Entwicklungspolitik Fragwürdige Hilfe

Die Kanzlerin verspricht in Afrika mehr Entwicklungshilfe – und will damit auch die massenhafte Abwanderung nach Europa stoppen. Doch die Finanzspritzen haben die gegenteilige Wirkung – und wecken falsche Hoffnung.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel im Niger. Sie verspricht dem Land Unterstützung. Quelle: dpa

Düsseldorf Moderne Trecker für äthiopische Bauern oder Schulbücher für Kinder in Nepal – Deutschland gab im vergangenen Jahr 18 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe aus, rund zwei Prozent des Bundeshaushaltes. Nur die USA und Großbritannien zahlten mehr. Gleichzeitig erlebte Deutschland 2015 die größte Einwanderungswelle seit dem zweiten Weltkrieg. Auf der Liste der zehn größten Herkunftsländer stehen, neben dem Bürgerkriegsland Syrien, Serbien, Afghanistan und Albanien.

Deutschland pumpt seit Jahren milliardenschwere Entwicklungspakete in die Länder. Allein Afghanistan bekam in den vergangenen sechs Jahren mehr als 2,5 Milliarden Euro. Trotzdem setzten sich die Menschen in Schlauchboote und trieben massenhaft über das Mittelmeer, um vor Armut und Perspektivlosigkeit in ihren Ländern zu fliehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kehrte am Montag von ihre Afrikareise zurück. Knapp drei Tage reiste sie quer über den afrikanischen Kontinent und machte den Ländern neue Versprechen für deutsche Entwicklungshilfe. Der Republik Niger würden im kommenden Jahr 17 Millionen Euro an direkten Hilfen und 60 Millionen Euro an Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an.

Dabei sind sich die meisten Wissenschaftler inzwischen einig: Entwicklungshilfe kann die Migration nicht verhindern – es verstärkt sie sogar, so eine Studie der OECD. Denn Auswandern ist teuer. Die Migranten müssen Schlepper, Flüge und Zugtickets bezahlen. Die ärmsten der Armen können sich das nicht leisten und es sind vor allem die Angehörigen der unteren Mittelschicht, die eine Überfahrt nach Europa überhaupt bezahlen können. Durch die Entwicklungshilfe steigt der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe. Bei einem Jahresgehalt von 1.500 bis 8.000 Dollar sei die Migrationsrate am höchsten – so das Ergebnis einer Studie des Schweizer Thinktank „Forum Außenpolitik“.

Dabei ist der Migrationstrend für die Entwicklungsländer nicht unbedingt schlecht. Wenn die Menschen einen Job in einer reichen Industrienation finden, schicken sie einen großen Teil ihres Gehalts an ihre Familien in die Heimat. Laut Weltbank überwiesen Migranten im vergangenen Jahr rund 430 Milliarden Dollar zurück an ihre Familien. Zum Vergleich: Für Entwicklungshilfe bekamen die Entwicklungsländer im vergangenen Jahr von allen Geberländern nur 130 Milliarden Dollar.


Keine Chance, in Deutschland zu bleiben

„Die Rücküberweisungen sind ein massiver wirtschaftlicher Faktor in den Entwicklungsländern“, sagt Benjamin Schraven, Politikwissenschaftler des Instituts für Entwicklungspolitik. Der Vorteil: Sie landen direkt bei den Menschen, die es für Bildung und Gesundheitsversorgung ausgeben. Der Weg über korrupte Regierungen wird so vermieden. Entwicklungshilfen seien zwar auch wichtig, so Schraven, aber sie können die vielfältigen Probleme der Länder nicht lösen. Nur wenn Krisenprävention, Strukturreformen und der Dialog mit den Entwicklungsländern Teil der Hilfen seien, können die Fluchtursachen bekämpft werden.

Die Menschen, die aus Entwicklungsländern vor Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit fliehen, haben keine guten Chancen in Deutschland bleiben zu dürfen. Von den 55.000 Menschen, die aus Albanien einen Asylantrag stellen, dürfen gerade mal 0,2 Prozent in Deutschland bleiben. Der Rest muss zurück. Im vergangenen Jahr hielten sich knapp 200.000 Ausreisepflichtige in Deutschland auf. Doch nur 21.000 von ihnen waren bis Ende des Jahres in ihre Heimatländer zurückgekehrt.

„Viele Länder verhindern, dass Geflüchtete, die in Deutschland kein Asyl bekommen, wieder zurückgeführt werden können“, sagte Mike Mohring, Chef der CDU-Fraktion in Thüringen, auf einer Pressekonferenz. Oft seien das auch Länder, die deutsche Entwicklungshilfe bekommen. Anfang Oktober trafen sich die haushaltspolitischen Sprecher der CDU-Fraktionen der Länder, um über Haushaltspolitik zu reden. Das Ergebnis der Konferenz war ein Beschluss, der jedoch weit über Haushaltspolitik hinaus geht: Deutschland soll nur noch den Ländern Entwicklungshilfe zahlen, die bei der Abschiebung kooperieren. Länder, die ihre ausreisepflichtigen Landsleute aus Deutschland nicht zurücknehmen, bekommen keine Entwicklungshilfe mehr. Im Gegenzug sollen die Länder, die abgeschobene Migranten wieder aufnehmen, mehr Geld bekommen.

Der Koalitionspartner SPD unterstützt die Pläne der Christdemokraten. Schon im Januar sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD): „Deutschland hilft gerne wirtschaftlich in Nordafrika, aber nur wenn die Regierungen auch so fair sind, Bürger zurück einreisen zu lassen, die in Deutschland kein Asylrecht haben.“. Aus der Opposition regt sich hingegen Wiederstand: „Die Union erpresst mit der Streichung der Entwicklungsgelder die Rücknahme von Flüchtlingen. Damit verabschiedet sich die CDU langsam aber sicher vom C im Parteinamen“, sagt Uwe Kekeritz , Entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen.

Der Streit um die richtige Asylpolitik wird auch in den nächsten Monaten und Jahren weitergehen. Welche Rolle Entwicklungspolitik dabei zusteht, wird sich noch zeigen.

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