbeiten bei ihm. Viele werden in die Landeshauptstadt beordert. Normalverdiener finden in der teuren Metropole aber kaum eine Wohnung. Quelle: Dieter Mayr für WirtschaftsWoche

Ulrich Rothdauscher weiß, wie die Preise auf Normalverdiener wirken. Der Zwei-Meter-Mann leitet die Polizeiinspektion Neuhausen. „Einsteiger landen regelmäßig in München“, beschreibt der 46-Jährige. Verpflichtet für bis zu fünf Jahre. Anfangs gibt es 1.800 Euro netto. Wach- und Streifenbeamte bringen 2.000 bis 2.100 Euro nach Haus – mit Familie wird’s da eng.

Der aus der Oberpfalz zugezogene Rothdauscher ergatterte mit seiner Familie vor Jahren eine Genossenschaftswohnung. Neulinge weichen auf Gemeinschaftsunterkünfte der Bereitschaftspolizei aus. Andere gründen eine Zweck-WG. Für Polizisten gilt in München Residenzpflicht.

Umschwenken beim Grundstücksverkauf

Im Vergleich zu Unternehmen wie Allianz oder BMW zahlt der Staat schlecht. Also hauen etliche Polizisten nach der Pflichtzeit wieder an erschwinglichere Dienstorte ab. München kostet. Eine Tasse Kaffee gibt’s ab 2,50 Euro. Ein Kinobesuch, der Sportverein oder der Wocheneinkauf belasten stärker als anderswo.

Rothdauscher warnt: „Auch Spitzenverdiener wollen sich in ihrer Umgebung sicher fühlen und nicht über Müll stolpern. Wenn nur noch Reiche genug Geld für München haben, muss die Gräfin die Villa selber putzen.“

Erzieherinnen können nicht nach München beordert werden. Das bremst den Ausbau städtischer Kitas. Dabei locken Dienstwohnung und Zuschuss für Bus und Bahn. Extra-Schmankerl: Der Kita-Platz fürs eigene Kind zum halben Preis! In die Lücke springen private Ketten wie Elly & Stoffl oder die Wichtel Akademie. Die Krippe kann da im Monat 1.300 Euro verschlingen, ein Platz für Größere gut 1.000 Euro.

In diesen Städten lebt es sich am teuersten
Platz zehn: SydneyLaut dem Städteranking "Cost of Living Survey " landet Australiens größte Stadt Sydney auf Platz zehn der teuersten Städte weltweit. Für das Ranking hat das Beratungsunternehmen Mercer die Kosten von mehr als 200 Produkten und Dienstleistungen in 214 Städten miteinander verglichen. Darunter sind zum Beispiel Miete, öffentliche Verkehrsmittel, Haushaltswaren, Lebensmittel, Kleidung und Freizeitangebote. "Die Miete stellt den mit Abstand größten Kostentreiber dar", sagt Mercer-Expertin Margit Kaiser. In Sydney schlagen aber auch noch ganz andere Dinge ordentlich zu Buche. So kostet eine Jeans durchschnittlich 113,55 und eine internationale Tageszeitung 6,20 Dollar. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz neun: BernIn der Schweizer Hauptstadt Bern kostet eine Tasse Kaffee umgerechnet 4,68 Dollar. Auch Miete, Kleidung, Benzin und Dienstleistungen sind im Vergleich so teuer, dass es im internationalen Vergleich für Platz neun gereicht hat. Quelle: obs
Platz acht: Zürich Auch der achte Platz geht an die Schweiz. In der größten Schweizer Stadt lebt es sich noch teurer als in Bern. Wer hier ins Kino gehen möchte, zahlt übrigens im internationalen Vergleich am meisten. 20,66 Dollar kostet die einfache Kinokarte. Und auch alles andere ist in Zürich nicht billig. Quelle: dpa
Platz sieben: GenfDer siebte Platz geht an Genf. Dort kostet beispielsweise eine Tasse Kaffee 6,52 Dollar. Quelle: dpa/dpaweb
Platz sechs: Hong KongDas Ranking wird neben den Schweizer Großstädten auch von Metropolen aus dem asiatisch-pazifischen Raum dominiert. Den Auftakt macht die Weltstadt Hong Kong. Dort kostet beispielsweise ein Liter Normalbenzin durchschnittlich 2,23 Dollar. Verglichen mit den anderen 214 Städten ist das ist der höchste Preis. Quelle: REUTERS
Platz fünf: Singapur"In Europa sind die Lebenshaltungskosten in einigen Ländern durch starke nationale Währungen gestiegen, in der Schweiz sogar trotz teilweise sinkender Wohnkosten. Eine gegenläufige Entwicklung sehen wir in Asien, wo lokale Währungen etwas geschwächt sind", sagt Kaiser. Trotzdem bewegen sich die Lebenshaltungskosten in vielen asiatischen Städten noch immer auf einem sehr hohen Niveau. So auch in Singapur, wo beispielsweise der Liter Normalbenzin 1,76 Dollar kostet. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz vier: N DjamenaAuf Platz vier folgt mit N’Djamena im Tschad eine afrikanische Stadt. "Importierte Güter wie Kleidung und Haushaltswaren sind in der Regel kostspielig. Dies erklärt beispielsweise die hohe Platzierung der afrikanischen Städte, wo diese Faktoren besonders stark ins Gewicht fallen", erklärt Mercer-Expertin Margit Kaiser. Quelle: REUTERS

München zieht dennoch Neubürger an. Was zählt, sind Jobs. Allein 2012 kamen rund 24.400 sozialversicherungspflichtige Stellen dazu. Doch wächst auch der Widerstand. Mieter in der Maxvorstadt wehren sich gegen angeblich defekte Heizungen oder abgedrehtes Wasser, weil sich einzelne Hausbesitzer mehr Miete von den nächsten Bewohnern erhoffen. Künstler verhindern als Hausbesetzertrupp „Goldgrund“ den Abriss älterer Häuser im Glockenbachviertel. Auch in anderen Großstädten formiert sich eine neue Generation Hausbesetzer, die lautstark auf leer stehende Häuser aufmerksam macht.

Verbilligten Wohnraum bietet das „München Modell“, ein Artenschutzprogramm für die Mittelschicht. Es fördert zum Beispiel vierköpfige Familien, die bis zu 72.000 Euro Jahreseinkommen haben dürfen. Die Verwaltung stützt Fachhändler, indem sie städtische Ladenlokale billiger vermietet. Bayerns Heimatminister Markus Söder (CSU) will Landesbehörden aus Oberbayern in Randregionen verlegen.

Anteil leer stehender, aber vermietbarer Wohnungen (in Prozent)

Berlin versucht, Ferienwohnungen in Mietshäusern zu verhindern. Am Prenzlauer Berg darf in Altbauwohnungen kein zweites Bad entstehen – das gilt als Luxussanierung.

Boom-Städte schwenken beim Grundstücksverkauf um. In Berlin kann eine gute Idee das dicke Scheckbuch schlagen. So bekam die Kreuzberger Künstlergruppe Frizz23 den Zuschlag für ein Atelier- und Wohnhaus. Ähnliches gilt in Tübingen und Hamburg. In Jena beteiligen sich Bürger an Planungen in der Altstadt.

Suhl - Der ausgezehrte Ort

Suhl. Das reimt sich – auf cool. Um den Ort im Thüringer Wald und dieses Lebensgefühl zu verbinden, braucht es Geduld und Gitarren. Robert Kress, Thomas Adloff und zwei Freunde hatten beides. Ergrauter Plattenbau und breite Autoschneisen sind trist, aber Country-Sound hilft. Das YouTube-Filmchen „Biste Suhler, kommste cooler“ hat die 31-Jährigen hier berühmt gemacht. Sie hängen an ihrer „Geisterstadt“, wie es Adloff nennt. „Für Junge gibt’s ja nix.“ Zwei der vier Band-Mitglieder sind schon abgewandert und nur noch wochenends greifbar: Sängerin Katja lebt in Hamburg, der Regisseur des Musik-Clips, Micha, arbeitet in Erfurt.

Radikalkur

25 Jahre Abwanderung haben Suhl ausgehöhlt. Hier gibt’s den „großen Kreis der Alten“, wie die von Senioren bevölkerten Parkbänke heißen. Die Jungen treibt es am Wochenende 50 Kilometer nach Coburg und 70 nach Erfurt. Vor Jahren machte der McDonald’s dicht.

Suhl ist gebeutelt vom Niedergang der Industrie. Abgemagerte Städte wie Hoyerswerda, Wittenberge, Bremerhaven, Salzgitter, Hof oder Pirmasens suchen ebenso nach Ideen für weniger Einwohner und wachsenden Leerstand. Orte wie Wunsiedel oder Görlitz werben um Rentner, die mehr fürs Geld wollen als in der Großstadt. Andere appellieren ans Heimatgefühl, dass die Fortgezogenen zur Familiengründung doch wiederkehren mögen.

In welchen Städten der Leerstand am höchsten ist
Platz 10: SalzgitterDer Stahlabstich erleuchtet den Himmel über dem Stahlwerk der Preussag in Salzgitter. Die Stadt liegt im Südosten des Landes Niedersachsen.Leerstandsquote: 9,8 ProzentFreie Wohnungen: 5398Eigentümerquote: 49,6 Prozent Quelle: AP
Platz 9: PrignitzRadfahrer fahren auf dem Elberadweg bei Abbendorf in der Prignitz. Der Landkreis befindet sich im Norwesten Brandenburgs.Leerstandsquote: 9,8 ProzentFreie Wohnungen: 4274Eigentümerquote: 48,8 Prozent Quelle: dpa
Platz 8: SchwerinDunkle Regenwolken ziehen über das Schloss von Schwerin. Die Stadt ist die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern.Leerstandsquote: 10,7 ProzentFreie Wohnungen: 6040Eigentümerquote: 15,7 Prozent Quelle: dpa
Platz 7: ZwickauZwickau ist bekannt für das DDR-Symbol Trabi. Die Stadt war die Geburtsstätte des legendären Trabant, hier treffen sich Fans des legendären Kleinwagens zum Internationalen Trabi-Treffen. Zwickau liegt im südwestlichen Teil des Freistaates Sachsen.Leerstandsquote: 11,3 ProzentFreie Wohnungen: 21.122Eigentümerquote: 37,3 Prozent Quelle: dpa
Platz 6: Halle an der SaaleEin Blick auf das wieder eröffnete Wilhelm-Friedemann-Bach-Haus in Halle (Saale). Halle ist eine kreisfreie Großstadt im Süden von Sachsen-Anhalt.Leerstandsquote: 11,5 ProzentFreie Wohnungen: 15.971 Eigentümerquote: 16,0 Prozent Quelle: dpa
Platz 5: GeraEin Blick auf die ehemalige Landeszentralbank in Gera. Gera liegt im Osten Thüringens. Sie ist die bevölkerungsmäßig größte Mittelstadt Deutschlands. Leerstandsquote: 12,1 ProzentFreie Wohnungen: 7234Eigentümerquote: 21,5 Prozent Quelle: dpa
Platz 4: LeipzigEine Fischaugenaufnahme zeigt einen Blick über Leipzig im Freistaat Sachsen.Leerstandsquote: 12,1 ProzentFreie Wohnungen: 38.490 Eigentümerquote: 12,9 Prozent Quelle: dpa

Nix für mich

1990 lebten in Suhl, der DDR-Bezirksstadt, 58.000 Menschen, heute 35.000, im Jahr 2020 dürften es unter 30.000 sein. Suhl halbiert sich in einer Generation. Das Durchschnittsalter ist auf über 50 Jahre geklettert.

Auch Hobbymusiker Adloff hatte Suhl hinter sich gelassen, war in Jena und Hamburg, aber kehrte zurück. „So ganz allein woanders, das ist nix für mich.“ Kress und Adloff bleiben. Hat auch Vorteile: Miete und Alltag kosten weniger als anderswo.

Oberbürgermeister Jens Triebel stemmt sich gegen den Niedergang und setzt eine Radikalkur durch. Das Viertel „Suhl-Nord“ wird bis 2025 abgerissen. Die letzten Bewohner der 3.000 Plattenbauwohnungen sollen dann in die Innenstadt ziehen. Bergsteiger Triebel will langen Atem zeigen und sieht die Stadt als Vorreiter. Es trifft auch andere Städte – nur langsamer.

Suhl: Thomas Adloff (31), Robert Kress (31).Hinten auf der Gitarre prangt Countrystar Johnny Cash. Im Konzertsaal der Thüringer Stadt wird eher Volksmusik gespielt. Die Suhler sind im Schnitt 50 Jahre alt. Die beiden gehören zur jungen Minderheit, sie wollen aber bleiben. Adloff (links) ist Zerspanungsmechaniker, Kress Lackierer. Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Unterstützung bekommt er von Empirica-Ökonom Harald Simons: „Schrumpfen verlangt Konzentration. Es ist nicht mehr alles überall finanzierbar.“ Kommunen sollten nur noch im Kern investieren und dorthin locken. Sonst sei überall Brache.

Nicht mal eine Hochschule hilft immer, den Exodus Junger aufzuhalten. Das mussten Cottbus und Frankfurt an der Oder feststellen. Viele entscheiden sich fürs Studium dort, doch wohnen sie lieber im zweiten Berliner Hinterhaus und pendeln täglich wie ihre Professoren in vollen Zügen.

Die Johnny-Cash-Fans Kress und Adloff stehen vor der zugesperrten Philharmonie. Zuletzt fanden dort Ü30-Partys statt, zahlreich vertreten waren Suhler jenseits der 50. Die sorgen auch für volle Hallen, wenn Moderator Florian Silbereisen zur Volksmusikshow anreist. Für Lackierer Robert Kress sprang ein Auftrag heraus. Er besprühte 24 Tannen, damit sie bei der TV-Übertragung wie zugeschneit aussahen.

Der Boom ist spürbar

Dresden - Die kinderreiche Stadt

Wenn eins der Kinder krank ist, startet Christian Werner notfalls um sechs Uhr morgens mit der Arbeit. Dann geht der Mediengestalter früh nach Hause. Oder er arbeitet gleich von dort. Vertrauensarbeitszeit heißt das bei der Dresdener Agentur Sandstein, die Netzauftritte erstellt oder Imagekampagnen erdenkt. Was er für familienfreundlich hält, ist für die drei Chefs eigenes Interesse. Viele der 47 Angestellten haben kleine Kinder. Sandstein versucht, mit flexibler Arbeitszeit, Weiterbildung und Kita-Zuschuss zu punkten. Fachkräfte sind rar, wer viel verdienen will, zieht nach Hamburg oder München.

Diese Städte holen auf
Platz 10: OldenburgIm Dynamikranking zeigt sich, welche Städte sich in den vergangenen fünf Jahren am besten entwickelt haben. Die niedersächsische Stadt Oldenburg gehört dazu. Die Aufklärungsquote der Straftaten veränderte sich um 6,3 Prozentpunkte, Rang 6. Auch bei der Kinderbetreuung hat sich in Oldenburg viel getan. Die Betreuungsquote der U3-Jährigen stieg im Untersuchungszeitraum um 21 Prozentpunkte. Keine andere Stadt kommt auf einen ähnlich guten Wert. Im Durchschnitt konnten die Städte die Quote „nur“ um 11,8 Prozentpunkte steigern. Und: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Oldenburg veränderte sich zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 15,5 Prozent (Bundesdurchcshnitt: 9,8 Prozent). Oldenburg erreicht damit Platz 6. Verschlechtert hat sich hingegen die Produktivität (BIP je Erwerbstätigen). Diese Kennziffer veränderte sich von 2007 bis 2011 um -1,3 Prozent (Rang 56). Insgesamt kommt Oldenburg im Niveauranking (jene Tabelle, die den Ist-Zustand bewertet) auf Rang 33. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Oldenburgs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 9: KasselDie documenta-Stadt setzt ihren Aufwärtstrend weiter fort. Nachdem Kassel bereits Platz 1 im Dynamikranking 2011 und Platz 3 im Dynamikranking 2012 belegte, erreicht die Stadt auch in diesem Jahr wieder eine Platzierung in den Top 10. In diesem Jahr fiel positiv auf, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 16,6 Prozent gesteigert werden konnte (Platz zwei). Im Mittel verzeichneten die Städte „nur“ einen Beschäftigungszuwachs von 9,8 Prozent. Gleichzeitig ging in Kassel der Anteil der ALG-II-Empfänger an der Bevölkerung zurück (3,2 Prozentpunkte, Rang zwei) – und auch die Zahl der Straftaten ging spürbar zurück (-17,6 Prozent, Rang 3). Die guten Nachrichten haben sich deutschlandweit offenbar noch nicht rumgesprochen: Die Zahl der Gästeübernachtungen ging gegen den Trend zurück (-0,3 Prozent, Rang 69). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Kassels finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 8: BerlinDie Hauptstadt holt auf. Während es im Niveauranking weiterhin nur für einen durchschnittlichen 45. Rang reicht, stimmt wenigstens der Trend. Im Dynamikranking belegt Berlin in diesem Jahr den achten Rang. Durch die positive konjunkturelle Entwicklung in Deutschland war auch die Zahl der überschuldeten Erwachsenen in den deutschen Großstädten im Mittel rückläufig. In Berlin aber  veränderte sich der Anteil überdurchschnittlich gut. Um 2,1 Prozentpunkte ging der Anteil der Schuldner zurück, Platz 10. Auch besser als der Durchschnitt entwickelte sich der Anteil der Beschäftigten mit einem Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Er stieg zwischen 2007 und 2013 in allen Vergleichsstädten um durchschnittlich 3,1 Prozentpunkte. Berlin erreicht einen Wert von 4,7, was Rang 7 bedeutet. Negativ fällt ins Gewicht: Die Aufklärungsquote der Straftaten veränderte sich um -5,7 Prozentpunkte. Im Vergleich der Großstädte bedeutet das Rang 66. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Berlins finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 7: BraunschweigDie Kinderbetreuungsquote der unter 3-Jährigen stieg in Braunschweig im Untersuchungszeitraum um 16,4 Prozentpunkte, das reicht für Rang 7. Die untersuchten Städte verbesserten sich bei der Betreuungsquote insgesamt um 11,8 Prozentpunkte. Auch gut: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Braunschweig veränderte sich zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 16,5 Prozent. Im Mittel verzeichneten die Städte einen Beschäftigungszuwachs von 9,8 Prozent. Braunschweig erreicht damit Platz 3. Dadurch stieg auch die Steuerkraft (Grundsteuer, Gewerbesteuer und die Anteile der Gemeinde an der Einkommen- und Umsatzsteuer) um 122 Euro je Einwohner, was Rang 5 im Deutschland-Vergleich bedeutet. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Braunschweigs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 6: WürzburgDie bayerische Stadt konnte sich auf gutem Niveau weiter verbessern. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Würzburg veränderte sich zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 15,2 Prozent. Im Mittel verzeichneten die Städte einen Beschäftigungszuwachs von 9,8 Prozent. Würzburg erreicht damit Platz 9. Auch immer mehr Frauen gehen einer Tätigkeit nach. Die Frauenbeschäftigungsquote stieg zwischen 2007 und 2012 um 6,0 Prozentpunkte (Rang 6). Und: Die Arbeitsplatzversorgung stieg zwischen 2007 und 2012 in allen Vergleichsstädten im Mittel um 4,1 Prozentpunkte. Würzburg erreicht einen Wert von 7,1, was Rang 2 bedeutet. Allerdings: Während die deutschen Städte im Vergleichszeitraum um durchschnittlich 0,9 Prozent wuchsen, sank die Einwohnerzahl von Würzburg um 1,0 Prozent (Rang 55 im Dynamikranking). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Würzburgs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 5: LeipzigZwei Mal Flop, drei Mal Top und oft überdurchschnittlich: Leipzig liegt im Dynamikranking 2013 auf Rang fünf – und dass, obwohl die Anzahl der Straftaten gegen den Deutschlandtrend (-3,2 Prozent) um 1,4 Prozent stiegen. Auch die Zahl der Schulabgänger, die ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, stieg weiter und zwar um 2,7 Prozent (Rang 69). Im Mittel aller Großstädte konnte die Quote um 1,7 Prozent gesenkt werden. Dennoch überwiegen die positiven Meldungen: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Leipzig veränderte sich zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 20,0 Prozent. Keine Stadt in Deutschland hat einen höheren Beschäftigungszuwachs. Die Arbeitslosenquote der Jugendlichen sank zwischen 2008 und 2012 um 4,7 Prozentpunkte (Rang 2) und bei der Arbeitsplatzversorgung legte Leipzig um 5,3 Prozent zu (Rang 2). Dennoch bleibt viel zu tun. Im Niveauranking liegt die Ostmetropole nur auf Rang 50. Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Leipzigs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa
Platz 4: RegensburgSiebter im Niveauranking, Vierter im Dynamikranking: Regensburg überzeugt in allen Belangen. So stieg die Steuerkraft der Stadt (Grundsteuer, Gewerbesteuer und die Anteile der Gemeinde an der Einkommen- und Umsatzsteuer) um 97 Euro je Einwohner (Rang 7).  Auch die Jobsituation verbesserte sich. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Regensburg veränderte sich zwischen den Jahren 2007 und 2012 um 16,4 Prozent. Im Mittel verzeichneten die Städte einen Beschäftigungszuwachs von 9,8 Prozent. Regensburg erreicht damit Platz 4. Die Arbeitsplatzversorgung stieg im gleichen Zeitraum um 6,3 Prozentpunkte, was Rang 3 bedeutet. Trotz der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gibt es in Regensburg – gegen den Trend – einen Anstieg der überschuldeten Erwachsenen (0,6 Prozentpunkte, Platz 67). Eine detaillierte Auflistung der Stärken und Schwächen Regensburgs finden Sie in unserer Infografik. Quelle: dpa/dpaweb

Sachsens Regierungssitz schrumpfte in den Neunzigerjahren und wächst seither wieder auf jetzt 536.000 Einwohner. 18- bis 24-Jährige ziehen her und bleiben. Das Rathaus meldet, Dresden sei erneut vor München und Frankfurt kinderreichste Großstadt. Firmen wie Stadtvertreter haben jedoch verinnerlicht, dass Wachstum nicht selbstverständlich ist.

Dresden: Christian Werner (38). Der Mediengestalter kam 2007 nach Dresden. Damals war die Suche nach einer Wohnung und Betreuung für Tochter Lorelai, 7, einfach. Bald waren sie mit Sohn Till, 5, zu viert. Zuletzt schrieb Werner Bewerbungen, bevor es mit der neuen Wohnung im Stadtteil Laubegast klappte. Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Wirtschaftlicher Erfolg und familienfreundliche Politik wirken inzwischen. Anderswo machen Schulen dicht, hier öffnen neue Gymnasien. Bauland wird ausgewiesen, vor allem Vier-Raum-Wohnungen sollen gebaut werden. Flächendeckende Betreuung in Krippen, Kitas und Hort gibt es traditionell. Acht Stunden Betreuung am Tag kosten höchstens 170 Euro im Monat. Die Frage „Kind oder Beruf?“ muss niemand entscheiden.

Der heute 38-jährige Christian Werner kam 2007 mit Frau und Tochter her. „Die Makler rannten noch hinter uns her, als wir eine Drei-Raum-Wohnung suchten“, erinnert er. Eine Tagesmutter für die damals einjährige Lorelai war schnell gefunden.

Heute ist die Lage weniger komfortabel. Die nun vierköpfige Familie ist umgezogen. Die Eltern mussten Bewerbungen an Makler schreiben. Geklappt hat es im idyllischen Stadtteil Laubegast, ein Stück elbaufwärts gelegen in Radeldistanz. Das Auto hat Werner abgeschafft.

Noch ist niemand bei Sandstein gezwungen, wegen hoher Mieten außerhalb der Stadt zu wohnen. Doch der Boom ist spürbar: Immobilien werden teurer, Kita-Plätze knapp. Ähnlich sieht es in Leipzig, Rostock und Potsdam aus. Voriges Jahr, als sich bei Sandstein-Angestellten zeitgleich neun Babys ankündigten, bemühte sich Prokuristin Heike Bojunga in sozialen Netzwerken um Vertretung. Zugleich bezahlte die Agentur die Stadt, damit diese vier Krippenplätze garantierte. „Es herrschte schiere Not bei uns“, so Bojunga. „Jeder, der wollte, sollte so schnell wie möglich zurückkehren.“ Um ihren Mangel an IT-Leuten zu beheben, bildet die Agentur bereits selbst aus.

Nachwuchs strömt weiter in die Stadt. Und bereits früher Zugezogene wie Bojunga merken, dass ihre Umgebung nicht mit ihnen älter wird. Studenten und Twens bevölkern die Abendtreffpunkte. „Wenn ich heute in Neustadt ausgehe“, lacht die aparte 46-Jährige, „fühlt sich das an wie Mutti auf Patrouille.“

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