Von der Öffentlichkeit fasst unbemerkt wurde der Digitalisierung in Deutschland ein Stoppschild verpasst. Mit der Ablehnung des Updates des zentralen Digitalisierungsgesetzes in Deutschland – des Onlinezugangsgesetzes (OZG) – im Bundesrat haben einige Länder dafür gesorgt, dass juristische Hürden weiter bestehen und wichtige Regelungen wahrscheinlich erst sehr viel später in Kraft treten.
Dabei braucht Deutschland dieses Update, um einen schleichenden Blackout bei der Digitalisierung zu vermeiden. Im Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft der Europäischen Kommission liegt das Land vor Bulgarien und Rumänien auf dem drittletzten Platz. In der Fußballsprache: Wir sind auf dem Relegationsplatz, aber der Abstand zum rettenden Ufer wird größer, während die Abstände nach unten kleiner werden.
Das neue Onlinezugangsgesetz ist keine Allzweckwaffe zur Lösung unserer Probleme. Aber es formuliert das Zielbild einer Ende-zu-Ende-Digitalisierung über die Verwaltungsebene hinweg, es bedeutet die faktische Abschaffung der Schriftform und es ebnete den Weg zur gemeinsamen Standardisierung. Außerdem müssen die datenschutzrechtlichen Regelungen für die Verwaltungsleistungen in den Ländern nun anders gelöst werden, wenn der von der Bundesregierung nun anzustrengende Vermittlungsausschuss nicht schnell zu einem Ergebnis kommt.
Zur Person
Fedor Ruhose ist seit dem 18. Mai 2021 Staatssekretär und Amtschef im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Er ist außerdem Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) und Digitalisierung (CDO) in Rheinland-Pfalz. Nach beruflichen Stationen im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz sowie im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie war er von 2014 bis 2021 Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion.
Sieben Jahre nach Verabschiedung des OZG brauchen wir ein Update. Wir stehen vor großen geopolitischen Herausforderungen nicht nur im Cyberraum, die wir nur gemeinsam lösen können. Wir sehen uns technologischen Umwälzungen gegenüber, die wir für die Verwaltung nutzbar machen müssen und so ihre Leistungsfähigkeit erhalten.
Natürlich macht man das nicht durch ein Gesetz. Digitale Verwaltung lebt vom Machen. Im bestehenden Rahmen stoßen wir an Grenzen, die eben gerade nicht in technischen, sondern in juristischen Restriktionen zu suchen sind. Es geht aber auch ums liebe Geld. Deswegen ist die Schuldfrage, wer jetzt alles gestoppt hat, auch nicht eindeutig zu beantworten. Auch auf Bundesebene muss es Bewegung geben, was die Finanzierung zentraler Digitalprojekte für die Verwaltungen in Deutschland angeht.
Die verfahrene Situation bietet nun zweierlei Chance. Entweder es gelingt durch das nun von der Bundesregierung anzustoßende Vermittlungsausschuss-Verfahren, dass wir die Änderungen noch gemeinsam über die Bühne bringen. Dann braucht es aber wahrscheinlich noch mehr Mut, denn ohne substanzielle Änderungen und Fortschritte wäre die Obstruktionshaltung einiger Länder noch weniger erklärbar. Diese sind aber in den Stellungnahmen im bisherigen Gesetzgebungsverfahren kaum zu finden. Besser wäre es, wir bringen das Gesetzesupdate nun schnell in Wirkung und klären die Finanzierungsfragen für eine nachhaltige Verwaltungsdigitalisierung.
Generell zeigt dieser Vorgang im Bundesrat allerdings, dass es vor allem einen geschlossenen Kern entschiedener Digitalisierungsbefürworter gibt. Sie wollen die Digitalisierung der Verwaltung als zentralen Standortfaktor begreifen, den man nur gemeinsam gestalten kann. Dieser Kern sollte sich von bremsenden Kräften nicht aufhalten lassen. Der IT-Planungsrat, das Gremium für die föderale Zusammenarbeit im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung, hat jüngst beschlossen, eine Digitalstrategie für die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen zu entwickeln. Darin liegt die Chance, ein gemeinsames Zielbild zu formulieren. Alle gemeinsam wäre besser.
In der Digitalisierung spielen Skaleneffekte und Marktmacht eine große Rolle. Wenn das nicht geht, sieht das Regelwerk beim IT-Planungsrat vor, dass Beschlüsse mit Mehrheit gefasst werden können und diese dann nur für diejenigen Geltung entfalten, die diesen Weg gemeinsam gehen wollen. Sollte das Feld der Digitalen Verwaltung also weiter politisch aufgeladen bleiben, bietet sich hier dennoch die Möglichkeit für die „Koalition des digitalen Fortschritts“ von Bund und vielen Ländern.
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