Die Älteste und der Jüngste Witz statt Erfolg im Wahlkampf

Barbara Rütting und Floris Beer trennen ganze 71 Jahre. Beide kandidieren für die Bundestagswahl. Beide für Parteien, denen keine Chance eingeräumt wird. Doch politische Leidenschaft kennt kein Alter.

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Sie habe die Partei gefunden, die sie immer gesucht habe, sagt die ehemalige Landtagsabgeordnete und Schauspielerin Barbara Rütting. Quelle: dpa

Marktheidenfeld/Fürstenwalde Eine Chance haben sie nicht. Aber jede Menge Energie. Von allen Kandidaten, die sich am 24. September um einen Platz im neuen Bundestag bewerben, ist Barbara Rütting mit ihren 89 Jahren die älteste, der gerade 18 Jahre alt gewordene Floris Beer der jüngste.

„Der Weg ist das Ziel“

Barbara Rüttig, V-Partei³: Noch 2009, nach ihrer Trennung von den Grünen, hatte sie sich geschworen, nie mehr in eine Partei einzutreten. Zumindest in diesem Punkt ist sich Barbara Rütting untreu geworden: Seit dem Frühjahr engagiert sich die frühere Schauspielerin, die rund sechs Jahre für die Grünen im bayerischen Landtag saß und im unterfränkischen Marktheidenfeld lebt, für die V-Partei³ – eine politische Bewegung, die sich für „Veränderung, Vegetarier und Vegane“ einsetzen will und nun auch zur Bundestagswahl antritt.

Warum sie sich das in einem Alter antut, in dem andere schon fast 30 Jahre in Ruhestand sind? „Weil es getan werden muss“, antwortet die 89-Jährige plakativ mit dem V-Partei-Wahlslogan. Dahinter stecke ein tief verwurzeltes Pflichtgefühl: „Ich empfinde Verantwortung für die Welt. Und ich möchte, dass auch die Menschen mehr Verantwortung für die Welt übernehmen“, betont Rütting, Verfechterin einer konsequent vegetarischen Ernährung, friedensbewegte Tierschützerin, Buchautorin und Schauspielerin, die in mehr als 45 Filmen mitgespielt hat.

Von der V-Partei³, für die sie auf Platz zwei der bayerischen Landesliste kandidiert, schwärmt sie mit fast jugendlicher Begeisterung: „Weil ich die Partei gefunden habe, die ich immer gesucht habe. Hier sehe ich eine Partei von Idealisten, die wirklich leben, was sie sagen“. So manche ihrer enthusiastischen Äußerungen erinnern freilich an ihre Anfangszeit bei den Grünen, denen sie 2009 schließlich enttäuscht den Rücken kehrte.

Mit ihrer kessen Bobfrisur und ihrem listigen Lächeln, vor allem aber mit ihrer geistigen Agilität wirkt Rütting bis heute jung. Bei Vorträgen über vegane Ernährung und Tierrechte meinen die Zuhörer noch immer das Feuer zu spüren, mit dem sie seit Jahrzehnten für Tierrechte streitet. Rütting formuliert druckreife Sätze, ist aber auch in ihrer Haltung kompromisslos. Der Hinweis, dass es die V-Partei³ wohl kaum über die Fünf-Prozent-Hürde schaffe, lässt sie kalt: „Der Weg ist das Ziel, egal ob wir reinkommen.“

Wahlziel „100 Prozent plus X“

Floris Beer, „Die Partei“: Blaues Hemd, rote Krawatte und grauer Anzug. „Parteiuniform“, sagt Floris Beer trocken. Der Schüler, gerade 18 geworden, tritt am 24. September im Wahlkreis 63 östlich von Berlin für „Die Partei“ an. Ein Witz? „Wir sind keine Spaßpartei, wir sind eine Satire-Partei“, sagt Beer. „Wir kümmern uns um ernste Anliegen.“ Satire sei nur das Mittel, um Wähler anzusprechen.

Das Programm von „Die Partei“, 2004 von Redakteuren des Satire-Magazins „Titanic“ gegründet, klingt skurril. Bierpreisbremse, Artenschutz für die Grünen oder die Kopplung der Diäten an die Hartz-IV-Sätze, heißt es dort. Zur Bekämpfung der Altersarmut könne das Flaschenpfand erhöht werden, sagt Beer mit Blick auf alte Menschen, die ihr Einkommen mit dem Sammeln von Altglas aufbessern. Und Kinderarmut könne einfach durch Kinderarbeit bekämpft werden.

Doch mit Satire Wahlkampf zu machen, ist verzwickt. „Man trifft immer auch Leute, die die Satire nicht verstehen“, sagt Beer. „Und wir haben immer wieder Beschwerden von Leuten, die das ernst nehmen.“

Wie kommt man dazu, mit 18 für eine Satirepartei anzutreten? „Ich war schon immer politisch interessiert“, sagt Beer. Früher sei er oft auf Demonstrationen der Grünen etwa gegen die Atomkraft gewesen, habe dann von „Die Partei“ gelesen. Mit 16 lud er sich den Mitgliedsantrag aus dem Internet runter und unterschrieb.

Weil sein Nachname das englische Wort für Bier sei, sei er aufgefallen. „Die fanden meinen Namen klasse.“ Wenig später gründete er mit drei Freunden einen Kreisverband. Und als die Bundestagswahl anstand, wollte kein anderer im Wahlkreis als Direktkandidat antreten. Danach mussten dann nur noch die vorgeschriebenen 200 Unterstützer-Unterschriften gesammelt werden.

Beer, der gerne Rad fährt und dessen Oma mächtig stolz auf ihn als Bundestagskandidat sei, gibt sich siegesgewiss. „100 Prozent plus X“ lautet das offizielle Wahlziel seiner Partei. Und wenn es nichts wird? Dann erstmal Abitur, danach ein Jahr ins Ausland und dann ein Psychologie-Studium.

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